Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
vulgigina |
|
Asarum europaeum L. | Aristolochiaceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Die Haselwurz (Asarum
europaeum) ist die einzige Vertreterin der Osterluzeigewächse,
die in Mitteleuropa ca. 100 Arten umfasst. Ihr Vorkommen erstreckt sich
über Südosteuropa, Kleinasien, Sibirien, bis hin zum Altai-Gebirge;
im Norden reicht es bis England und Südschweden. Sie fehlt im ganzen
nördlichen Flachland und im Westen. Man findet sie auch in höheren
Gebirgslagen, vorzugsweise auf Kalk im Schatten, besonders in lichten Wäldern
und Auwäldern.
Der relativ dünne Wurzelstock
(= Grundachse) kriecht „oberirdisch", d.h. ragt kaum aus dem Erdreich heraus,
bleibt oft noch in der Laubstreu stecken. Die Grundachse ist reichlich
verzweigt und jeder neue Laubspross kann Wurzeln treiben, so dass die immergrünen
Laubblätter dichte Nester bilden. Grundachse und Laubsprossen sind
zottig behaart, wie auch alle übrigen Teile der Pflanze. Jeder Laubspross
entwickelt 3-4 kleine, schuppige, bräunlich-grüne Niederblätter
und je zwei Laubblätter, deren 10-15 cm lange Stiele rot-bräunlich
überlaufen sind. Die glänzend dunkelgrünen ledrigen Blätter
werden bis zu 8 cm breit und weisen eine runde, herz- oder nierenähnliche
Form auf. Die 1-1,5 cm langen unscheinbaren Blüten sind in der Regel
unter den Blättern verborgen. Sie sitzen einzeln am Ende der Sprosse.
Ihre drei- (oder vier-)teiligen, glockenförmigen Blütenkronen
sind innen purpurn, außen jedoch bräunlich-fleischfarben und
riechen, wenn man sie zerreibt, nach Pfeffer. Die Haselwurz blüht
vom März bis Mai. Dann entwickeln sich sechsfächrige Kapseln
mit vielen Samenkörnern, die schiffchenartig vertieft und mit auffallenden
schwammig-fleischigen Anhängseln versehen sind. Letztere werden von
Ameisen gefressen, die für die Verbreitung sorgen. Schnecken fressen
die Haselwurz gerne. Manche Botaniker nehmen sogar an, dass auch die Bestäubung
durch Schnecken erfolgt. Alle Teile der Pflanze sind schwach, der Wurzelstock
jedoch stärker giftig.
Eine ganz andere, eher praktische
Verwendung findet die Haselwurz bei Gärtnern, die sie wegen ihres
attraktiven wintergrünen Laubes gerne als Bodendecker in schattigen
Gartenlagen anpflanzen.
Geschichte
Schon im Altertum galt die
Haselwurz als ein Heilmittel und wurde zur Herstellung wohlriechender Salben
und Kränze benutzt, was ihr auch die Bezeichnung „wilde Narde" eintrug.
Sie gehörte mit dem Efeu und der Nieswurz zu den Kräutern des
Bacchus. Für Dioskorides bedeutete der Name „Asarum" Ekel oder Unbehagen,
das zum Erbrechen führt. Er schreibt, sie „habe wärmende und
harntreibende Kraft und sei gut wider die Wassersucht und die langwehrende
Wehthumb der Hüfft (womit chronischer Ischias gemeint war). Sieben
Quintlein der Wurtzeln mit Methe oder Honigwasser getruncken treiben die
Monatliche Zeit der Frawen zusampt den bösen Feuchtigkeiten durch
den Stuhlgang ..."
Vor der abtreibenden Wirkung
der Haselwurz warnt auch Hildegard von Bingen und nennt sie in hohem Grade
gefahrbringend. Desgleichen beschreibt Brunfels 1532 aus Haselwurz destilliertes
Wasser als Abtreibungsmittel, welches „bößer Schlepseck (Ausdruck
für Kupplerinnen und liederliche Frauenzimmer) haben und wann sye
so ein stücklin wisszen, vertrieben und tödten sye die Kinder
in muter leip und setzen darnach wider ein kränzlin (als Zeichen der
Jungfernschaft) auff." Die Frauen einiger Indianerstämme wussten um
die empfängnisverhütende Wirkung einiger Haselwurzarten in Nordamerika
und nutzten sie dementsprechend.
Der Name „Haselwurz" könnte
vom Standort herrühren, nämlich der Tatsache, dass die Pflanze
sehr häufig unter Haselnussbüschen wächst. Albertus Magnus
war der Ansicht, dass der Beiname der Pflanze „herba leporis" (Hasenkraut)
entstanden sei, weil Hasen sie so gern fräßen. Einige halten
das wegen der scharf und bitter schmeckenden Wurzel für höchst
unwahrscheinlich. Aus eigener leidvoller Erfahrung mit gefräßigen
Kaninchen im Karlsgarten können wir diese Ansicht aber nur bestätigen.
Zurück zur Heilwirkung:
nach der „signatura rerum" (Signaturenlehre) zeigt die Natur z.B. durch
Form von Blüten oder Blättern an, für welches dieser Form
entsprechende Organ im menschlichen Körper eine Pflanze heilend sei.
Aufgrund der Form der Blätter wurde die Haselwurz daher gegen Leber-
und Nierenkrankheiten verwendet. Eine Lauge aus Haselwurz empfahl Tabernaemontanus
auf den Kopf aufzutragen, um Kopfschmerzen zu vertreiben und Haarausfall
vorzubeugen.
In Oberösterreich spielte
die Haselwurz auch eine Rolle im Milchzauber: Wenn jemand die Milch bestimmter
Kühe verzaubert („verneidet") hatte, musste man die Milchzuber mit
Haselwurz ausreiben und auswischen. Die Kühe gaben danach wieder viel
und gute Milch. Das brachte ihr den Namen „Neidkraut" ein.
Heutige Bedeutung und Verwendung
Genutzt wird der Wurzelstock
der Haselwurz (Rhizoma Asari), der einen kampferartigen Geruch verströmt
und einen scharf würzigen Geschmack aufweist. Man sammelt ihn im August
und sollte ihn möglichst schnell trocknen und dann gut verschlossen
aufbewahren. Er enthält giftige etherische Öle, 40 % Asaron,
auch Asarumkampfer genannt, Gerbstoff, Stärke und Harz. Asaron erzeugt
auf der Zunge ein pfefferartiges Brennen. Äußerlich reizt Asaron
die Haut, so dass es zu Blasenbildung kommt. Eingenommen irritiert es die
Magenschleimhäute, und es kommt zu reflektorischem Erbrechen, was
zu dem Namen „Brechwurz" führte, außerdem zu Durchfall, Nierenentzündungen
und Gebärmutterentzündungen, zu einer allgemeinen Schwächung
des Körpers und anschließendem Kollaps. Bis zum Anfang des 18.
Jh. galt die Haselwurz als das wichtigste Brechmittel. Dann kam sie in
dieser Funktion, besonders auch wegen der toxischen Nebenwirkungen, außer
Gebrauch und wurde durch die „Brechwurzel" (Radix Ipecacuanhae) aus Brasilien
ersetzt. Diese Pflanze (Cephaelis ipecacuanha) enthält die
Alkaloide Emetin und Cephaelin.
Heute wird die sie immer
noch als auswurfförderndes Mittel in Auszügen bei trockenen Rachen-
und Kehlkopfkatarrhen sowie bei Asthma verwendet. Homöopathisch wird
Haselwurz in entsprechender Verdünnung bei nervösen Reizerscheinungen
wie Kopfschmerzen mit Übelkeit, nervösem Erbrechen, Hysterie,
Fieber, Darm- und Blasenkrämpfen, Koliken, Rheuma, nervöser Überempfindlichkeit,
Lichtscheue und Frostgefühl gegeben. Außerdem benutzt man Haselwurz
in ganz niedrigen Dosen noch als Zusatz in Niespulvern und Schnupftabak.
In hohen Dosen missbräuchlich als Abtreibungsmittel gegeben, führt
Haselwurz zum Kollaps mit tödlichem Ausgang.
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zuletzt geändert am: 1.III.2002