Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
ceresarios |
|
Prunus avium L. | Rosaceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Wildformen und Hochstämme
können über 20m hoch werden und tragen eine breit kegelförmige
Krone. Die Rinde ist zunächst glänzend-rötlichgrau mit breiten,
rostfarbenen Korkwarzen. Später wird sie von einer gleichfarbigen
Ringelborke abgelöst. Das Holz ist oft etwas rötlich und schön
gemasert. Die länglich-ovalen Blätter sind am Rand gesägt
und tragen am oberen Ende des 2-5cm langen Stiels zwei rötliche Drüsen.
Die weißen Blüten entspringen in wenigblütigen Dolden direkt
am vorjährigen Holz. Die 2-3cm breiten Blüten setzen sich aus
fünf Kelch-, fünf freien Kron-, ca.20 Staubblättern mit
gelben Staubbeuteln und 1 oberständigen Fruchtblatt zusammen. Letzteres
enthält einen einzigen Samen und entwickelt sich nach der Blüte
zur bekannten Steinfrucht. Bei Wildformen wird die Frucht nicht größer
als 1cm im Durchmesser, Kulturformen erreichen bis zu 2,5cm.
Die Süß- oder
Vogel-Kirsche zerfällt in drei Unterarten. Die Wildform (ssp. avium)
hat kleine schwarze Früchte, die einen bitteren Beigeschmack haben
können. Sie kommt von Natur aus in lichten Wäldern, z.B. in Eichen-Hainbuchen-Wäldern
vor. In Deutschland reichen die indigenen Vorkommen von Süden
vermutlich bis auf die Höhe von Osnabrück oder Hannover. Nördlichere
Vorkommen gehen wahrscheinlich auf verwilderte Bäume zurück.
Die beiden folgenden Unterarten
sind reine Kulturformen, die nur selten verwildern. Nicht nur die Früchte
sondern auch die Blätter sind deutlich größer als bei der
Wildform. Die Herzkirschen (ssp. juliana) haben sehr weiches, saftiges
Fleisch und werden deshalb gerne als Saftkirschen verwendet bzw. als Grundlage
für Kirschwasser wie die Sorte 'Dolleseppler' (Streuobstsorte des
Jahres 2000 in Baden-Württemberg). Weitere bekanntere Sorten sind
'Alma', 'Coburger Mai', 'Frühe Rote Meckenheimer', 'Lucien' und 'Valeska'.
Als Frischobst werden heute
meist nur noch die sogenannten Knorpelkirschen (ssp. duracina) gehandelt,
die durch ihr festes Fruchtfleisch wesentlich besser transportfähig
sind als die weichen Herzkirschen. Bekannte Sorten von Knorpelkirschen
sind 'Bärtschis Adler', 'Dönissens Gelbe', 'Große Prinzessin'
(auch 'Napoleonskirsche', 'Kaiserkirsche' genannt), 'Star' und 'Van'.
Durch Kreuzungen mit anderen
Prunus-Arten
sind weitere Sorten entstanden. Hybriden mit der Sauerkirsche werden bei
dieser Art besprochen. Die Sorte 'Sprite' ist eine Hybride mit der Japanischen
Pflaume (Prunus salicina); dementsprechend braucht sie als Pollenspender
Pflaumensorten.
Geschichte
Aus Funden von Steinkernen,
z.B. in den Pfahlbautendörfern am Alpennordrand und in eisenzeitlichen
Siedlungen (u.a. in Aachen-Burtscheid) weiß man, dass die Süßkirsche
schon in prähistorischer Zeit als Wildobst genutzt wurde. Wahrscheinlich
ist es dabei auch schon zu gezielten Anpflanzungen und der Selektion von
Zuchtformen gekommen. So hat man in einem Keltengrab bei Schwäbisch-Hall
Steinkerne gefunden, die wesentlich größer als die der Wildform
sind.
Allgemein nimmt man aber
an, dass die Urahnen der heutigen Kulturkirschen von den Römern in
ihre nördlichen Kolonien gebracht wurden. Selbst in Großbritannien
wurden vergrößerte Steinkerne gefunden, die auf 50 n. Chr. datiert
werden. In der griechisch-römischen Antike waren bereits zahlreiche
Zuchtsorten bekannt. Die älteste Erwähnung findet sich bei Theophrast
(4. Jhdt. v. Chr.). Allerdings unterschied man in der Antike nicht zwischen
Süß- und Sauerkirschen, so dass nur Funde von Steinkernen einen
sicheren Beleg geben. Da man in allen römischen Siedlungen nördlich
der Alpen immer nur Steine der Süßkirsche gefunden hat, liegt
die Annahme nahe, dass die Römer die Sauerkirsche gar nicht kannten.
In jedem Fall widerlegt die Nennung bei Theophrast die alte Legende, dass
die Kulturkirsche, egal ob süß oder sauer, erst im Jahre 64
v. Chr. vom römischen Feldherrn Lukull aus Kleinasien mitgebracht
worden sein soll.
Lange Zeit unterschied man
im Mittelalter nur die Wildform (Cerasus silvestris) von der Kulturform,
die allgemein als Cerasus bezeichnet wurde. Einen dezidierten Hinweis
auf die Sauerkirsche findet sich zuerst bei Pietro Andrea Mattioli, genannt
Matthiolus (1500-1577), der eindeutig die Sauer-Kirsche unter dem Namen
C.
acida als dritte Art von Kirsche aufführt.
In der Folge wurde eine Unzahl
von Sorten mit oft nur sehr lokaler Verbreitung gezüchtet, wobei sich
die Gärtner meist nicht darum scherten, zu welcher Art ihre Sorte
gehörte, und auch zahlreiche Hybridsorten aus beiden Arten entstanden.
Mathieu zählt 1889 über 5600 verschiedene Sortennamen, von denen
ein großer Teil Synonyme war.
Heutige Bedeutung und Verwendung
Bis heute ist die Süßkirsche
eine der gebräuchlichsten Obstsorten und wird zu allem benutzt, was
man eben mit Obst machen kann. Wie bei allen anderen Obstgehölzen
ist die Sortenvielfalt extrem zurückgegangen. Zuchtziele bei modernen
Sorten sind u.a. niedriger Wuchs und Selbstfruchtbarkeit. Niedriger Wuchs
erleichtert die maschinelle Ernte und macht die Bäume in jüngerem
Alter blühfähig (Die Wildform braucht 20 Jahre!). Niedrige Wuchsform
wird z.T. auch durch Pfropfen auf Unterlagen kleinwüchsiger Arten
wie Steinweichsel (P. mahaleb) oder der Steppen-Kirsche
(P. fruticosa) erzielt. Selbstfertile Sorten sind vor allem
für Kleingärtner interessant, weil man keine weiteren Pflanzen
als Pollenspender braucht.
Wegen der schönen Maserung
ist Süßkirsche nach wie vor als Furnierholz in Gebrauch. Das
schwer spaltbare Holz eignet sich für Drechselarbeiten (Tischbeine,
Griffe, Verzierungen usw.) und wird auch für Musikinstrumente verwendet.
Natürlich kommen dafür nur Hochstämme in Betracht.
Als wichtige Nutzpflanze
sind die Inhaltsstoffe der Süßkirsche intensivst untersucht
worden. Dabei wurde eine große Zahl sekundärer Pflanzenstoffe
wie Catechine, Flavonoide, Anthocyane und Cumarine gefunden. Der "cherry
factor" ist ein Abkömmlung der Cumarinsäure, der bei der Süßkirsche
und verwandten Arten am typischen Aroma beteiligt ist. Besonders charakteristisch
für die ganze Gattung Prunus sind cyanogene Glykoside, d.s.
zuckerartige Verbindungen, die leicht Blausäure freisetzen, und den
typischen Bittermandel-Ton bewirken. Der kommt besonders bei der Verarbeitung
zu Spirituosen zur Geltung und gibt z.B. dem sündhaft teuren Kirschwasser
aus Wildkirschen die besondere Note. Der Gehalt an cyanogenen Glykosiden
ist im Samen am höchsten. Bei der Süßkirsche kommen sie
nur hier und in geringer Konzentration auch im Fruchtfleisch vor. Im Gegensatz
zu verwandten Arten sind medizinische Anwendungen der Süßkirsche
nicht belegt.
Schließlich wird die
Art auch als Ziergehölz in größeren Gärten und öffentlichen
Anlagen gepflanzt, z.B. in der Sorte 'Plena' mit gefüllten Blüten.
Die Zwergssorte 'Nana' ist auch für kleinere Gärten geeignet.
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zuletzt geändert am: 2.VIII.2002