Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
carvitas |
|
Daucus carota L. | Apiaceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Die Möhre, Karotte oder
Mohrrübe ist ein zweijähriges Doldengewächs und von daher
mit den eigentlichen Rüben (Kohlgewächse) nicht verwandt. Im
ersten Jahr erzeugt sie eine Rosette aus doppelt bis dreifach gefiederten
Blättern. Im zweiten Jahr wächst der verzweigte, borstig behaarte
Blütenspross hervor, wobei die in der Rübe gespeicherten Nährstoffe
verbraucht werden. Der Blütenstand ist eine Doppeldolde aus 3 mm kleinen
weißen Blüten. In der Mitte der Dolde befindet sich die typische
einzelne schwarz-rote Mohrenblüte (selten sind es 2-4 oder fehlt diese
ganz). Die Möhre blüht von Juni bis Oktober. Zur Fruchtzeit zieht
sich die während der Blüte flache Dolde wie ein Vogelnest zusammen,
sie bildet 4 mm lange rauhhaarige Doppelfrüchte.
Die verholzende Pfahlwurzel
der mitteleuropäischen Wildart (Subspecies carota) ist weiß
und carotinlos. Die Wurzel besteht aus einem inneren Mark mit Leitungsgewebe
und einem äußeren, zarteren Teil mit Speichergewebe. An den
Austrittsstellen der in vier Reihen angeordneten Seitenwurzeln entstehen
infolge des Dickenwachstums helle, rillenartige Narben.
Die heutige Gartenmöhre
(ssp. sativa) geht wahrscheinlich auf eine Kreuzung unserer Wildmöhre
mit der südeuropäischen ssp. maximus und evtl. der orientalischen
ssp. afghanicus zurück, wobei als neues Merkmal die fleischige
orangerote Rübe entstand. Den Kultursorten fehlt übrigens meist
die Mohrenblüte. In den einzelnen Anbaugebieten gab es im Verlauf
der Kulturgeschichte verschieden geformte und gefärbte Möhren,
die je nach Gehalt an Anthocyanen, Carotinen oder anderen Farbstoffen zwischen
hellgelb und rotviolett variierten. Erst seit ca. 100 Jahren existieren
durch Züchtung die heutigen, extrem carotinhaltigen Sorten.
Möhren brauchen einen
sonnigen Standort und einen lockeren, fruchtbaren Boden. Die wilde Möhre
besiedelt Wiesen, Wegränder, und Halbtrockenrasen. Sie ist häufig
und fehlt nur im Tiefland.
Geschichte
Dioskorides beschreibt unter
dem Namen Staphylinos (dtsch. wilde Pasteney) eine Pflanze, die
Merkmale der wilden Möhre trägt. Er empfiehlt sie als Arznei
zur Anregung der Menstruation, als Diureticum und als Mittel gegen giftige
Tiere. Die Wurzel erwecke Begierde zum Beischlaf, der Samen verhelfe dagegen
zur Empfängnis. Die Blätter dieser Pflanze und als Pflaster aufgebrachte
Samen sollen gegen Krebsgeschwüre helfen. Ähnliche Wirkungen
weist er einer ebenfalls beschriebenen Pflanze mit Namen Daucus
(dtsch. Feldt Moren / Vogelsnester) zu. Im Kochbuch des römischen
Feinschmeckers Apicius ist von carota als Gemüse die Rede.
Die römischen Bezeichnungen aus dieser Zeit sind wahlweise carota
und pastinaca, und auch Nennungen zwischen dem 9. und 12. Jh. (etwa
im Capitulare Karls des Großen oder bei Hildegard von Bingen) können
sich sowohl auf Möhre wie auf Pastinak beziehen. Albertus Magnus nennt
als erster eindeutig den Namen daucus in Verbindung mit der dunkelroten
Mittelblüte. Eine Nutzung als Arznei oder Speise wird jedoch nicht
angegeben. Hieronymus Bock bildet eine gelbe Rübe ab, die im Rheinland
als Gemüse angebaut wurde und unterscheidet diese auch von der holzigen
wilden Möhre mit weißer Wurzel, die nur in Notzeiten gegessen
wurde. In Britannien wurde die Kulturmöhre erst im 16. Jh. eingeführt.
Die Blätter dienten Frauen als Haarschmuck. Von Perger berichtet in
den Pflanzensagen, dass die Möhre im Volksbrauchtum wegen ihrer Süße
als Lieblingsspeise der Zwerge galt, die dafür oft ein Goldstück
hinlegten. Daher sollte man am Neujahrstag Möhren essen, damit das
ganze Jahr über das Geld nicht ausgeht. Auch erzählt er folgende
nette Münchhausiade von der Rübe: Ein Samenhändler reiste
über den Rhein und ließ im Schwarzwald ein Samenkorn fallen.
Als er zurück kam, war eine so große Rübe daraus gewachsen,
dass er zwei Ochsen damit mästen konnte, die während dieser Fütterung
so große Hörner bekamen, dass wenn man zu Martini in eines derselben
hinein blies, der Ton erst zu Georgi herauskam.
Früher wurde der Samen
der wilden Möhre unter der Bezeichnung "Semen Dauci silvestris" als
harntreibendes und blähungsstillendes Mittel verwendet. Samen und
Wurzel wurden auch als Wurmmittel verabreicht. Inhaltsstoffe der Möhren
sind antibakteriell wirksam und helfen zum Beispiel, in Verbindung mit
dem enthaltenden Pektin, gegen Durchfall bei Säuglingen. Möhrensaft
mit Sirup eingekocht ergibt ein gutes Mittel gegen Husten. Vor dem Essen
eingenommener roher Möhrensaft soll gegen Sodbrennen helfen. In der
Volksmedizin wurden Möhrensamen auch gegen "Kater-Beschwerden" eingenommen.
Heutige Bedeutung und Verwendung
Die Rübe ist reich an
Kohlenhydraten, Provitamin A (Beta-Carotin, 10mg/100g) und enthält
geringere Mengen Vitamin C, B1 und B2, Pektin sowie Asparagin. Den Carotinen
wird eine anticancerogene Wirkung nachgesagt. Möhrensaft wirkt insgesamt
entgiftend und harntreibend. Etherische Öle und Flavonoide im Samen
bilden den charakteristischen Geschmack und haben eine beruhigende Wirkung
auf den Magen-Darm-Trakt und einen günstigen Einfluss auf die Blutgefäßwände.
Da Carotin fettlöslich ist, sollten Möhren mit Milch, Öl
oder anderen Fetten zusammen gegessen werden. Wegen des hohen Gehalts der
Vorstufe des Vitamin A sind Möhren als Nahrung wertvoll, weil die
biochemischen Wirkungen des fertigen Vitamins A in der günstigen Einwirkung
auf das Wachstum des jugendlichen Organismus, in der Infektionsabwehr und
der Mitwirkung beim Sehvorgang bestehen. Während der Schwangerschaft
eingenommene Samen können Fehlgeburten auslösen. Möhrenblätter
enthalten das in größeren Mengen giftige Polyin Falcarinol.
Mit über 10 Mio. to
Weltjahresproduktion der verschiedensten Sorten gehört die gut lagerbare
Möhre zu den wirtschaftlich bedeutenden Gemüsen (3. Stelle der
Frischgemüsepflanzen). Die Anbauzentren sind Europa und Asien. Neben
dem Anbau als Gemüse und Viehfutter wird in einigen Ländern auch
das Carotin industriell als Speisefärbemittel extrahiert. Das irisähnlich
duftende etherische Öl der Samen wird zur Herstellung von Parfum und
Gewürzextrakt, sowie für medizinische Zwecke verwendet.
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zuletzt geändert am: 30.VII.2002