Name im Capitulare Nr. Botanischer Name Familie
lactucas
24b
Lactuca virosa L. Asteraceae
 
 
 Gift-Lattich
deutscher Name 
 Gifsla
niederländischer Name 
 laitue vireuse
französischer Name 
 wild/prickly lettuce
englischer Name 
 
 
Beschreibung
 
Geschichte
 
 Verwendung
 

Botanische Beschreibung der Art

Wie der eng verwandte Kopfsalat bringt auch der Gift-Lattich zunächst nur eine Blattrosette hervor, die nach ein oder zwei Jahren im Sommer den Blütenschaft treibt. Nach der Fruchtreife stirbt die Pflanze ab. Die blaugrünen Blätter sind relativ steif, ungeteilt bis schwach buchtig gelappt und dabei am Rand und auf der Unterseite der Mittelrippe mehr oder weniger stachelig. Die unteren Blätter sind groß und lappig, nach oben werden sie schnell kleiner und sitzend mit mehr oder weniger stengelumfassendem Grund. Der Blütenschaft wird 60 -150 (-250) cm hoch und endet mit einer umgekehrt pyramidenförmigen, reich verzweigten Rispe mit zahlreichen kleinen Blütenköpfchen. DIe Hüllblättchen der Köpfe werden 10-12 mm lang und umgeben relativ wenige hellgelbe Zungenblüten, die die Hülle nur wenig überragen. Wie viele andere Arten aus der Unterfamilie Cichorioideae verwandeln sich auch beim Gift-Lattich die Köpfchen zur Fruchtzeit in kleine "Pusteblumen". Das Flugorgan (Pappus) sitzt an einem kurzen Stiel auf der kahlen, schwarzen, bis 3 mm langen Frucht. Die Pflanze ist mehr oder weniger kahl und enthält in allen Teilen Milchsaft. Verwechslungsgefahr besteht nur mit untypischen Exemplaren des Kompass-Lattichs (Lactuca serriola), der normalerweise an den viel stärker eingeschnittenen, streng senkrecht gestellten Blättern leicht zu erkennen ist. Pflanzen mit mäßig verdrehten, mehr oder weniger ungeteilten Blättern sind am sichersten an den Früchten zu identifizieren, die beim Kompass-Lattich borstig-gezähnt sind.

Der Gift-Lattich wächst auf relativ nährstoffreichen Schutt- und Felsböden in wärmebegünstigten Lagen, z.B. im Weinbauklima. Die Vorkommen in Deutschland gehen vermutlich alle auf Verwilderungen aus Kulturen zurück. Ursprünglich stammt die Art wohl aus Südeuropa und dem Mittelmeerraum.
 

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Geschichte

Die älteste Darstellung des Lattichs ist eine ägyptische Grabbemalung, die auf 4500 v. Chr. datiert wird. Dabei herrscht eine erhebliche Verwirrung über die Identität der Pflanze und bis heute ist nicht klar, welche Art die alten Ägypter meinten. Neben dem Gift-Lattich kommen auch der wilde Kompass-Lattich (Lactuca serriola) oder der Kultur-Lattich (Lactuca sativa) in Frage, der vermutlich in Ägypten aus dem Kompass-Lattich gezüchtet wurde. Der Lattich gehörte zum Kult des Gottes Min, der schon im Alten Reich verehrt wurde. Er war der Gott der Wüste, des Blitzes und des Sandsturms, aber auch der Fruchtbarkeit und der Zeugung. Seine Symbole waren Lattich und Phallus. Dementsprechend galt der Lattich in Ägypten als Aphrodisiakum.

Merkwürdigerweise wurde dem Lattich von den Griechen die gegenteilige Wirkung zugeschrieben. So liest man bei Dioskorides (II,165): "Der wilde Lattich, welchen die Propheten <Titansblut> , Zoroaster Pherumbos, die Römer Lactuca silvatica nennen, gleicht dem Gartenlattich, hat aber einen stärkeren Stengel, weißere, dünnere, rauhere und bitter schmeckende Blätter. Im Ganzen ist er in seiner Wirkung dem Mohn ähnlich, weshalb auch einige seinen Saft unter das Opium mischen. (...) Er ist überhaupt schlafmachend und schmerzstillend. Ferner befördert er die Regel der Frauen, auch wird er gegen Skorpions- und Spinnenstiche getrunken. Der Same wird wie der des Gartenlattichs genommen, verhindert Pollution und Beischlaf."  Vielleicht war der Gift-Lattich auch das mysteriöse Zwölfgötterkraut Dodecatheon, das Plinius gleich nach dem sagenhaften Kraut Moly aufführt und als Allheilmittel preist.

Im Verlauf des Mittelalters erlangte auch die berauschende Wirkung größere Beachtung. Der arabische Arzt Ibn Sina (980-1036), in europäischen Schriften Avicenna genannt, schildert die Zubereitung von Opium aus Lattichsamen. Um 1150 schreibt Hildegard von Bingen in ihren Physica, nachdem sie zuvor andere Lattichsorten behandelt hat: " Aber die Giftlattiche haben beinahe dieselbe Natur. Wer nämlich Lattiche, die unnütz sind und Unkraut genannt werden, entweder roh oder gekocht äße, würde wahnsinnig, das heißt unsinnig, und im Mark würde er leer, weil jene weder warm noch kalt sind, sondern lediglich ein unnützer Wind, der die Frucht der Erde ausdörrt und der keine Frucht bringt. Und jene Lattiche wachsen aus dem Schaum des Erdschweißes und sind daher unnütz." Vielleicht auch auf Grund dieser "Reklame" wurde der Gift-Lattich zum Bestandteil der Hexensalben. Damit war dann auch der Ruf der Pflanze ruiniert und sie geriet als Heilpflanze in Vergessenheit.

1771 entdeckte der Wiener Arzt H. J. Collin den Gift-Lattich als Opiumersatz wieder und dem Amerikaner Kore gelang 1792 die Gewinnung des sogenannten Lactucariums aus dem Milchsaft. Dazu wird dem blühenden Spross die Spitze abgeschnitten, der austretende Milchsaft von Hand oder mit einem Messer in eine Tasse abgestrichen und an der Sonne getrocknet. Am Tag kann der Stängel bis zu sechs Mal etwas gekürzt und "geerntet" werden. Dies kann bis zu 60 Tage fortgesetzt werden. Eine ähnliche Methode beschrieb auch schon Dioskorides. In den folgenden Jahren wurde die Art in Europa feldmäßig angebaut. Das wichtigste Anbaugebiet in Deutschland lag an der Mosel, wo der Anbau durch den Apotheker Alois Goeris aus Zell 1847 begonnen wurde. Dies ist wohl auch der Grund, warum der Gift-Lattich heute noch in Weinbergen und Felsen an der Mosel ziemlich häufig ist. Die Droge wurde als Lactucarium germanicum gehandelt. Weitere Anbaugebiete lagen in England, Niederösterreich und Russland. Da andere Lactuca-Arten weitgehend die gleichen Inhaltsstoffe besitzen (auch der Kopfsalat, wenn man ihn nur schießen lässt!), wurden auch diese angebaut. Das Lactucarium gallicum wurde in Frankreich entweder aus dem Eichenlaub-Lattich (L. quercina ssp. chaixii) oder dem Kopfsalat (Lactuca sativa) gewonnen. In Amerika wurde zum gleichen Zweck Lactuca canadensis kultiviert. Berichte, nach denen auch nordamerikanische Indianer Lattich als Rauschmittel geraucht haben, beziehen sich wohl auf diese Art.
 

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Heutige Bedeutung und Verwendung

Die moderne Biochemie konnte als wesentliche Inhaltsstoffe verschiedene Bitterstoffe aus der Klasse der Sesquiterpene, vor allem sogenannte Guaianolide, nachweisen, die vor allem für die sedative (beruhigende, Erregung dämpfende) Wirkung verantwortlich sein sollen. Hauptbestandteile sind das Lactucin (C15H16O5) und dessen para-Hydroxiphenylessigsäureester Lactupicrin. Ferner kommt der Triterpenalkohol Lactucerol vor. Auf Grund der opiumähnlichen Wirkung und der Benutzung in Hexensalben wurde lange vermutet, dass die Pflanze auch ein Alkaloid enthält. Dies ließ sich aber nicht bestätigen.

In der Schulmedizin spielt die Droge keine Rolle mehr. Allerdings wird die Pflanze immer noch in kleinem Umfang zur Herstellung von Pharmazeutika gegen Erregungszustände angebaut. In der Homöopathie wird sie u.a. als Mittel gegen Schlaflosigkeit und Reizhusten verwendet. Wegen erheblicher Nebenwirkungen bis zum Delirium tremens ist allerdings dringend von Selbstmedikation abzuraten! Als Rauschmittel kann Gift-Lattich Zustände hervorrufen, die als "schwacher Traumzustand" oder"aphrodisisches 'High'" beschrieben wurden. Auf der Suche nach legalen Ausweichdrogen sind in jüngster Zeit auch diesbezüglich interessierte Kreise wieder auf den Gift-Lattich aufmerksam geworden. Eine Lattich-Zubereitung ist sogar unter dem Handelsnamen "Lettucene" registriert und wird im Gemisch mit Extrakten anderer psychoaktiver Pflanzen als "extrastarkes" Haschischsubstitut unter reißerischen Namen wie "Hash Oil" oder "Hashish" gehandelt.
 
 

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zuletzt geändert am: 25.7.2000