Name im Capitulare | Nr. | Botanischer Name | Familie |
papaver | 47 | Papaver somniferum L. | Papaveraceae |
|
Botanische Beschreibung der Art
Die einjährige Art wird
60-150 cm hoch. Der Stängel ist kahl. Wie alle anderen Pflanzenteile
ist er blaugrün gefärbt und führt Milchsaft. Die unteren
Blätter sind gestielt, die oberen stengelumfassend-sitzend und ungeteilt
mit welligem, mehr oder weniger gezähnt-gekerbtem Rand. Die wenigen,
ziemlich großen (bis 10 cm Durchmesser) Blüten sind blassviolett,
weiß oder rot mit 2 früh abfallenden Kelchblättern, 4 großen,
knitterigen Kronblättern, zahlreichen Staubblättern und einem
kugeligen Fruchtknoten, der mit einer Scheibe mit 8-12 Narbenstrahlen abschließt.
Zur Fruchtzeit schwillt der Fruchtknoten zu einer bis 5 cm großen
Kapsel an. Ursprünglich bildeten sich unter der Narbenscheibe kleine
Poren, durch die die Samen wie bei einem Salzstreuer ausgeworfen werden.
Bei den meisten Zuchtformen öffnen sich diese Poren aber nicht mehr,
so dass die Samen in der Kapsel bleiben und leicht geerntet werden können.
Der Schlaf-Mohn ist nur als
Kulturpflanze bekannt. Gelegentlich verwildert er aus Gartenabfällen
oder ausgestreutem Vogelfutter. Als wilde Stammart wird das mediterrane
Papaver setigerum DC. vermutet.
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Geschichte
Schlaf-Mohn ist eine der
ältesten Kulturpflanzen der Menschheit. Samen und Kapseln wurden in
der Schweiz in 4000 Jahre alten Pfahlbauten gefunden. Auf 3000 Jahre alten
sumerischen Tafeln ist der Mohn als „Pflanze der Freude" erwähnt.
Vermutlich ist die Art im Raum Oberitalien - Schweiz - Süddeutschland
in der Jungsteinzeit gezüchtet worden und hat sich von hier schnell
über die damals bekannte Welt verbreitet. In Ägypten wurde der
Schlaf-Mohn erst später bekannt; sichere Belege fehlen. Die ältesten
chinesichen Dokumente stammen aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. Irgendwo zwischen
Bodensee und Provence vermutet man auch die Entdeckung des Rohopiums, einer
braunen Masse, die entsteht, wenn man unreife Kapseln anritzt und den austretenden
Milchsaft eintrocknen lässt. Dieses Rohopium ist der Grundstoff für
alle weiteren Zubereitungen wie Opium, Morphium und sogar das halbsynthetische
Heroin.
Opium wurde zum wichtigsten
Heilmittel. Die antiken Hippokratiker benutzten es u.a. bei Wassersucht,
Durchfall, Gebärmutterleiden und natürlich gegen Schlafstörungen.
Entweder wurde es geraucht oder meistens mit Wein vermischt. Wegen der
berauschenden, euphorisierenden Wirkung wurde es auch rituell verwendet.
In der minoischen Kultur gehörte Opium (mindestens seit 1300 v. Chr.)
zum Kult der Kornmutter und Erdgöttin Demeter, was später auf
entsprechende Gottheiten wie Kybele in Kleinasien und Ceres in Rom übertragen
wurde. Naheliegenderweise wurde der Schlaf-Mohn auch mit Nyx, der
Göttin der Nacht, Hypnos (röm. Morpheus), dem Gott des Schlafes
und "Löser der Sorgen", und Thanatos, dem Gott des Todes, in Verbindung
gebracht. Abbildungen von Hermes (röm. Merkur) mit der Pflanze in
der linken Hand haben die Vermutung genährt, dass der Schlaf-Mohn
die sagenhafte Zauberpflanze Moly ist. Theokrit bezeichnete den
Milchsaft als "Tränen des Mondes" oder "Tränen der Aphrodite".
Ovid nannte es "Saft vom Kraut des Vergessens". Schlaf-Mohn war auch einer
der wichtigsten Bestandteile des Theriak, einer Tinktur aus zahlreichen
Kräutern, die ursprünglich gegen Vergiftung schützen sollte,
später in mannigfachen Variationen zum Zauber- und Allheilmittel avancierte.
Im Matthäus-Evangelium
steht, man habe Christus am Kreuz Essig oder Wein (griech. chole,
also etwas Bitteres) zu trinken gegeben, "mit Galle vermischt; und als
er's schmeckte, wollte er nicht trinken" (Matthäus 27,34). Markus
schildert das Getränk als Wein mit Myrrhe (15,22). Es war damals üblich,
dass bei Hinrichtungen barmherzige Frauen versuchten, das Leiden der Verurteilten
zu lindern, indem sie ihnen schmerzstillende Mittel wie Galle oder Myrrhe
brachten. Auch mit Opium versetzter Wein schmeckt bitter. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass das Getränk, das Christus am Kreuz gereicht wurde, Opium enthielt.
Die Germanen pflanzten Mohn
(urgermanisch: magan) auf Äckern ("Magenfeldern") an, die auch
Odâinsackr genannt wurden; sie galten als Genesungsstätten,
auf denen Odin bzw. Wotan heilsame Wunder tätigte. Noch zur Frankenzeit
ist aus der Gegend um das heutige Schweinfurt der Kult des Gottes Lollus
überliefert, dessen Insignien ein Becher Wein mit einer Kornähre
und ein Kranz von Magsamenköpfen (Mohnkapseln) war. Natürlich
preist auch Dioskorides umfangreich die Anwendungen des Schlaf-Mohns als
Schlafmittel und Medizin gegen alle möglichen Schmerzen an. Da Dioskorides
die maßgebliche Quelle für die europäische Schulmedizin
des Mittelalters war, fehlt Opium in keiner Arzneimittelliste der damaligen
Zeit.
1670 kreierte der englische
Arzt Thomas Sydenham das "Laudanum", eine Tinktur aus Opium, Zimt, Safran
und anderen exotischen Zutaten, die schnell den Ruf eines Universalheilmittels
errang und bis ins 19. Jahrhundert in Gebrauch war. Die neuen Kolonien
in Asien erwuchsen zu den wichtigsten Anbaugebieten; im 17. Jahrhundert
war Opium der bedeutendste Handelsartikel der Holländischen Ostindien-Kompagnie.
Wie populär Opium damals war, kann man auch daran ablesen, dass es
Goethe im Faust I als " Inbegriff der holden Schlummersäfte" erwähnt.
Ein Meilenstein in der Geschichte
der Pharmazie war die Isolierung des Hauptwirkstoffs Morphin, einem Alkaloid,
die 1805 dem Apotheker Sertürner gelang. Es war das erste Mal, dass
ein reiner Wirkstoff extrahiert werden konnte. Um die Bedeutung dieser
Tat zu würdigen, muss man sich klar machen, dass damals noch die Lehrmeinung
galt, dass organische Moleküle nur in Lebewesen unter Wirkung einer
geheimnisvollen Lebenskraft (vis vitalis) entstehen könnten.
An die Möglichkeiten der heutigen Pharmachemie war damals im Traum
nicht zu denken.
Im 19. Jahrhundert wurde
Opium zur Modedroge unter Dichtern und anderen Künstlern. Durch die
Entdeckung Sertürners war ab der Mitte des Jahrhunderts auch das reine
Morphin verfügbar, das gespritzt wurde. In dieser Darreichung besitzt
Morphin ein starkes Suchtpotential und kann nach mehrmaligem Gebrauch abhängig
machen. Die Morphin-Abhängigen nannte man Morphinisten. Trotzdem war
Morphin (Handelsname: Morphium) in der Medizin immer noch ein geläufiges
Schmerzmittel. In den 30er-Jahren versuchten die Chemischen Fabriken Bayer
in Elberfeld (heute Wuppertal), die unerwünschten Eigenschaften des
Morphins durch Veresterung mit Essigsäure abzufangen. Dies war zuvor
schon mit dem entzündungshemmenden Wirkstoff aus der Weidenrinde,
der Salicylsäure, gelungen, die durch Veresterung mit Essigsäure
zur leicht handhabbaren Acetylsalicylsäure verwandelt wurde. Unter
dem Handelsnamen ASPIRIN ist diese Substanz seit Jahrzehnten ein Verkaufserfolg
der Bayer-AG. Das Gleiche versuchte man auch mit dem Morphin auf der Suche
nach einem Medikament zur Unterstützung einer Therapie gegen die Tuberculose,
die man damals die heroische Therapie nannte. Daraus resultierte ein Stoff,
der unter dem Namen HEROIN in den Handel kam. Bald stellte sich heraus,
dass man den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben hatte. Das neue Heroin erwies
sich als starkes Rauschmittel mit größerem Suchtpotential als
Morphin und wurde vom Markt genommen, wird aber bis heute in erheblichem
Umfang illegal produziert.
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Heutige Bedeutung und Verwendung
Die zahlreichen Wirkungen
des Opiums, die noch bis in die jüngste Vergangenheit in der Volksmedizin
genutzt wurden, beruhen darauf, dass es sich um ein Gemisch aus ca. 40
verschiedenen Alkaloiden handelt, die unter dem Namen Opiate zusammengefasst
werden. Die drei wichtigsten und ihre Wirkungen sind:
In der Medizin ist der Gebrauch
des Morphins stark zurückgegangen und wird nur noch bei extremen Schmerzen,
z.B. Krebs in der Endphase, verschrieben. Dies liegt nicht daran, dass
neue Nebenwirkungen bekannt geworden wären sondern daran, dass die
Ärzte Konflikte mit dem Betäubungsmittelgesetz fürchten.
Papaverin und Codein sind heute noch geläufige medizinische Wirkstoffe.
Sie werden allerdings nicht mehr aus Opium gewonnen sondern vollsynthetisch
hergestellt.
Opium, Morphium und erst
recht Heroin fallen in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz.
Das heißt, dass bereits der Besitz illegal ist. Als Produzent der
schwarzen Mohnsamen, die natürlich keines der psychoaktiven Alkaloide
mehr enthalten, auf Mohnbrötchen und in anderem Gebäck wird der
Schlaf-Mohn z.B. in Österreich feldmäßig angebaut. In Deutschland
ist der Anbau genehmigungspflichtig. Privat darf man höchstens 10m²
im eigenen Garten anpflanzen. Seit 1984 dürfen im Blumenhandel nur
noch besonders behandelte, "entgiftete" Mohnkapseln in Verkehr gebracht
werden. In Dänemark sind Mohnkapseln für Dekorationszwecke wie
Trockenblumensträuße seit 1986 vollständig verboten. Einzig
in Indien und Pakistan unterliegen der Anbau und die Verarbeitung keinerlei
Beschränkung. Diese und weitere westasiatische Länder sind heute
die Hauptanbaugebiete. Das gewonnene Rohopium wird vor allem zu Heroin
verarbeitet, das illegal in die ganze westliche Welt exportiert wird. ."Opium
unterliegt weltweit den Betäubungsmittelgesetzen und darf nur mit
Spezialrezepten verschrieben werden. Es scheint so, als ob sowohl die Pharma-Lobby
als auch die Mafia an der Schwierigkeit, Opium zu verschreiben, großes
Interesse haben. Denn dadurch können die einen ihre sehr teuren synthetischen
Opiate auf den Markt werfen, die anderen besser das illegale Heroin an
den Mann bringen." (RÄTSCH 1998: Enzyklopädie der psychoaktiven
Pflanzen)
Morphin: schmerzstillend,
beruhigend, hypnotisch, narkotisch, Hustenreiz dämpfend, verstopfend,
Papaverin: entspannt die
glatte Muskulatur, krampflösend (z.B. bei Asthma), steigert den Blutandrang
in den Schwellkörpern des Penis,
Codein: das bekannte Hustenmittel.