15.Okt.2009

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Früchte und Kräuter für das Herz – alles aus der Naturapotheke

Mechtild Feese

Wenn im Herbst die Blätter fallen und die Bäume langsam kahler werden, fallen uns Früchte immer mehr ins Auge, besonders die intensiv gelb leuchtenden Quitten. Sie sitzen direkt am Holz der Zweige und lösen sich erst bei der Reife. In ihrer Form ähneln sie je nach Sorte eher Äpfeln oder Birnen, sind mehr oder weniger gerippt und mit einem öligen Flaum bedeckt. Ihr Fruchtfleisch weist eine unterschiedliche Konsistenz auf: von saftig weich (Sorten des Südens, die roh essbar sind), bis zu sehr hart mit Einlagerungen von Steinzellen wie bei Birnen. Auch die ganzrandigen Blätter sind wollig behaart.

Die weiß rosa Blüten erscheinen nach den Blättern Ende April bis Juni und werden von Bienen, Hummeln und vom Wind bestäubt, oder sie bestäuben sich selbst. Sie stehen einzeln fast ohne Stiel und sind wie bei allen Rosengewächsen in fünf Fächer gegliedert mit 6-15 Samenanlagen. Ihr lateinischer Name lautet Cydonia oblonga und wird allgemein von der griechischen Stadt Kydonion (heute Canea) auf Kreta abgeleitet. Ihre ursprüngliche Heimat ist der Kaukasus. Neben der Quitte haben wir in unseren Gärten noch die leicht bedornte Zierquitte, die so hübsch orangerot blüht und deren Früchte auch essbar sind.

Quitten lieben die Wärme. Man findet sie deshalb oft in Weinbaugebieten. Die Bäume werden ca. 8 m hoch und haben eine graue, leicht korkige Rinde. Heute vermehrt man Quitten durch Pfropfen, wobei meistens Birnen als Pfropfunterlage dienen.

Das Schönste an der Quitte sind die Farbe und vor allem der intensive aromatische Geruch, der die Menschen früher und heute so erfreut, dass die Jünglinge im Mittelalter Quitten bei sich trugen, um den Mädchen angenehm aufzufallen. Quitten galten seit alters her als Heilmittel, als „Apotheke für arme Leute“. Fast alle Pflanzenteile, hauptsächlich aber die Früchte werden verwendet. Die Kraft, die im Duft liegt, sollte giftige Stoffe abwehren. Und so empfahl Hippokrates Quitten gegen Fieber und Durchfall. Dioskorides schätzte ihre Wirkung bei Magenbeschwerden und in Form von Umschlägen bei Augenentzündungen und als adstringierendes Salböl.

Plinius kannte sogar 21 Anwendungen: u.a. Quitten als Wunderheilmittel gegen Glatzen. Hildegard von Bingen riet zu Quitten gegen Gicht und Rheuma. Selbst im China des 16. Jh. waren Quitten als Heilmittel bekannt. Ihr hoher Pektingehalt bindet Bakteriengifte, Gallensäure, Schwermetalle und radioaktive Elemente. Gerb- und andere Stoffe wirken entzündungshemmend, antikarzinogen, krampflösend, antibiotisch und adstringierend. Außerdem enthalten Quitten die Vitamine B und C. Aus den ölhaltigen Samen gewinnt man Schleimstoffe, die in der Kosmetikindustrie Anwendung finden. Und natürlich werden Quitten zu Gelees und Marmeladen verarbeitet und dem von Kennern hoch geschätzten Quittenbrot. Aus dem portugiesischen „marmeleiro“ für Quittenmus entstand unser Wort Marmelade.

Eine weitere Bedeutung kommt der Quitte als Symbolpflanze zu. Wie andere duftende Pflanzen war sie im antiken Griechenland die heilige Frucht der Aphrodite. Sie symbolisierte die Liebe, die Klugheit, das Glück, ein langes Leben. Brautleute sollten Quitten vor der Brautnacht essen. Wegen ihrer vielen Kerne war sie auch das Symbol für die Fruchtbarkeit. Während der Schwangerschaft sollten die Frauen viele Quitten essen, um kluge und schöne Kinder zu bekommen. Plutarch meinte, dass der süße Duft ein Vorgeschmack auf die Freuden der Ehe, der herbe Beigeschmack der Frucht jedoch ein Vorgeschmack auf die Leiden der Ehe sei.

Im viktorianischen England bedeutete die Überreichung einer Schachtel Quittenkonfekt, dass der Überbringer ernsthafte Heiratsabsichten hegte. In der Symbolik wurde die Quitte (melon = runde Frucht) oft durch den Apfel (malum) ersetzt. So dürfte es sich bei dem goldenen Apfel, den Paris der Aphrodite gab, um eine Quitte gehandelt haben. Auch die Äpfel der Hesperiden waren wahrscheinlich Quitten.

Zum Schluss noch zwei Rezeptvorschläge für Quittenbrot:

Frische Quitten (u.U. auch einige Zierquitten), den Flaum abreiben, schälen, zerkleinern, Kernhaus entfernen; mit wenig Wasser/Apfelsaft/Rotwein + Zitronensaft weichkochen; Saft abtropfen lassen. Quitten durch Sieb geben; mit Zauberstab zerkleinern; dann in gleichen oder eins zu zwei Teilen Zucker und Honig ca. 1 Stunde aufkochen (zwischendurch immer umrühren bis man eine „Kochstraße“ über den Topfboden ziehen kann). Backblech mit Backpapier auslegen; Mus 1-1½ cm dick aufstreichen, im Backofen bei geöffneter Klappe (einen Kochlöffel dazwischen klemmen) 3 Stunden bei 50⁰ C dörren; erkalten lassen; in Stücke schneiden und in Zucker/Hagelzucker/Nussstückchen/Kokosraspel wälzen; in Blechdosen mit zwischengelegtem Papier aufbewahren.

Sie können das Quittenbrot aber auch auf die Weise meiner Großmutter herstellen, wie ich es auch mache. Im Prinzip wie oben aber man nimmt sehr wenig Flüssigkeit und man lasst den Zucker weg. Dann heißt es rühren, rühren, rühren – eine schwere aber sehr lohnende Arbeit. Dörren und/oder austrocknen lassen (bei uns standen die mit Papier abgedeckten Bleche wochenlang auf den Schränken). Später die Platten in Rauten schneiden und in Zucker wälzen. So gehört das Quittenbrot auf den Weihnachtsteller und dürfte auch noch ein schönes Mitbringsel für Diabetes geplagte Verwandte und Freunde sein.


 

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zuletzt bearbeitet am 8.VIII.2010