29.Okt.2009

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Kunst und Arbeit. Vor den Genuss haben die Götter den Schweiß gestellt.

Karl Josef Strank

Ein Naturbeobachter geht auch in die Stadt. Und dann fallen ihm jetzt wieder vermehrt die Hinweise auf ‚Federweißer‘ oder ‚Primeur‘; den ersten fertigen – genial beworbenen und vermarkteten - neuen Wein des Jahrgangs aus dem Beaujolais ins Auge und er beginnt über das Thema Wein nachzudenken. Denn Herbst ist Erntezeit. Die Früchte des Jahres werden eingefahren und die Vorratskammern füllen sich für den Winter. Der Herbst ist aber auch die Zeit der Feste, um den Dank für die Gaben der Natur gebührend und manchmal auch mit überschäumender Freude und Ausgelassenheit zum Ausdruck zu bringen. Der Herbst ist also auch die Zeit der Weinfeste, die oft Volksfestcharakter und eine lange Tradition haben und mitunter mehrere Tage dauern. Sie werden nicht nur am Rhein zelebriert, sondern in allen Weinbaugebieten Deutschlands und Europas und erweisen so diesem edelsten aller Getränke die Referenz. Der römische Schriftsteller Plinius sagt über den Wein: „Der Nutzen des Weins kann der Kraft der Götter gleichgesetzt werden!“ und Dante, der Dichter der Göttlichen Komödie, meint dasselbe, wenn er schreibt: „Vom Urbeginn der Schöpfung ist dem Wein eine Kraft beigegeben, um den schattigen Weg der Wahrheit zu erhellen.“

Schon im Zweistromland und im alten Ägypten war der Weinanbau weit verbreitet und von erhebli-cher Bedeutung. In der antiken Mythologie symbolisierten Gilgamesch (Babylonien), Osiris (Ägypten), Dionysos (Griechenland) und Bacchus (im römischen Kulturkreis) für den Wein und den Weingenuss. Wegen seiner berauschenden Wirkung war und ist Wein wichtiger Bestandteil ritueller Praktiken. Im Kult des Dionysos gipfelte dies in den Mysterien, wilden und orgiastischen Feiern ihm zu Ehren. Man nutzte mehrfach im Jahr die Gelegenheit mit reichlich Wein den Wein und den Gott des Weines zu feiern, so im Winter beim Kelterfest und im Frühjahr bei der Verkostung der letztjährigen Weinernte. Die Römer gossen bei Opferhandlungen Wein auf die Erde oder ins Feuer.

Zentrale Bedeutung hat der Wein auch in der christlichen Symbolik. So vergleicht Jesus sich in der Gemeinschaft mit seinen Jüngern und Nachfolgern mit dem Rebstock und den Reben. Das Wirken des Heiligen Geistes wird mit neuem gärendem Wein verglichen. Im Sakrament des Abendmahls steht Wein als zentrales Element für das Blut Christi. Theodor Heuss formulierte salopp: „Wein sau-fen ist Sünde. Wein trinken ist beten, lasset uns beten!“

Doch vor den Genuss, sei es nun aus profanen oder religiösen Motiven, haben die Götter den Schweiß gestellt. Die Herstellung von gutem Wein ist eine Kunst und eine harte Arbeit, was jeder bezeugen kann, der einmal einen oder gar mehrere Tage aktiv eine Weinlese mitgemacht hat. Elke Heidenreich bemerkt hierzu: „Weinlesen macht nicht betrunkener als Büchertrinken belesener macht.“

Die Oenologie, die Lehre vom Wein, ist aber nicht mehr nur eine Frage der speziellen landwirtschaftlichen Praxis, sondern als eigenes Fach an Universitäten zu studieren. Viel Technik hat in die Weinkeller Einzug gehalten, aber immer noch gilt: Was im Weinberg versäumt wird, kann im Keller nicht wettgemacht werden. Erfreulicherweise betreiben immer mehr Winzer die Rebenkultur nach ökologischen Prinzipien.

Der Wein verdient es und dankt mit Qualität. Um Qualität des Weines sorgte sich auch Karl der Gro-ße, als er im Capitulare de villis die Amtmänner ermahnte, streng darauf zu achten: „… dass sich keiner unterstehe, unsere Traubenernte mit den Füßen auszustampfen, sondern dass alles reinlich und ehrbar geschehe.“

Weinpanschereien und andere Skandale waren schon damals an der Tagesordnung und verursachten großen Ärger. Ökologischer Weinbau erkennt und würdigt die Qualität des Weines als Nahrungs- und Lebensmittel. Der griechische Philosoph Plutarch erkannte: „Wein ist unter den Getränken das nützlichste, unter den Arzneien die schmackhafteste, unter den Nahrungsmitteln das angenehmste.“ Das alles lässt sich auch mit einem italienischen Sprichwort knapp und prägnant zusammenfassen: „Il vino fa buon sangue – Wein macht gutes Blut.“

Wie vieles im Leben hat der Wein neben der positiven auch eine negative Seite, die nicht verschwiegen werden sollte. Wein enthält Alkohol und ist damit ein Rausch- und Suchtmittel, mit dem viel Missbrauch getrieben werden kann, vor allem wenn der Genuss verharmlost wird oder gesellschaftlich total anerkannt ist. Daher rät sogar die Bibel zwar ausdrücklich zum regelmäßigen, aber mäßigen Weingenuss.

Im Buch Jesus Sirach steht: „Wie Lebenswasser ist der Wein dem Menschen, wenn er ihn trinkt mit Maß .… Zu viel Wein steigert den Zorn des Toren zu seinem Fall, er schwächt die Kraft und schlägt viele Wunden.“

Genießen wir den Wein in Maßen und lassen wir uns von ihm anregen und inspirieren nach der Devise Konrad Adenauers: „Ein gutes Glas Wein ist geeignet, den Verstand zu wecken.“ Oder der Bemerkung des Abenteurers und Autors der Schatzinsel, Louis R. Stevenson: „Wein ist Poesie in Flaschen.“ Und in den Abenteuern eines Junggesellen bekennt Wilhelm Busch: „Rotwein ist für alte Knaben, eine von den besten Gaben.“ Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Nur eines noch: Auf Ihr Wohl.


 

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zuletzt bearbeitet am 8.VIII.2010