20.Mai 2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Bald in voller Pracht zu bewundern: Die Gärten eines großen Europäers

Ruth Gestrich-Schmitz

Der Karlspreis, der bedeutendste Preis der Stadt Aachen, wird alljährlich an Personen verliehen, die sich um Europa und den europäischen Gedanken verdient gemacht haben. Damit wird an Karl den Großen (Charlemagne), König und späteren Kaiser der Franken und Langobarden, erinnert, der auf Grund seines Lebenswerks oft als „Vater Europas“ zitiert wird. Auch die Route Charlemagne, derzeit in Aller Munde, soll in Aachen den Besucher auf die Spuren Karls des Großen führen.

Die Stadt Aachen und der Freundeskreis Botanischer Garten Aachen erinnern mit einem hübschen Kleinod an den großen Mann: Steht man auf dem Katschhof und schaut auf die Rückseite des Rathauses, liegt dort, an die ehemalige Kaiserpfalz geschmiegt, ein kleiner Karlsgarten, der eine Auswahl an Obst, Gemüse und Kräutern beherbergt, die Karl der Große in seinen Pfalzen anbauen ließ. Viele Besucher bleiben hier stehen und erfreuen sich an den schönen Pflanzen.

An Gut Melaten direkt hinter dem Universitätsklinikum, findet man sogar einen großen Karlsgarten, den der Freundeskreis Botanischer Garten Aachen e.V. vor 10 Jahren angelegt hat. Sämtliche Pflanzen wachsen hier, die im Kapitel 70 des „Capitulare de villis vel curtis imperii“, der Verordnung über die Krongüter und Reichshöfe Karls des Großen, aufgelistet sind. Mit dieser Pflanzenliste war Karl der Große u.a. Initiator für die Kräuterheilkunde in Nordeuropa. Im Mittelalter dienten die Pflanzen, die im Karlsgarten zu sehen sind, einerseits der gesunden Ernährung, andererseits kamen sie einer Apotheke gleich, als Heilmittel mit vielerlei – heute oftmals vergessenen – Wirkungen für das körperliche und geistige Wohlbefinden der Menschen.

Der große Karlsgarten, einzigartig in Deutschland, liegt an einer historisch sehr be-deutsamen Straße, der „Via Regia“, über die die Könige von Maastricht her kommend über den Königshügel und die Königstraße zu ihrer Krönung im Dom zu Aachen zogen. Zeitgenössische Berichte lassen den Schluss zu, dass Karl V. vor seiner Krönung im Oktober 1520 mit seinem ganzen Gefolge im Gebiet von Melaten Halt machte.

Der Vorgängerbau des denkmalgeschützten Gut Melaten (der Name ist abgeleitet von franz. malade = krank), vermutlich vor 1230 errichtet, lag im Mittelalter weit vor den Toren Aachens an der Via Regia und diente Lepra-Kranken als Zufluchtsort. Die Lage an diesem bedeutenden Verkehrsweg sicherte ihnen genügend Almosen für ihr Überleben. Früher war es das Leprosorium, heute befindet sich in direkter Nähe dazu das Universitätsklinikum, das 2008 auch unter Denkmalschutz gestellt wurde.

Wegen der sehr kühlen Witterung der vergangenen Wochen steht der Karlsgarten in Melaten noch nicht in voller Pracht, doch sobald die Sonne hinter den Wolken hervorkommt, sprießt und blüht es. Tritt man zurzeit durch das Haupttor, fallen die sternförmigen, leuchtend weißen Blüten des Bärlauchs ins Auge. Iris und Madonnenlilie stehen kurz vor der Blüte. Bärwurz und Fenchel mit ihren jungen weichen Blättern fühlen sich an wie das mollige Fell eines Teddybären. Mit großen weißen Blüten wartet die Quitte auf, die Apfelblüten der Sorten „Court-Pendu“ und „Zuccalmaglio Renette“ locken die Insekten mit ihren rosafarbenen Blüten. Auch Gartenkerbel, Kümmel, Pferdeeppich und Schlangenknöterich zeigen ihre Blüten. Einen weiteren kleinen Karlsgarten mit einer Auswahl an Pflanzen hat der Freundeskreis Botanischer Garten Aachen zusammen mit 15 Jugendlichen aus Aachen und Herzogenrath beim „Paradies-Projekt“ im Luxemburger Stadtteil Bonnevoie angelegt. Dies fand statt im Rahmen der Veranstaltungen der Stadt Luxemburg und der Großregion zur europäischen Kulturhauptstadt Europas 2007 und fand viel Anerkennung. Das Zusammenkommen mit Jugendlichen aus Lüttich, Namur, Metz und Nancy, die ebenfalls interessante Gartenprojekte verwirklichten, war zudem ein schöner Beitrag zum europäischen Miteinander.

Wer gerne an einer Führung im Karlsgarten in Melaten teilnehmen möchte, ist herz-lich eingeladen, am Samstag, dem 29.Mai sowie am 19.Juni, 10.Juli, 7.August und 4.September jeweils um 16 Uhr Wissenswertes zum Karlsgarten mit seinen ver-schiedenartigen Pflanzen und deren Bedeutung im Mittelalter und in der heutigen Zeit zu erfahren.


 

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zuletzt bearbeitet am 10.IX.2010