3.Juni 2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Küchengärten – praktisch und schön. Warum Liebe durch den Magen geht.

Karl Josef Strank

Gärten sind kleine Paradiese, die in Menschen die Sehnsucht nach Ruhe, Geborgenheit und Glück hervorrufen. Sie erfüllen darüber hinaus viele weitere Funktionen, nicht zuletzt sind Gärten aber vor allen Dingen auch nützlich. Die Nützlichkeit als Küchengarten, Gemüsegarten, Kräutergarten, Obstgarten oder Heilpflanzengarten sorgt für ein solides Grundinteresse und dafür, dass sich zu allen Zeiten Menschen um Gärten gekümmert haben und das wohl auch weiter tun.

Die „Fressbotanik“

Die Umwandlung von Kohlendioxid und Wasser in Zucker (Kohlenhydrate) und Sauerstoff vollzieht sich unter Beteiligung des Sonnenlichtes, welches die Energie liefert, in der Photosynthese, diesem wichtigen Grundprozess des Lebens. Pflanzen bilden somit auf unserem Planeten die Nahrungs-grundlage für alle tierischen Organismen.

Von daher ist die Nutzpflanzenkunde, vulgär als „Fressbotanik“ tituliert, ein Teil der Botanik, der auch für uns von existentieller Wichtigkeit ist. Die wichtigsten Grundnahrungspflanzen weltweit sind Reis, Mais, Hirse, Soja, Gerste, Weizen, Kartoffeln, Zuckerrohr und Zuckerrübe. Diese werden in großen Mengen feldmäßig angebaut. Den Speiseplan abwechslungsreich und vielseitig machen aber erst die vielen Gemüse, Kräuter – oft mit heilkräftiger Wirkung – und exotischen Früchte, die mit großer Aufmerksamkeit und Liebe im eigenen Garten gezogen werden.

Diesen besonderen Pflanzen widmeten sich seit alters her auch Könige und Kaiser, um damit sich selbst und die Gäste zu verwöhnen, in gleicher Weise aber auch zu beeindrucken und somit Macht und Reichtum zu demonstrieren. Legendär sind die Terrassengärten des alten Babylons. Diese „Hängenden Gärten“ der Königin Semiramis waren eines der sieben Weltwunder und galten lange als Inbegriff des paradiesischen Schlaraffenlandes, in dem einem die allerköstlichsten Früchte direkt in den Mund wuchsen.

Sehr viel bodenständiger und pragmatischer ging mit diesem Thema Karl der Große um. In seiner Landgüterverordnung, dem Capitulare de villis, verordnete er insgesamt 73 Kräuter und 16 Obst- und Fruchtgehölze, die auf seinen Königshöfen zu kultivieren waren. Neben den Erträgen aus Land-, Forstwirtschaft, Weinbau, Viehhaltung, Pferde- und Hundezucht, sowie der Imkerei – er regelte fast alles – erwirtschafteten diese landwirtschaftlichen Betriebe die Vorräte für ihn, seine Familie, den Hofstaat und nicht zuletzt das Heer. Dieses von seinen Vorfahren, den Hausmeiern der Frankenkönige, straff organisierte System gab ihm, dem späteren Kaiser, den nötigen politischen Handlungsspielraum, um seine Macht zu entfalten. In der Folge übernahm und kultivierte die ländliche Bevölkerung viele „Kräuter“ Karls des Großen weiter, was sich in der Tradition der Bauerngärten noch heute erkennen lässt.

Im Treibhaus

Sehr viel spielerischer und feingeistiger ging man im Barock mit den vielen Pflanzen um, die insbe-sondere seit der Entdeckung Amerikas, der Neuen Welt, nach Europa strömten. Nun wetteiferten Könige und der hohe Adel um die unbekannten, anfangs seltenen und damit kostbaren Gewächse. Die Orangen und Citrusfrüchte des Mittelmeerraumes hatte man schon zuvor in eigenen frostfreien Häusern, den Orangerien, untergebracht. Nun errichtete man erste beheizte „Treib“häuser aus Glas und übergab die wertvollen Pflanzen der Verantwortung eigens hierfür zuständigen Gärtnern, die sich die hohen Herrschaften nicht selten für viel Geld untereinander abwarben. Welche Wertschätzung für einen Beruf, der heute nur noch wenig gilt. Diese Entwicklung des exklusiven Besitzen-wollens seltener Pflanzen lebte fort in der fanatischen Orchideen-Besessenheit einiger englischer Adliger.

Wahrlich königlich

Der Sonnenkönig, Ludwig XIV. von Frankreich, aß gerne butterweiche, zarte und delikate Birnen mit wohlschmeckendem, süßem Saft. Quartierweise wurden Birnen im Potager du Roi in Versailles gepflanzt. Etliche Züchter wetteiferten um seine Gunst und kredenzten ihm die besten Sorten. Dem alten Fritz, dem großen Preußenkönig, sagte man eine Vorliebe für Kirschen nach, die er gerne zum Nachtisch aß und seinen Gästen servieren ließ. Große Kirschen-Plantagen wurden auf seine Weisung im Garten von Schloss Sanssouci anlegt.

Mit dem Begriff „Küchengarten“ werden verschiedene Nutzgartenbereiche bezeichnet, die allesamt die Aufgabe haben, die Versorgung der Residenzanlage sicher zu stellen. Mittelalterliche Elemente des Küchengartens waren seit Beginn ein Kräutergarten, ein Gemüsegarten und ein Baumgarten. Später kamen Orangerien und Treibhäuser hinzu, die durch technische Raffinessen die Möglichkeit boten, den jährlichen Anbauzyklus zu verändern, was Könige und Fürsten sich leisten konnten und ebenso deren Ansehen steigerte.

Als Denkmäler der Gartenkultur werden Küchengärten wie der am fürstbischöflichen Schloss in Veitshöchheim, am Schloss in Benrath bei Düsseldorf oder in Brühl bei Bonn in den letzten Jahren wieder hergestellt. Ein Besuch dieser Gärten ist unbedingt lohnenswert. Es heißt im Volksmund nicht von ungefähr: „Liebe geht durch den Magen.“ Das gilt in besonderem Maß für die Liebe zu den Küchengärten.


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zuletzt bearbeitet am 10.IX.2010