14.April 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wie die Narzisse zu ihrem Namen gekommen ist

Joachim Schmitz

Jahr für Jahr werden im Frühjahr die Narzissenwiesen in der Eifel gestürmt. An klassischen Stellen wie der Bieley bei Kalterherberg ist ein Gedränge wie sonst nur auf dem Aachener Weihnachtsmarkt und jedes Jahr wird das auch mit Zeitungsartikeln u. a. medial begleitet. Es ist also schwierig, da noch etwas Neues beizusteuern. Deshalb möchte ich an dieser Stelle schildern, wie die Narzisse überhaupt zu ihrem Namen gekommen ist.

Der Name Narcissus geht auf einen sehr alten kretischen Blumenheros zurück, der Narkissos oder Hyakinthos genannt wurde. Hyakinthos soll ein schöner Jüngling adeliger spartanischer Abstammung gewesen sein. Sowohl der Poet Thamyris wie auch der Gott Apollo, der ja sozusagen von Amts wegen für die schönen Künste und sonst alles Schöne zuständig war, haben sich anscheinend in den schönen Knaben verliebt und entsprechend in die Haare bekommen. Bekanntermaßen ziehen Menschen gegenüber Göttern dabei immer den Kürzeren. Thamyris wurde mit Blindheit und Stummheit bestraft. Um die Verwirrung komplett zu machen, fand auch noch der Westwind Gefallen am schönen Knaben (Auch Winde stellten sich die antiken Griechen als gottgleiche Wesen vor; der christliche Heilige Geist ist auch in dieser Tradition zu sehen.) Als Apollo dem Hyakinthos das Diskuswerfen beibringen wollte, ist der Westwind vor Eifersucht ausgerastet und hat den Diskus mitten im Flug umgelenkt, so dass er Hyakinthos am Kopf traf und ihn tötete. Aus dem Blut entsprang dann eine Hyazinthe (bzw. eine Narzisse).

Welche Pflanze die alten Kreter mit diesem Namen meinten, ist nicht rekonstruierbar. Deshalb hat Linné willkürlich eine Gattung aus dem ostmediterranen Raum als Hyacinthus bezeichnet. Es ist eher unwahrscheinlich, dass das wirklich die Pflanze ist, die dem Heros Hyakinthos zugeordnet war. Etwas anders liegt der Fall bei der Narzisse. Zwar ist es auch hier sehr unwahrscheinlich, dass im kretischen Mythos mit Narkissos eine Art gemeint war, die wir heute als Narzisse verstehen, aber um die Zeitenwende hat der römische Dichter Ovid in seinen Metamorphosen die Metamorphose des Narziss beschrieben. Bei Ovid handelt es sich um einen von Artemis mit unerfüllbarer Selbstliebe bestraften Jüngling, der zwanghaft immer wieder zu einem See geht, um im Wasser sein eigenes Spiegelbild anzuhimmeln. Schließlich ersticht er sich und aus dem Blut wächst eine Narzisse. Aus der Beschreibung geht eindeutig hervor, dass Ovid die im Mittelmeerraum verbreitete Dichter-Narzisse meinte. Die hat eine weiße Krone, die als Spiegel bzw. Wasser des Sees gedeutet wurde, und ein orange(rotes) Zentrum hat. Nach verschiedenen Lesarten wird das als Blut des Narziss oder als haut-/fleischfarbenes Ebenbild des Narziss gedeutet. Eine geniale Umsetzung dieser Vorstellung hat der spanische Maler Salvatore Dalí in seinem Gemälde „Die Metamorphose des Narziss“ geschaffen.

Deshalb hat Linné auch die Gattung Narcissus nach der Art mit weißen Blüten und mehr oder weniger orangem Zentrum so genannt und die Typusart zu Ehren von Ovid „Dichter-Narzisse“ (Narcissus poeticus) bezeichnet. Der vordergründig unsinnige Name Narcissus pseudonarcissus für unsere heimische Gelbe Narzisse geht auf ältere Quellen zurück. Sinngemäß müsste man Narcissus pseudonarcissus mit Falscher Narzisse oder Narzisse, die eigentlich keine Narzisse ist; übersetzen. Botanisch ist unsere Narzisse mit der typischen Nebenkrone (der zusätzlichen Röhre innerhalb der eigentlichen Blütenblätter) eine echte Narzisse, wenn man aber an die Narzisse aus der von Ovid überlieferten Legende denkt, ist es eben nicht die richtige Narzisse. So hat z.B. der berühmte Schweizer Botaniker Johann Bauhin (1541-1612) die Gelbe Narzisse mit dem Namen Pseudonarcissus belegt. Auf dieser Grundlage hat Linné den bis heute gültigen Namen Narcissus pseudonarcissus zusammengestellt.

Im Volksmund wird die Gelbe Narzisse auch Osterglocke genannt, weil sie angeblich zuverlässig zu Ostern blüht. Das ist allerdings mit höchster Vorsicht zu genießen. Als typischer Frühblüher ist die Art sehr abhängig vom Klimaverlauf im Frühjahr. Je nachdem, wie der Winter verlief, kann die Blütezeit um mindestens 2 Wochen variieren. Noch größeren Einfluss hat die Höhenstufe. Auf 200m Höhe blühen die Vorkommen im Hohnbachtal bei Kelmis im Schnitt schon Ende März. Auf 600m Höhe habe ich am Rand des Hohen Venns auch an einem 1. Juni noch eine blühende Pflanze gefunden. In den klassischen Narzissenwiesen bei Kalterherberg und Höfen ist die beste Zeit nach einem durchschnittlichen Winter und Vorfrühling Ende April/Anfang Mai. Bei den ungewöhnlich spät liegenden Ostern könnte es also dieses Jahr ausnahmsweise mal wirklich mit der Osterglocke hinkommen.


 

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zuletzt bearbeitet am 18.IV.2011