26.Mai 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Süßdolde an der Belgenbacher Mühle – Ein Tipp für Naturfreunde

Joachim Schmitz

In jüngerer Zeit breiten sich immer mehr fremde Arten bei uns aus. Klimawandel und ständig zunehmender Verkehr machen sich da bemerkbar. Der Umfang der Neueinbürgerungen ist so groß wie nie zuvor. Das heißt aber nicht, dass es sowas nicht auch schon früher gegeben hat. Nicht nur in Klöster- und Hofgärten, auch in vielen Bauerngärten wurden im Mittelalter fremde Pflanzen als Nutz-, Gewürz- oder Heilpflanzen gehalten, von denen manche bei passenden Bedingungen auch über den Gartenzaun hüpften und verwilderten.

Ein Beispiel dafür ist die Süßdolde (Myrrhis odorata). Sie gehört zu den Doldenblütlern, deren Arten nicht nur für Laien oft schwer zu unterscheiden sind. Wie bei vielen anderen Doldengewächsen stehen zahlreiche, kleine weiße Blüten in schirmartigen Blütenständen über großen, stark zerteilten Blättern. Die Art wird allerdings relativ groß (oft über 1m). Besonders typisch ist der anisartige Duft der Pflanze, der an warmen, windstillen Tagen schon so zu riechen ist, aber spätestens beim Zerreiben der Blätter auffällt. Noch intensiver riechen die Früchte, die ca. 2cm lang werden, was die Süßdolde auch von ähnlichen Arten mit viel kleineren Früchten unterscheidet.

Die Süßdolde stammt ursprünglich aus Hochstaudenfluren am Fuß südlicher Gebirge von den Pyrenäen über die Seealpen und den Südalpen bis zum Apennin und den Karpaten. Weil ähnliche Gewürze und Gemüse wie z.B. Echter Anis viel wärmeliebender sind, bot sich in Voralpen- und Mittelgebirgslagen die Kultur der Süßdolde als Alternative an. Die ältesten Erwähnungen in der Literatur stammen aus dem 16. Jahrhundert. Alle Teile der Pflanze wurden zum Aromatisieren benutzt, z.B. im berühmten Chartreuse-Likör, der ursprünglich von französischen Karthäusermönchen hergestellt wurde. In der Volksheilkunde wurde die Süßdolde u.a. zur sogenannten Blutreinigung, als harntreibendes sowie Auswurf förderndes Mittel (z.B. bei Asthma) eingesetzt. Die Blätter wurden auch als Gemüse (ähnlich Kerbel, Petersilie oder Blattsellerie) benutzt. Mit den Früchten hat man sogar Eichenholzböden und -möbel poliert und parfümiert. Darüber hinaus wurde die Art auch in der Tiermedizin verwendet. U.a. soll die Pflanze die Milchleistung von Kühen verbessern und soll deshalb sogar absichtlich in Weiden der Voralpen und Mittelgebirge eingebracht worden sein.

Auch andere an der Belgenbacher Mühle verwilderte Arten deuten darauf hin, dass es dort auch einen kleinen Nutzgarten mit Gemüse, Gewürz- und Heilkräutern gab. Jedenfalls wächst in einem Hang in unmittelbarer Nähe ein großer Bestand der Süßdolde (Nebenstehendes Foto, (c) Joachim Schmitz). Vermutlich hat sich die Art von hier spontan ausgebreitet. Heute ist die Art fest eingebürgert und kommt auf Böschungen und Wiesen in einem Streifen zwischen Simmerath und dem Rursee vor, der von der Belgenbacher Mühle im Westen bis nach Strauch und Steckenborn im Osten reicht.

Die Süßdolde blüht in ihrer Heimat erst im Frühsommer. In der Eifel blüht die Art je nach Wetterverlauf schon ab Mitte Mai. Wer die Früchte z.B. für einen Likör nach eigenem „Geheimrezept“ nutzen will, kann sich Zeit lassen, aber erfahrungsgemäß ist es doch einfacher, die Art blühend zu finden und dann zur „Ernte“ später noch mal wiederzukommen.

Die Belgenbacher Mühle liegt an dem gleichnamigen Zufluss der Rur zwischen Eicherscheid und Imgenbroich. Von allen Seiten gibt es Wanderparkplätze, von denen markierte Rundwege ausgehen. Noch schöner finde ich allerdings eine Start-Ziel-Wanderung von Konzen Kirche oder Imgenbroich Nord über die Belgenbacher Mühle ins Rurtal und dann entweder ruraufwärts nach Monschau oder für Freunde längerer Wanderungen rurabwärts nach Einruhr. Dazu braucht man natürlich den Bus. Fahrplanauskunft gibt es online bei avv.de. Lassen Sie sich nicht von der Eingabemaske verwirren: Für die Haltestellen Konzen Kirche oder Imgenbroich Nord muss man Monschau als Ort angeben, für eine Rückfahrt von Einruhr ist der übergeordnete Ort Simmerath.


 

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zuletzt bearbeitet am 3.VI.2011