21.Juli 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wacholder und Sadebaum. Ein sehr nützliches aber gegensätzliches Paar.

Karl Josef Strank

Bei Wacholder denken die Meisten gleich an ein sehr alkoholreiches Getränk, das meist in Form von „Kurzen“ zum Bier genossen wird und, wenn es gut ist, weil doppelt gebrannt, den Namen Doppelwacholder führt. Botanisch umfasst der Wacholder eine Reihe von Sträuchern, die meist kompakt, mitunter aber auch „Zypressen“ ähnlich wachsen. Sie werden in die Familie der Cupressaceae gestellt.

Zypresse des Nordens

Der Wacholder ist eine „gewöhnliche“ Pflanze der offenen Triften und Heideflächen, wie es sein Namen, Juniperus communis, besagt, er wird aber auch als Heide-Wacholder bezeichnet.

Sein kompakter aufrechter, säulenförmiger Wuchs trug ihm den Namen „Zypresse des Nordens“ ein und machte ihn zu einem markanten Strauch bis kleinem Baum, der in vielen Varietäten ausgelesen wurde, und als immergrüne pflegeleichte Konifere entsprechend häufig Einzug in unsere Gärten gehalten hat. Sein Verwandter, der Sadebaum, Juniperus sabina, wächst als buschiger ein bis drei Meter hoher Strauch und kommt wild nur in den Alpen vor, ist aber in der Nähe menschlicher Siedlungen – insbesondere in alten Bauerngärten, an Klöstern, Kirchen und anderen historischen Gemäuern – häufig anzutreffen.

Der Sadebaum ist in allen Teilen äußerst giftig und wird deshalb als Baum des Todes bezeichnet. Sein ätherisches Öl ruft starke Gebärmutterkrämpfe hervor, weswegen er seit der Antike als Abtreibungsmittel verwendet wird. Dass diese Eingriffe für Frauen, vor allem bei Überdosierung oder oraler Verabreichung statt in Zäpfchenform, nicht immer gut ausgingen, deutet der Volksname „Jungfernrosmarin“ an, denn Rosmarin galt als die Blume der Trauer. Das Öl übt heftige Reizwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt und das Nierenepithel aus. Bereits 6 Tropfen können tödlich wirken. Die Vergiftungserscheinungen beginnen mit Übelkeit und Krämpfen. Herzrhythmusstörungen, Nieren- und Leberschäden folgen, bis schließlich Atemlähmung eintritt. Von der Einnahme bis zum Tod können10 Stunden bis mehrere Tage vergehen.

Todes- und Lebensbaum

Der Römer Cato erklärt den Namen „sabina“ in Anlehnung an den Volksnamen der Sabiner, dem Nachbarstamm der Latiner, deren Frauen durchaus glaubhaft als erste nach dem Raub durch die Römer die Laubblätter des Sadebaums zu Abtreibungen gebraucht haben sollen.

In krassem Gegensatz zu dem äußerst giftigen Sadebaum gilt der Gewöhnliche (Heide-)Wacholder als Baum des Lebens. Man begegnete ihm mit Achtung, ja Ehrfurcht, was sich in alten Bauernsprüchen ausdrückt wie: "Vor Hollerstaud´n (Holunder) / und Kranawitt´n (Wacholder) Ruck i mei Huat / und noag mi bis halbe Mitt´n".

Schon Dioskorides kannte die reinigende, harntreibende, die Nieren anregende Wirkung des Heide-Wacholders und seine die Abwehrkräfte stärkende und keimtötende Wirkung gegen Beschwerden im Bereich der Lunge. Auf diese Eigenschaft baute man, wenn man im Kampf gegen die Pest zur Vorbeugung Räume ausräucherte und in den Städten große Feuer aus Wacholderholz entfachte, in der Hoffnung, dass der reinigende Rauch den Hauch der Pest vertreibe. Da dies die allgemeine Hygiene verbesserte, war man durchaus auf dem richtigen Weg, die Ursachen der Pest zu bekämpfen. Nach einer Sage aus der Oberpfalz soll ein Jüngling die Pest überlebt haben, weil er sein Lager unter einem Wacholderbusch aufgeschlagen hatte und sich von Wacholderbeeren ernährte. Auch sollen die Vögel in der Zeit der Pest von den Dächern gepfiffen haben: "Eßt Kranewitt und Bibernell, dann sterbst nit so schnell."

Als immergrüner Baum stand der Wacholder an der Schwelle zwischen Leben und Tod. Man glaubte, dass die Seelen von Verstorbenen nicht unwiederbringlich für die Welt verloren waren, sondern unter bestimmten Umständen wieder ins Leben zurückkehren könnten. Solange hielten sie sich im Schutz des Wacholderbaumes auf.

Magenkur

Die schwarzen Beeren des Heide-Wacholders werden traditionell als Gewürz verwendet und gehören in die Beize und Sauce zu Wildbret oder ins Sauerkraut. Da die Beeren sehr zuckerhaltig sind, können sie auch vergoren werden. Das nutzt man bei der Likör- und Schnapsherstellung: das ätherische Öl verleiht Gin, Genever, Doornkaat, Steinhäger, Doppelwacholder und anderen hochprozentigen Bränden den typischen Wacholdergeschmack.

Eine den Magen stärkende Wacholderkur empfiehlt Pfarrer Kneipp: Am ersten Tag kaut man fünf Beeren. Jeden folgenden Tag eine mehr, bis die magische Zahl fünfzehn erreicht ist. Dann reduziert man täglich um eine Beere, bis man wieder bei fünfen angelangt ist.

Abschließend ist noch über eine unangenehme Eigenart aller Wacholder-Arten zu berichten, denn sie sind Zwischenwirt für den Birnengitterrost, eine pilzliche Erkrankung unserer Birnen, die darunter erheblich leiden. Im Frühsommer zeigen sich auf deren Blättern orange Flecken, die sich auf den Unterseiten zu Pusteln auswachsen, die aus vielen kleinen Ampullen bestehen, aus denen im Herbst Massen staubfeiner Pilzsporen ausstäuben, die dann über weite Strecken die Äste und Zweige der Wacholder infizieren.

Sie überwintern und wachsen im Frühjahr zu schleimig zottigen, orangen bis braunen etwas unförmigen Pilzmassen aus, von denen die Wintersporen wieder auf die Birnenblätter wechseln. Um diesen teuflischen Wirtswechsel des Rostpilzes zu unterbinden, wurden alle Wacholder-Arten aus den Kleingärten „radikal“ verbannt, ohne, dass die Birnen bisher merklich vom Gitterrost verschont würden. Wer diese Radikallösung nicht vollziehen möchte, sollte zumindest rechtzeitig im Frühjahr die befallenen Äste entfernen.


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zuletzt bearbeitet am 7.VIII.2011