1.Dez.2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Das Bedürfnis nach blühenden Pflanzen im Winter und die Heilige Barbara

Karl Josef Strank

Der Winter wartet normalerweise nicht mit Blüten auf. In der Regel haben sich die krautigen Pflanzen mit ihren Erneuerungsknospen unter die Erde verzogen und die holzigen Pflanzen scheinen erstarrt, viele haben sogar die Blätter abgeworfen und warten, bis der Frühling erneut den Saft ins Geäst und in die Knospen treibt. Nur wenige Pflanzen blühen im Winter wie der duftende Schneeball oder die Zaubernuss-Arten; sie bleiben die große Ausnahme.

Knospenansatz muss stimmen
Groß ist aber dennoch das Bedürfnis bei vielen Menschen, sich auch und gerade im Winter mit blühenden Pflanzen zu umgeben. Der Weihnachtsstern, den wir durch künstliche Beleuchtung ab Oktober dazu bringen, dass er in unseren Breiten pünktlich zu Weihnachten seine prächtigen roten Hochblätter entfaltet, ist so ein Beispiel; in seiner natürlichen Umwelt, den Subtropen und Tropen, blüht er nämlich das ganze Jahr. Orchideen und Kakteen, als Zimmerpflanzen beliebt, gehören auch dazu.

Ganz einfach und ohne großen Aufwand kann man sich dieser Tage aber die Blüten für Weihnachten auch aus dem eigenen oder Nachbars Garten –wenn er damit einverstanden ist - ins Haus holen. Hierzu werden am 4. Dezember, dem Tag der Heiligen Barbara, Zweige mit gutem Knospenansatz geschnitten, ins Haus geholt und in einer Vase mit Wasser an einen warmen Ort gestellt. Das funktioniert zuverlässig und gut, denn wie heißt es in einer alten Bauernregel: „Knospen an St. Barbara, sind zum Christfest Blüten da.“ Für gewöhnlich werden Kirschbaumzweige wegen der schönen Blüten, aber auch Apfelbaum, Birnbaum-, Pflaumenbaum-, Flieder- oder Lindenzweige als Barbarazweige geschnitten. Dieser Brauch hat eine lange Tradition. In Böhmen sollten die Barbarazweige nur mit einem Hemd bekleidet und mit dem Rücken zu ihnen geschnitten werden.

In Niederösterreich hängte man an die Zweige Zettelchen mit Namen und dessen Zweig als erster erblühte, der war im kommenden Jahr mit viel Glück gesegnet. Junge Frauen, die zwischen mehreren Verehrern die (Qual der) Wahl hatten, benutzten mitunter die Barbarazweige in ähnlicher Weise als Orakel zur Entscheidung für den richtigen und künftigen Bräutigam und Ehemann.

Hoffen auf Wende zum Guten
Mit den reichen Blüten zur Weihnacht, der Heiligen Nacht unmittelbar nach der Wintersonnenwende, gaben die Menschen der uralten Hoffnung auf die Wende zum Guten, der Wiederkehr des Lichtes und der Wiedergeburt des Lebens und der erwarteten Fruchtbarkeit für das kommende Jahr Ausdruck. In der Antike ist diese Hoffnung mit der Wiederkehr der Persephone (Proserpina) an das Licht verbunden, der Tochter der Demeter (Ceres) und des Zeus (Jupiter), die Hades (Pluton), der Gott der Unterwelt, raubte und für ein Drittel des Jahres in die Unterwelt entführte. Auch die Kelten vertrauten auf die Wiedergeburt des Lebens im Frühjahr, wenn sie mit den scheinbar toten Zweigen die Verbindung zu ihrer heilbringenden dunklen Wintermutter herstellten.

In der christlichen Tradition werden die Zweige der Hoffnung auf das wiederkehrende Leben der Heiligen Barbara zugeschrieben. Historisch wissen wir über sie nur sehr wenig. Alles, was bekannt ist, entstammt der Heiligenlegende. Sie lebte in Nikomedien, einem östlich vom damaligen Konstantinopel (heute Istanbul) gelegenen Gebiet.

Sie bekannte sich zum Christentum, was aber ihr Vater, ein reicher Kaufmann, der ihr jeden Wunsch erfüllte, als sie dann zudem noch den für sie vom Vater ausgesuchten Bräutigam nicht heiraten wollte, absolut nicht mehr ertragen konnte. Seine abgöttische Liebe schlug in unbändigen Hass um, er ließ seine Tochter verfolgen und bestrafen. Wie die Legende weiter berichtet, öffneten sich der Heiligen Barbara auf ihrer Flucht die Felsen, um sie zu verbergen. Ein Hirte, der das gesehen hatte, verriet sie und lieferte sie dem Vater aus. Als sie von einem Gericht abgeurteilt und enthauptet wurde, erblühte in ihrem Kerker ein Kirschzweig, den sie berührt hatte.

Die Sorge der Bergleute
Weil sich ihr die Felsen öffneten, wurde Barbara im 13. Jahrhundert mit dem Aufblühen des Bergbaus die Schutzheilige der Bergleute, denn deren größte Sorge war und ist, dass das Gebirge sich über ihnen schließt und sie in der Todesfalle sitzen. Das Barbarafest ist heute noch das wichtigste im Jahreskreis der Bergleute.

Barbara – nomen est omen – ist auch die Fremde, die sich nicht den erwarteten Regeln gemäß „normal“ verhält. Erstaunlich wie aktuell die Bezüge der Legende zur Gegenwart sind und eigenartig, wohin das Nachdenken über Blütenzweige zur Weihnacht führen kann.

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zuletzt bearbeitet am 17.XII.2011