15.März 2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Schachtelhalm: nützlich im Biogarten und in der Naturheilkunde

Karl Josef Strank

Auf rohen aber nährstoffreichen Böden, auf Äckern, an Wegränder, auf Dämmen, an feuchten bis nassen Standorten findet sich häufig der Acker-Schachtelhalm, ein eigentümliches Kraut, mit dem man meist nicht viel anzufangen weiß, und das deswegen in der Regel als „Unkraut“ beseitigt wird. Dabei sind die heutigen Schachtelhalme die überlebenden Formen einer erdgeschichtlich sehr alten Pflanzengruppe. Von der weltweit noch etwa 20 Arten umfassenden Gattung sind bei uns zwölf heimisch. Allesamt können zu Recht als lebende Fossilien bezeichnet werden. In den Sumpfwäldern des Karbons vor 400 Millionen Jahren brachten sie es mit der ausgestorbenen Gattung des Riesenschachtelhalms Calamites als Bäume auf bis zu 20 Meter Höhe. Diese längst ausgestorbenen Vertreter unterscheiden sich in ihrer Struktur und Form in nichts von den heute noch lebenden Schachtelhalmen.
Schachtelhalme gehören zu den ungewöhnlichsten Pflanzen. Die hohle, in Etagen gegliederte Sprossachse trägt kleine, kurze und seitlich zu einer Art Tüte miteinander verwachsene Blättchen an jedem Knoten. Die Sprossachse kann leicht aus diesen Tüten herausgezogen und auch wieder hineingesteckt werden, was den Namen der Pflanze als ineinander geschachtelten Halm erklärt. Diese Konstruktion ist statisch sehr stabil. Die hohlen, an den Kanten durch die Leitgefäße verstärkten Stängel haben für Architekten unter bionischen Gesichtspunkten das Modell geliefert für vergleichbar schlanke und hohe, sehr stabile Turmbauten.

Eine wirksame Brühe
An der Spitze des Halms entwickelt sich im Juni ein zapfenförmiger Sporenstand, der rundum dicht mit mehreren Sporenträgern besetzt ist. Die Sporen selbst haben vier sogenannte Elateren, längliche am Ende keulig verdickte Fortsätze, die sich austrecken, wenn der Sporenzapfen reif ist und austrocknet. Die Elateren begünstigen die Verbreitung durch den Wind. Als Sporenpflanzen gehören die Schachtelhalme botanisch-systematisch zu den Farnen.
Schachtelhalm enthält neben Mineralstoffen, Spurenelementen und einer Reihe organischer Säuren vor allem einen hohen Gehalt an Kieselsäure. Junge, frisch ausgetriebene Pflanzen enthalten davon mehr als ältere. Gesammelt werden die oberirdischen Teile der ganzen Pflanze von Mai bis August. Im biologischen Gartenbau wird er als wirksames Vorbeuge- und Bekämpfungsmittel verwendet gegen Pilzkrankheiten aller Art, gegen Spinnmilben und Lauchmotten. Zum Ansetzen einer Brühe benötigt man 200 Gramm des getrockneten Krauts oder 1,5 Kilogramm des frischen Krautes auf zehn Liter Wasser. Die Pflanzen werden mit dieser Brühe in einer Verdünnung von 1:5 bis 1:10 gespritzt. Zur Jauchenherstellung nimmt man ein Kilogramm trockene Schachtelhalmwedel auf 100 Liter Wasser und spritzt diese unverdünnt.
Aber nicht nur im Biogarten, auch in der Naturheilkunde ist Schachtelhalm eine geschätzte Droge. Schon der antike Arzt Dioskorides beschreibt den griechisch als „Hippuris“ bezeichneten Schachtelhalm. Zur medizinischen Anwendung sagt er: „Dieses kraut hat ein zusammenziehende krafft / derohalben sein Safft das Blut / so auß der Nase fleust / gewaltig stopfft / stillet auch mit Wein getruncken / die rote Ruhr / und treibt den Harn.“ Äußerlich als Umschlag oder Vollbad wird Schachtelhalm bei Hautjucken und Ekzemen, rheumatischen Erkrankungen, Gicht, Geschwüren, Schwellungen und Frostbeulen verwendet. Pfarrer Kneipp empfiehlt den Schachtelhalm gegen Blasenleiden, Stein und Gries, dann als Mittel zur Blutreinigung und zum Auswaschen von Wunden. Für Pferde, Esel und Rinder ist er schädlich, weil er Blutharnen und Durchfall verursachen soll. In äußerlicher Anwendung wird ein Absud des Krautes zur Schmerzlinderung, Behandlung von Abszessen und entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt.
Da sich die Silikateinlagerungen in den Epidermiszellen der Blättchen befinden, fand der Schachtelhalm in der Vergangenheit als bewährtes Putz- und Scheuermittelmittel Verwendung. Vor allem das früher noch oft gebrauchte Zinngeschirr wurde nach einer Abreibung mit Schachtelhalm wieder blank, weswegen Schachtelhalm auch als Zinnkraut bezeichnet wird. Wie gut, dass er seine silikatreichen Triebe jedes Jahr aufs Neue frisch und sauber rechtzeitig zum Frühjahrputz aus dem Boden schiebt.

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zuletzt bearbeitet am 15.III.2012