1.Mai 2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Salomonssiegel und Schattenblümchen: Maiglöckchens interessante Verwandte

N.N.

Wer die hübschen Blüten des Maiglöckchens im Wald entdeckt, der ahnt vielleicht nicht, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit eine ganze Reihe von Verwandeten gleich in der Nachbarschaft gibt. Allerdings wurde die Verwandtschaft des Maiglöckchens in letzter Zeit immer wieder gründlich durcheinandergebracht. Nachdem die Gruppe vorübergehend auch einmal zu den Lilien-, dann zu den Mäusedorngewächsen gezählt wurde, ist sie aufgrund von genetischen Untersuchungen derzeit im taxonomischen Stammbaum bei den Spargelgewächsen (Asparagaceae) eingegliedert. Aber werfen wir einen näheren Blick auf die ehemalige Familie der Maiglöckchengewächse, denn sie haben einige interessante Merkmale.

In der Aachener Region kommen neben dem Maiglöckchen auch noch zwei Arten des Salomonssiegels (Polygonatum) und das Schattenblümchen (Maianthemum bifolium) vor. Alle diese Arten bevorzugen lichte Laubwälder mit durchlässigen, frühjahrsfeuchten Böden, vertragen im Sommer durchaus Trockenheit aber keine Staunässe. Alle Maiglöckchengewächse haben meist weiße, stark verwachsene oder röhrenförmige Blüten und tragen im Herbst schwarze oder rote Beeren, deren Samen vor allem durch Vögel verbreitet werden. Wie alle einkeimblättrigen Pflanzen haben sie ebenfalls die typischen, parallelnervigen Blätter.

Das quirlblättrige Salomonssiegel (Polygonatum verticillatum), das in Aachen eine seiner lokalen Verbreitungsgrenzen hat, wird häufig übersehen, denn im Gegensatz zu seinen Verwandten blüht es nur sehr selten und setzt noch seltener Früchte an, eine Eigenschaft, die es mit dem ebenfalls recht unauffälligen Schattenblümchen teilt. Auf den ersten Blick leicht verwechseln lässt sich das vielblütige (P. multiflorum) mit dem duftenden Salomonssiegel (P. odoratum), letzteres kommt allerdings im Aachener Umland nicht vor. Das duftende Salomonssiegel besitzt zur Unterscheidung einen kantigen Stängel und die Blütenröhre ist im Gegensatz zum vielblütigen in der Mitte nicht eingeschnürt. Hybridisierungen kommen vor und werden auch züchterisch ausgenutzt. Ihren Namen haben die Salomonssiegel übrigens von den siegelartigen Abdrücken, die im Herbst abgestorbene Sprosse auf dem fleischigen Rhizom hinterlassen. Dem Siegel Salomons wurde eine mystische Schutzwirkung gegen Dämonen und Teufel nachgesagt.

Die Vermehrung verläuft bei vielen Maiglöckchengewächsen überwiegend vegetativ, ein Umstand, der auch manchen Gärtner zur Verzweiflung treibt, denn einmal ausgesetzte Maiglöckchen lassen sich nur noch schwer im Zaum halten. Es gibt allerdings auch einige Gartenzüchtungen, die einen geringeren Ausbreitungsdrang haben. Vor allem panaschierte Sorten wie ‚Albostriatum‘ eignen sich für den Garten besser und wer mit offenen Augen durch den Wald geht, der findet möglicherweise auch die seltene rosablütige Variante des Maiglöckchens. Im Gegensatz zum Maiglöckchen sind die Salomonssiegel dagegen erst seit Kurzem in gärtnerischer Bearbeitung, wobei reichblühende, gut fruchtende oder auch schwächerwüchsige Varietäten und Hybride gezüchtet wurden. Besonders kurios ist die Sorte Polygonatum multiflorum „Ramosissima“, die im Gegensatz zum Wuchs von allen übrigen Maiglöckchengewächsen stark verzweigt ist, eine seltene Knospenmutation, die mit der Bildung von „Hexenbesen“ bei Fichte und Kiefer vergleichbar ist.

Im Gegensatz zu den Salomonssiegeln enthalten Maiglöckchen herzwirksame Glykoside (Cardenolide), die allerdings beim Verschlucken nur wenig resorbiert werden, das heißt die akute Vergiftungsgefahr ist eher gering. Als Arzneimittel wurde Maiglöckchenkraut getrocknet zur Behandlung von Herzinsuffizienz eingesetzt, heute gibt es jedoch verträglichere Wirkstoffe. In allen Maiglöckchengewächsen finden sich zusätzlich Saponine, die vor allem die (Magen-)Schleimhäute reizen und zu Übelkeit oder Erbrechen führen können. In einigen Ländern dienen Wurzeln von Salomonssiegeln daher auch als Brechmittel. Schwere Vergiftungen durch Maiglöckchengewächse kommen so gut wie nicht vor, trotzdem sollte man vor allem Kinder von den möglicherweise verführerischen Beeren fernhalten.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 2.VII.2014