17.Juli 2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Keine Sorge: Ringelnattern können Menschen nicht gefährlich werden

Karl Josef Strank

Besitzer eines Gartenteichs haben gelegentlich eine Begegnung der mehr oder weniger unheimlichen Art, wenn sie unverhofft ein dünnes langes Lebewesen entdecken, das sich mit schlängelnden Bewegungen durchs Wasser arbeitet. Es ist nicht wirklich beunruhigend, denn es handelt sich um eine Ringelnatter, die auf der Jagd nach Fröschen oder Kröten den Teich inspiziert. Sie ist die in Westeuropa am weitesten verbreitete Wassernatter. Den Namen hat sie von zwei mehr oder weniger getrennten gelben, orangen oder weißlichen Mondflecken am Hinterkopf, die einen Ring vortäuschen. Viele Unterarten haben sich herausgebildet, einige haben keine Mondflecken. In der Grundfarbe sind sie grau oder braun, oberseits mit kleineren oder größeren schwarzen Flecken, die in vier bis sechs Reihen angeordnet sind. Alle Unterarten weisen melanistische Mutanten (Schwärzlinge) auf.

Noch heute sind Ringelnattern stellenweise recht häufig, denn die Menschen hatten seit alters ein gutes Verhältnis zu ihnen. Mancherorts freuten sie sich, wenn eine Ringelnatter sich unter der Schwelle oder irgendwo im Stall ansiedelte, weil sie davon überzeugt waren, dass die „Schlange mit der goldenen Krone auf dem Kopf“ ihnen Glück bringe. Vielerorts stellten sie eine Schale voll Milch bereit, weil die Menschen glaubten, dass das ihr Lieblingsgetränk sei.

Große Ringelnattern von bis zu zwei Metern Länge sind in unserer heutigen Kulturlandschaft nur noch selten anzutreffen. Solche Tiere sind zwar erfahren und schwerer zu erbeuten als jüngere Schlangen, sie sind aber aufgrund des höheren Nahrungsbedarfs auch darauf angewiesen, ein größeres Revier zu durchstreifen und mehrere Teiche aufzusuchen. Weibchen sind zu Wanderungen gezwungen, um günstige Stellen für die Eiablage zu finden. Bei diesen Gelegenheiten fallen sie oft ihren natürlichen Feinden wie Katzen, Igeln und Greifvögeln zum Opfer. Die größten Verluste erleiden Schlangen – wie auch andere bodenlebende Tiere – aber durch den Autoverkehr und Menschen, die ihnen immer noch nachstellen. Das geschieht meist aus Furcht.

Schockstarre

Kein anderes Tier ruft bei Menschen mehr Angst und Ekel hervor als Schlangen. Verhaltensforscher haben vermutet, dass die Furcht vor Schlangen angeboren sei. Experimente mit Menschen- und Affenbabys haben jedoch gezeigt, dass die Veranlagung bei beiden vorhanden ist, die Angst vor Schlangen schleunigst zu lernen. Lernen aus dem Verhalten der Älteren und Erfahrenen müssen sie es aber, die Furcht ist nicht angeboren. Evolutionär macht das Sinn, weil es lebensrettend sein kann. Schlangen sind potenziell giftig und die Angst aktiviert den Körper, um möglichst schnell fliehen zu können. Manche Menschen entwickeln eine Phobie und die wiederum ist kontra-produktiv, weil lähmende Angst die lebenswichtige Fluchtreaktion unterdrückt. Einige glauben noch heute, dass Ringelnattern und andere Schlangen ihre Opfer aufgrund der „geheimnisvollen Kraft“ des starren Schlangenblicks hypnotisieren. Das ist nicht nachweisbar. Wenn Kröten sich aufpumpen und auf ihre Füße stellen und Frösche in Starre fallen, um sich durch einen plötzlichen Sprung aus der Gefahrenzone zu katapultieren, ist das Teil ihrer Verteidigungsstrategien.

Interessant ist ein Blick auf das Verteidigungsverhalten der Ringelnatter selbst, denn die Tatsache, dass viele Jungtiere geboren werden und nur wenige Exemplare ein stattliches Alter erreichen, bedeutet, dass Ringelnattern häufig ihren Feinden zum Opfer fallen. Bei Gefahr züngeln und zischen sie erregt, platten ihren Körper ab, versuchen sich mit Scheinbissen zu wehren und entleeren den wirklich übel riechenden Inhalt ihrer Stinkdrüsen. Oft koten sie auch oder erbrechen die zuletzt aufgenommene Nahrung. In seltenen Fällen beißt sie wirklich zu, was aber für Menschen keinerlei Folgen hat.

Das Verteidigungsrepertoire ist damit nicht erschöpft: Es folgen das Senken der Pupillen zum unteren Lidrand, das Öffnen des Mundes unter krampfartigem Zittern, bewegungslose Starre bis hin zum Totstellen und in seltenen Fällen das Austreten einiger Blutstropfen in die Mundhöhle. Beim Totstellen ist die Ringelnatter dennoch hellwach. In unbeobachteten Augenblicken oder, wenn sie in diesem Zustand ins Wasser geworfen wird, flieht sie blitzschnell.

Begegnungen mit der Ringelnatter im Garten sind nicht ausgeschlossen, denn neben Teichen suchen die Weibchen häufig Kompost- und Faulhaufen auf, um darin ihre Eier abzulegen. Seien sie also vorbereitet, diese Schlangen sind wirklich harmlos.

 

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zuletzt bearbeitet am 4.VIII.2014