6.Nov.2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Bitterstoffe regen den Appetit an und reduzieren ungewünschte „Lüftchen“

Ulrike Zahnow

Beim Verzehr von Chicorée, Pampelmuse oder Wildkräutern wie Löwenzahn und Schafgarbe verziehen viele Menschen das Gesicht. Die Geschmacksempfindung „bitter“ erscheint uns ohne eine längere Gewöhnungszeit oder das entsprechende Gesundheitsbewusstsein als nicht besonders attraktiv. Dabei können Bitterstoffe unser Wohlbefinden auf vielfältige Art und Weise positiv beeinflussen.

In früheren Zeiten waren Gemüse und andere Nahrungsmittel sehr viel reicher an Bitterstoffen. Endiviensalat musste gewässert werden, damit er überhaupt genießbar war, Gewürzgurken wurden vor dem Einmachen über Nacht in Salz eingelegt, und Kürbisse waren wegen ihrer vielen Bitterstoffe gänzlich unverträglich. Heutzutage ist der Genuss bitterer Speisen nicht mehr angesagt. Aus den meisten „modernen“ Gemüsesorten ist der Großteil der Bitterstoffe zugunsten eines angenehmeren, süßeren Geschmacks herausgezüchtet worden.

Natürliche Bitterstoffe kommen in zahlreichen Pflanzen vor, besonders in solchen, die als Heilkräuter Verwendung finden wie z.B. Andorn oder Engelwurz. Wir nehmen sie als Tee oder mit der Nahrung auf oder genießen sie als Kräuterelixier vor oder nach einer reichhaltigen Mahlzeit.

Im Pflanzenreich dienen die Bitterstoffe als Fraßschutz. Häufig sind sie in Wurzeln zu finden, sie kommen auch in Fruchtschalen oder Blättern vor. Der stumpfblättrige Ampfer wird aus diesem Grund von den Kühen gemieden, Schafe fressen die Schafgarbe nur, wenn sie krank sind. Auch bei uns gilt ein bitterer Geschmack als Warnsignal vor unverträglichen Nahrungsbestandteilen.

Bitterstoffe sind keine einheitliche Stoffgruppe. Man fasst unter dieser Bezeichnung alle chemischen Verbindungen zusammen, die einen bitteren Geschmack aufweisen. Diese Stoffe werden bereits in einer enorm niedrigen Dosierung wahrgenommen. Als Maß für ihre Stärke wird der Bitterwert angegeben. Wermut hat einen sehr hohen Bitterwert, der Wert für Löwenzahn ist relativ gering. Durch längeres Kochen oder falsche Lagerung lässt die Wirkung der Bitterstoffpflanzen nach. Die bitterste Substanz, die man heute kennt, ist ein synthetischer Bitterstoff, der zur Vergällung von Ethanol dient, so dass der Alkohol nicht mehr für den Genuss geeignet ist.

In der Naturheilkunde werden Bitterstoffdrogen in drei Hauptgruppen eingeteilt: Bei den reinen Bittermitteln (Amara tonica) wie z.B. Enzian, Artischocke und Löwenzahn steht die allgemein kräftigende, verdauungsfördernde Wirkung im Vordergrund. Bitterstoffpflanzen mit ätherischen Ölen (Amara aromatica) sind verstärkt verdauungsfördernd und keimhemmend; dazu gehören Wermut, Engelwurz und Schafgarbe. Bittermittel mit Scharfstoffen (Amara acria) wie z.B. Ingwer und Gelbwurz haben einen scharfen, feurigen Geschmack und regen Kreislauf und Verdauung an, sie sind keimtötend und blähungswidrig.

Die Wirkungsweise von Bitterstoffen kann man unmittelbar wahrnehmen, wenn man z.B. ein Stückchen Wermutblatt zerkaut: das Wasser läuft im Mund zusammen, nach einer kurzen Zeit spürt man eine angenehme Wärme im Magen, evtl. gehen Blähungen ab und man fühlt sich wacher.

Der bittere Geschmack regt die Sekretion der Verdauungssäfte in Magen, Galle und Bauchspeicheldrüse an. Dadurch wird der Appetit verstärkt und die Magenentleerung beschleunigt, was u.a. die Neigung zu Blähungen reduziert. Dies ist besonders für ältere Menschen hilfreich, bei denen die Produktion von Verdauungssäften oft herabgesetzt ist. Außerdem wird die Aufnahme von Nähr- und Vitalstoffen aus dem Darm gefördert und Abfall- und Giftstoffe werden effektiver aus dem Körper entfernt.

Bitterstoffe helfen als Appetitanreger, Verdauungsstütze und Kräftigungsmittel, bei saurer Stoffwechsellage, depressiver Verstimmung oder chronisch kalten Händen und Füßen. Es wird auch behauptet, dass der Heißhunger auf Süßes durch den Verzehr von Bitterstoffpflanzen gebremst wird. Die Reaktion auf Bitterstoffe ist individuell und hängt von Speichelzusammensetzung, Alter und Gesundheitszustand ab. Kinder besitzen mehr Geschmacksknospen als Erwachsene und reagieren daher viel empfindlicher auf Bitterstoffe. Dagegen werden Biertrinker durch den Hopfengenuss in zunehmendem Maße unempfindlich gegenüber Bitterstoffen. Versuchen Sie doch einmal, die Weihnachtsgans mit Beifuß zu würzen. Die Bitterstoffe werden Ihnen bei der Fettverdauung hilfreich sein!

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 24.XII.2014