7.Jan 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Eisvogel: ein unverwechselbarer Exot

Karl Josef Strank

Dieser Vogel ist der schönste in unseren Himmelsgegenden, und es giebt keinen in Europa, den man an Reinheit, Reichtum und Glanz der Farben mit dem Eisvogel vergleichen könnte: die Farben haben die Schattirungen des Regenbogens, den Glanz des Schmelzes, die Pracht der Seide: Der ganze mittlere Rücken mit dem obern Schwanz hat ein helles und glänzendes Blau, das gegen die Sonnenstrahlen wie ein Saphir spielt und den Glanz des Türkis hat; das Grüne vermischt sich auf den Flügeln mit dem Blau, und die meisten Federn haben eine meergrüne Spitze und Puncte; der Kopf und der Hals sind ebenso punctiert, mit hellern Flecken auf einem himmelblauen Grunde.“

Mit diesen bewundernden Worten beschrieb der französische Naturforscher Georges Louis Leclerc de Buffon Mitte des 18. Jahrhunderts den Eisvogel. Jeder, der einen Eisvogel in der Natur zu Gesicht bekommt, hat diesen Eindruck und denkt bei den leuchtenden Farben sofort an exotische Vögel, die es sonst nur in den Tropen gibt. In der Tat leben die meisten seiner etwa 90 Verwandten in den Tropen der alten Welt.

Besitzer von Gartenteichen haben im Winter schon mal das Glück, einen Eisvogel zu sehen, denn dann inspizieren sie in weitem Umkreis von Bächen alle Gewässer auf der Suche nach kleinen Fischen. Dabei bleibt er nicht unbemerkt, weil er rhythmisch wiederholt tjii, tjii, seinen durchdringenden, hohen und pfeifenden Ruf, ausstößt.

Der Eisvogel ist unverwechselbar. Etwa spatzengroß wirkt er mit seinem auffallend kurzen Schwanz gedrungen, fast pummelig. Neben dem bunt schillernden Gefieder ist der gerade kräftige Schnabel sein Kennzeichen. Die Nahrung findet er ausschließlich in bzw. an Gewässern. Wie ein Pfeil stürzt er sich kopfüber mit seinem dolchartigen Schnabel ins Wasser und erbeutet vor allem kleine Süßwasserfische. Er nimmt aber auch Insekten, kleine Frösche und Kaulquappen, gelegentlich auch Molche, kleine Krebse und Mollusken. Aus Beobachtungen weiß man, dass ungefähr jeder zehnte Tauchversuch erfolgreich ist. Einige Angler und Fischer sehen in ihm keinen Freund. Das ist aber nicht sehr stichhaltig zu begründen, denn er fängt nur kleine Fische, das sind in einem Besatz oft kranke und schlecht entwickelte Exemplare. Sehr häufig erbeutet er Stichlinge, die von Anglern wenig geschätzt werden. Insofern „putzt“ er die Bestände.

Bei einem reichen Angebot an Kleinfischen und geeigneten Sitzwarten brütet der Eisvogel entlang von langsam fließenden oder stehenden Gewässern. Seine Anwesenheit indiziert deren hervorragende Güte und Gesundheit. In stark industrialisierten und dicht bevölkerten Regionen ist er fast nie zu finden. Um seine Nisthöhlen anzulegen, braucht der Eisvogel Steilufer in unmittelbarer Nähe der Gewässer. Bei der Paarbildung übergibt das Männchen dem Weibchen erbeutete Fische. Dieses legt dann frühestens Anfang März sechs bis sieben weiß glänzende Eier, aus denen nach 18 bis 21 Tagen die Jungen schlüpfen. Die werden durch beide Elterntiere gehudert und verlassen nach 23 bis 27 Tagen endgültig das Nest. In der Regel bringt er es auf zwei Jahresbruten.

Strenge Winter setzen dem Eisvogel zu und verursachen große Bestandschwankungen. Mit der Renaturierung von Bächen und dem Anlegen künstlicher Steilufer hilft man ihm aber sehr.

Die Phantasie hat dieses kleine fliegende Juwel schon immer angeregt und so fragte man sich, wie er zu seinem bunten, strahlenden Gefieder gekommen ist. Der Erzählung nach war er nämlich ursprünglich grau. Nach der Sintflut schickte Noah ihn ebenfalls nach der Taube aus, um Ausschau nach festem Land zu halten. Weil aber ein Sturm aufkam, musste er hoch in den Himmel steigen, um nicht von den Wellen verschlungen zu werden. Er kam dem Himmel so nahe, dass das Himmelsblau die Federn seines Rückens und Kopfes stahlblau färbte. Als unter ihm die Sonne aufging, fesselte ihn das so, dass er auf sie zuflog, wobei seine Bauchfedern von der Hitze Feuer fingen. Daraufhin stürzte er sich in die Wasserfluten der Erde, um sich abzukühlen. Noah war inzwischen mit der Arche an Land gegangen und er fand sie nicht mehr auf dem Wasser. Deswegen fliegt er heute noch entlang der Flüsse auf der Suche nach der Arche und ruft mit seinen durchdringenden Schreien nach Noah.

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zuletzt bearbeitet am 31.I.2016