7.April 2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wildkräuter im Weinberg

Joachim Schmitz

Bei Acker denkt man immer an Getreide, Rüben oder Kartoffeln. Ökologisch gehören aber auch Weingärten zu den Äckern. Genauer handelt es sich um Hackfruchtäcker (wie bei Rüben und Kartoffeln), weil dort zumindest früher mehrfach im Jahr der Boden gehackt wurde und dadurch unerwünschte Wildkräuter untergegraben wurden. In diesem Sinne gehörten Weinberge schon immer zu den intensivst bearbeiteten Äckern.

Wissenschaftlich heißt die Begleitflora von Weinbergen Geranio-Allietum vinealis. Der erste Namensteil bezieht sich auf den Rundblättrigen Storchschnabel (Geranium rotundifolium). Den gibt es auch heute noch bis in die nördlichsten Weinbaugebiete an Ahr und Mittelrhein. Die kleinblütige Art ist allerdings so unscheinbar, dass sie von Laien wohl kaum von viel häufigeren, ähnlichen Storchschnabel-Arten unterschieden wird. Der zweite Namensteil bezieht sich auf den Weinbergs-Lauch (Allium vineale). Die Namensgebung ist nicht so glücklich, weil diese Lauch-Art auch an ganz anderen Standorten vorkommen kann. Bezeichnend ist allerdings, dass für dieses Biotop Zwiebelpflanzen typisch sind, die oft auch sehr früh blühen.

Wichtigste Charakterart aus dieser Gruppe ist die Übersehene oder Weinbergs-Träubelhyazinthe (Muscari neglectum). Die Art ist sehr wärmeliebend und ist auch früher im Mittelrheintal nach Norden kaum über Koblenz hinausgekommen. Heute muss man schon bis in die Gegend von Mainz fahren, um diese Art noch anzutreffen. Verwechslungsgefahr besteht mit der Armenischen Träubelhyazinthe (Muscari armeniacum), die massenhaft kultiviert wird. Die Art verwildert leicht, und viele verwilderte Vorkommen sind fälschlich als M. neglectum angesprochen worden. Die Armenische Träubelhyazinthe blüht in einem deutlich helleren Blauton und hat mehr und längere Blätter.


Die echte Weinbergs-Träubelhyazinthe. Das Bild ist allerdings auf’s Jahr genau 40 Jahre alt.

Eine weitere, man muss schon sagen historische Charakterart ist die Wilde Tulpe (Tulipa sylvestris). Die Art wäre ausgestorben, wenn man nicht in Gau-Odernheim bei Mainz eine Fläche in der traditionellen Bewirtschaftung gelassen hätte. Dort kann man bis heute jedes Frühjahr eine Massenblüte der Wilden Tulpe bewundern.

Dazu kommen weitere, ökologisch relativ unspezifische Zwiebelpflanzen wie der Doldige Milchstern (Ornithogalum umbellatum), Acker-Gelbstern (Gagea villosa) oder Kohl-Lauch (Allium oleraceum).

Während die traditionellen Charakterarten stark im Rückgang begriffen sind, verwildern aber manchmal auch neue Zwiebelpflanzen in den Weinbergen. So hat sich um Ingelheim (zwischen Bingen und Mainz) der Garten-Milchstern (Ornithogalum boucheanum) massenhaft breit gemacht.

Wie bei allen landwirtschaftlichen Flächen hat auch im Weinberg die Industrialisierung des Anbaus in den vergangenen Jahrzehnten zu einem starken Rückgang der typischen Begleitflora geführt. Oft findet man nur noch Allerwelts-Stickstoffzeiger wie Vogelmiere, Hirtentäschelkraut usw. Andererseits gibt es immer mehr Weingüter, die auf biologischen Anbau umstellen, darunter auch nicht wenige renommierte Traditionsweingüter.

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zuletzt bearbeitet am 17.VII.2016