7. Sept. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Mit Weißdorn gegen Herzrhythmusstörungen, trockene Felder– und Hexen

Ruth Gestrich-Schmitz

Die wenig eingeschnittenen Blätter sind typisch für den Zweigriffligen Weißdorn (Crataegus laevigata)

Wer eine Wanderung auf der Klosterroute rund um das schöne Eifelstädtchen Monschau unternimmt, genießt Natur pur: das wildromantische Rurtal, imposante Felsen, artenreiche Waldgebiete und weite Weidelandschaften. Bei Kalterherberg prägen Buchen- und Weißdornhecken die Landschaft. Jetzt im Spätsommer trägt der Weißdorn leuchtend rote Früchte.

Die Farbe der Früchte passt eigentlich nicht zum Namen. Für diesen sind wohl die üppige weiße Blütenpracht von Mai bis Juni und die Farbe der Rinde, die im Vergleich zum Schwarzdorn (Schlehe) deutlich heller erscheint, verantwortlich.

Weißdorne (Crataegus spec.) sind sommergrüne, mit Dornen bewehrte Sträucher oder kleine Bäume, die zur Familie der Rosengewächse gehören und in Europa und Nordamerika verbreitet sind. In Deutschland kommen drei Arten natürlich vor, der Eingriffelige Weißdorn (Crataegus monogyna), der Zweigriffelige Weißdorn (C. laevigata, Abb. links) sowie der Großkelchige Weißdorn (C. rhipidophylla). Weißdorne findet man in Gebüschen und an Waldrändern und werden gerne als Heckenpflanzen genutzt. Sie gedeihen am besten auf nährstoffreichen, kalkhaltigen Böden und können bis zu zehn Meter hoch und mehrere hundert Jahre alt werden. Die wechselständigen Blätter des Weißdorns sind oberseits dunkelgrün, unterseits heller bis bläulich-grün, vorne drei- bis siebenlappig geformt. Die in der Regel weißen Blüten stehen in zahlreichen aufrechten Doldenrispen. Im September reifen daraus kleine, rote Apfelfrüchte. Sie schmecken süß- säuerlich, aber auch mehlig. Daher ist der Weißdorn im Volksmund als Mehldorn bekannt. Die Früchte können zu Mus, Saft, Sirup, Likör und Gelee verarbeitet werden. Wegen ihres hohen Pektingehalts eignen sie sich gut zum Mischen mit schlecht gelierenden Früchten wie Holunder. In Notzeiten verwendete man die Kerne als Kaffeeersatz.

In der medizinischen Anwendung durchlief der Weißdorn in den vergangenen zweitausend Jahren eine wechselhafte Geschichte. Laut Plinius sollten die Früchte bei Schlangenbissen helfen, Dioskorides empfahl sie gegen Durchfall. Im Mittelalter wurde Weißdorn innerlich bei Magenkrämpfen und Durchfall, äußerlich bei Geschwüren und als blutstillendes Mittel angewendet. Die Herz- und Kreislauf-stärkende Wirkung des Weißdorns wird in Mitteleuropa erst relativ spät erwähnt, etwa im „Kreuterbuch des Hieronymus Bock“ oder im „Contrafayt Kreuterbuch des Otto Brunfels“ (16.Jh.). 1896 erschien die erste wissenschaftliche Abhandlung über die herzwirksamen Eigenschaften im „New York Medical Journal“. Heute weiß man, dass das Zusammenspiel der in den Blättern, Blüten und Früchten enthaltenen Flavonoide und oligomeren Procyanidine für die Wirkung verantwortlich ist: Weißdorn steigert die Kontraktionskraft des Herzens, wirkt Herzrhythmusstörungen entgegen, schützt die Herzmuskelzellen und erweitert die Herzkranzgefäße.

Doch der Weißdorn schützt nicht nur das Herz, sondern aufgrund seines dichten Wuchses und seiner Dornen auch vor Feinden und wilden Tieren, wenn er als Hecke um das Grundstück gepflanzt wurde. Darauf deutet der Name „Hagedorn“ für Weißdorn hin, abgeleitet vom althochdeutschen Wort „Hag“ für Einhegung, Zaun. Ihm wurden früher magische Kräfte zugeschrieben: Weißdorn galt bei den Kelten als Zuhause der guten Feen. Wer mit einem Weißdorn gestochen wurde, so sollen die Wikinger geglaubt haben, fiel in einen Zauberschlaf. Die Weißdornhecke hatte die Kraft, böse Geister oder Hexen abzuwehren.

Weißdornhecken um Wiesen bilden auch heute noch Schutz für Vieh und andere Tiere wie den Hasen und schützen Felder vor Austrocknung und Erosion. Dank ihres dichten Wuchses und ihrer Dornen bieten Weißdornhecken ausgezeichnete Nistmöglichkeiten für Vögel wie Grünfink, Neuntöter und Mönchsgrasmücke. Rund einhundertfünfzig Insektenarten und über dreißig Vogelarten finden dort Nahrung und Lebensraum. Als Zierpflanze eignet sich der Weißdorn auch für kleine Gärten. Die weiße Blütenpracht im Frühling, die emsige Betriebsamkeit der Bienen und Vögel, das leuchtende Rot der Früchte und die herbstliche Laubfärbung erfreuen das menschliche Auge und ein Frühstück mit Weißdorn-Holunder-Gelee den Gaumen.

 

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zuletzt bearbeitet am 27.X.2017