12. Okt. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Von der Wallwurz und ihrer großen Kraft, so manche Wunde zu heilen

Astrid von Reis

Mit der Ruhephase im Herbst beginnt die Erntezeit der dicken schleimreichen, außen schwarzen und innen weißen, tief in die Erde reichenden Wurzeln der Wallwurz. Wallwurz (von Wallen beziehungsweise Zusammenwachsen von Wunden und Knochenbrüchen) ist einer der vielen Namen der heute unter Beinwell (auch von Wallen) bekannten Pflanze.

Die kräftige, überall borstig behaarte bis etwa ein Meter hoch wachsende Staude ist wie der Borretsch ein Mitglied der Familie der Borretsch – beziehungsweise früher Raublattgewächse (Boraginaceae). Ihre hohlen Stängel sind verästelt und tragen bis zu 25 Zentimeter lange, spitz zulaufende, lanzettlich-eiförmige Blätter. Die Blütezeit ist zwischen Mai und September. Die meist violetten, seltener weißlichen Blüten bilden einen endständigen Blütenstand, eine Doppelwickel.

Reiche Nektarproduktion macht die Blüten bei Insekten äußerst beliebt, auch bei Hummeln. Da ihnen oft der normale Weg zur köstlichen Quelle wegen einer langen, engen Kronröhre verwehrt ist, gehen sie recht trickreich vor. Kurz über dem Blütenboden beißen sie ein Loch in die Röhre und schaffen sich – und damit auch anderen Insekten – Zugang zu dem begehrten Nass.

Der leckere Nektar hat der Pflanze im Raum Monschau auch den Namen Süßkrud eingebracht und in Nordschlesien heißt die Pflanze Nutschenblume, weil die Kinder die Blüten gerne aussaugen (nutschen). Die Samen, Klausenfrüchte, enthalten Elaiosomen (fettreiche Anhängsel), die bei Vögeln und Ameisen beliebt sind – gut für die Verbreitung der Pflanze.

Es gibt in der Gattung Beinwell (Symphytum, griech. symphyo, „ich wachse zusammen“) etwa 40 Arten, die in Europa, Nordafrika und im westlichen und zentralen Asien beheimatet sind. Die Typusart, die auch in unserer Region auf feuchten Lehmböden an Ufern, Gräben, Wegrändern vorkommt, ist Symphytum officinale L., der Arzneibeinwell oder Gewöhnlicher Beinwell.

Schon lange ist die Heilkraft der Pflanze bekannt. Die Griechen Dioskurides und Galenus schreiben „Wurzeln in Wein gesotten gut gegen rohte Ruhr und Bauchfluß“ sowie „die Brust und die Lunge von allerley Eyter und anderen bösen Fruchtigkeiten räume und erledige . . .“ Und an anderer Stelle heißt es: „. . . wird von vielen gerühmet/ daß Sie gut seye denjenigen/ so da gebrochen seyn/ . . . / wenn man sie bey Fleisch lege/ so sollen die Stück wiederum zusammen wachsen“. Im 16. Jahrhundert formuliert der französische Mediziner J. Fernelius: „Hat eine grosse Krafft zusammen zu hefften/ soll fleissig zu allen Wunden innerlich und äußerlich gebrauchet werden/ . . .“

Der Wirkstoff Allantoin

Verantwortlich für die immense Heilwirkung und die allseits gelobten Heilerfolge ist der Wirkstoff Allantoin, welcher in keiner anderen Pflanze in diesen Mengen vorkommt. Dieser Inhaltstoff löst Wundsekrete auf, verflüssigt Eiter und regt zur Granulation (Gewebeneubildung) an. So wurde die Pflanze mancherorts auch Soldatenwuttel genannt, da vor allem die Wurzel aber auch die gestielten Grundblätter als Wundkraut bei Kriegsverletzungen genutzt wurden. Weitere Substanzen sind unter anderem Gerbstoffe, Flavonoide, Schleim und Triterpene, die alle zusammen kühlend, abschwellend, schleimlösend, adstringierend, lindernd, heilend, entzündungshemmend und blutstillend wirken. Leider sind aber auch giftige Pyrrolizidinalkaloide enthalten. Einige dieser Alkaloide gelten als toxisch für die Leber und wirken cancerogen, so dass die Pflanze nicht innerlich angewendet werden soll, auch nicht mehr als Spinat. Ausnahme: In der Homöopathie in der Potenz D6 zur Anregung der Kallusbildung bei Knochenbrüchen zum Beispiel.

Die äußerliche Anwendung, außerhalb von Schwangerschaften und bei intakter Haut, wird allerdigs auch seitens des Bundesgesundheitsamtes befürwortet. So können bei Knochenbrüchen, Zerrungen, Verstauchungen oder Prellungen Umschläge mit Beinwell (Brei aus Blättern, Tinktur oder Auszug aus Wurzeln, Salben) angewendet und damit erstaunliche Heilerfolge erzielt werden.

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zuletzt bearbeitet am 29.X.2017