21. Dez. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Esel, ein uraltes Tragtier und zugleich ein treuer Christus-Begleiter

Christina Paulson

Der Esel gehört zu einer Weihnachtskrippe wie bunte Glaskugeln zum Christbaum. In kaum einer christlichen Darstellung des Stalls zu Bethlehem fehlen der Ochse und das langohrige Grautier als Zeugen der Geburt Christi. Auch in weiteren biblischen Szenen spielt der Esel eine tragende Rolle: bei der Wanderung von Maria und Josef von Nazareth nach Bethlehem, bei der Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten sowie beim Einzug von Jesus nach Jerusalem am Palmsonntag. Zur damaligen Zeit war der Esel im Orient das Reittier der gehobenen Mittelschicht, zu der Jesus als Sohn eines Zimmermanns zählte. Der Legende nach schenkte Gott dem Esel zum Dank für seine Dienste das Zeichen des Kreuzes: das seinen Rücken zierende Schulterkreuz. Der Mensch „dankte“ es den Langohren oft mit Schlägen, Überlastung und schlechtem Futter.

Das Grautier dient dem Menschen seit alters als Last-, Zug- und Reittier vor allem in schwierigem Gelände sowie als Arbeitstier für schwere oder monotone Arbeiten, etwa in Getreide- und Ölmühlen, in Bergwerken, Salinen, auf Milchbauernhöfen sowie beim Torf- und Lehm-Abbau in Moor- und Sumpflandschaften.

Das häufige Vorurteil, der Esel sei störrisch, beruht auf seinem angeborenen Verhalten, in für ihn kritischen Situationen stehen zu bleiben, statt kopflos davonzurennen. Dies ist seiner Herkunft aus den trockenen, unwegsamen oft gebirgigen Steinwüsten Nordafrikas geschuldet: ein solches Verhalten könnte dort seinen Tod bedeuten. Wenn man daher versucht, einen Esel, der Gefahr argwöhnt, zum Weitergehen zu zwingen, bedeutet das Stress für ihn und er verfällt in Starre. Und genau diese Verhaltensweise, in unwägbaren Situationen stehen zu bleiben und die Lage abzuschätzen, sowie seine große Schmerztoleranz, Duld- und Genügsamkeit wurden ihm zum Verhängnis: als ältester Kleintransporter der Welt, den die Menschen wahrscheinlich schon im dritten Jahrtausend vor Christus im Niltal domestizierten, wird er in seinen Herkunftsländern heute häufig über seine Belastbarkeit hinaus strapaziert, misshandelt, allein in kleine, dunkle Ställe gesperrt und vernachlässigt. Es grenzt an ein Wunder, dass diese liebenswerten Tiere trotz aller schlechter Erfahrungen, uns dennoch meist freundlich, zutraulich und neugierig begegnen.

Heute ist der afrikanische Wildesel mit seinen gestreiften Beinen in seiner Heimat nahezu ausgestorben, und auch Haus-Esel sind in ihren Herkunftsländern in den dortigen Kriegs-, Krisen- und Hungergebieten wegen Bejagung und Lebensraumzerstörung vom Aussterben bedroht.

Bei uns ist der Esel als Arbeitstier weitgehend überflüssig geworden, da Maschinen und Kraftfahrzeuge seine früheren Aufgaben übernommen haben. Stattdessen findet der Esel neue Einsatzgebiete: als freundlicher Wanderbegleiter und Gepäckträger, als geduldiges Therapietier sowie als fleißiger Landschaftspfleger.

Esel sind sensible, neugierige, lernbegierige und intelligente Tiere. Das Schimpfwort „Du Esel“ entbehrt jeglicher Grundlage und ist bei Lichte besehen eher als Kompliment zu werten. Das Herden-, Lauf- und ursprüngliche Wüstentier benötigt zur artgerechten Haltung mindestens einen Artgenossen, viel Bewegung, trockenen Boden, mageres Raufutter, einen regen- und windsicheren Unterstand, regelmäßige Hufpflege sowie sauberes Trinkwasser und Salz zur freien Verfügung. Bei guter Haltung kann ein Esel mehr als 30 Jahre alt werden. Ihn als „Rasenmäher“ einzusetzen oder in Streichelzoos mit Körnern zu füttern, macht ihn dick, krank und bringt ihn im schlimmsten Fall um. Leider sind unsere oft fetten Weiden sowie das in Tierparks verkaufte Tütenfutter für die Grautiere viel zu nährstoff- und eiweißreich und das pure Esel-Gift. Das hat der sanftmütige Jesus-Begleiter und unser Jahrtausende alter Weggefährte nicht verdient!

Wer schlecht gehaltenen Eseln in Not mit einer Spende oder Patenschaft helfen will, kann dies bei verschiedenen Tierschutzvereinen (etwa Noteselhilfe, Esel in Not, The Donkey Sanctuary, Welttierschutzgesellschaft) tun. Über die Entwicklungsorganisationen Oxfam und Caritas.at kann man einen Esel für Menschen in einigen afrikanischen Ländern als Lastenträger zu Weihnachten verschenken.

 

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zuletzt bearbeitet am 1.I..2018