15. März 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Kornelkirsche – eine fast unbekannte Frucht unserer Gärten

Karl Josefr Strank

Jetzt im Frühling sind in den Hecken und auch an Wegrändern oder Böschungen entlang der Landstraßen Sträucher zu sehen, deren Zweige mit einer Vielzahl kleiner, leuchtend gelber Blüten übersät sind. Diese erscheinen, bevor sich die Blätter entfalten und sind, weil sie reichlich Pollen und Nektar darbieten, eine erste willkommene Bienennahrung. Da jetzt im zeitigen Frühjahr das Angebot an Pollen und Nektar dank fehlender Konkurrenten nicht sonderlich groß ist, hat die Kornelkirsche damit eine fast exklusive Garantie zur Bestäubung.

Die Kornelkirsche ist ein sommergrüner, sparrig verzweigter Strauch oder kleiner Baum, der bis zu sechs Meter hoch werden kann. Die jungen, schwach vierkantigen Zweige sind grün, auf der Sonnenseite gerötet und bekommen im Alter eine graubraune, schuppig abblätternde Borke. Die Blätter stehen gegenständig und haben einen bis einen Zentimeter langen Stiel. Die Spreite ist eiförmig bis elliptisch und zugespitzt, bis zehn Zentimeter lang und fünf Zentimeter breit, oberseits dunkelgrün, unterseits heller mit deutlichen und leicht eingetieften drei bis fünf Paar bogig aufsteigenden Seitenadern.

Die Blüten stehen sich in kurzgestielten von vier Schuppenblättern eingehüllten Knospen gegenüber, die bereits im Spätsommer angelegt werden. Öffnen sie sich, geben sie die in einer Dolde angeordneten gelbleuchtenden Blüten frei, und die Knospenschuppen fungieren wie ein Schauapparat. Die zwittrigen, vierzähligen Blüten sind mit Kelch, Krone, Staubblättern und einem unterständigen Fruchtknoten komplett ausgestattet. Aus diesen entwickeln sich hängende, glänzend rote, elliptische Steinfrüchte, etwa zwei Zentimeter lang und anderthalb Zentimeter dick. Das Fruchtfleisch ist saftreich und säuerlich-wohlschmeckend. Die zur Vollreife auch roh essbaren Früchte enthalten 14 Prozent Zucker.

In freier Wildbahn ist die Kornelkirsche in lichten Eichen- und Laubmischwäldern, an Waldsäumen und in Gebüschen in sommerwarmen und trockenen Hanglagen zuhause. Verbreitet ist sie südeuropäisch, aber schon sehr früh in Gärten und Parks genommen worden. Ihr botanischer Name ist Cornus mas. Mit diesem Namen bezeichneten bereits Vergil und Plinius die Kornelkirsche, was darauf schließen lässt, dass sie in der Antike eine gewisse Bedeutung hatte. Die Gattung Cornus, Hartriegel, umfasst 45 Arten mit atlantisch nordhemisphärischer Verbreitung. Europäisch sind außer der Kornelkirsche noch C. sanguineus, der rote Hartriegel, und C. suecica, der schwedische Hartriegel, eine Staude.

Hart ist das richtige Stichwort, denn das Holz der Kornelkirsche zeichnet sich durch besondere Härte aus. Man verglich es mit Horn und verarbeitete es zu Wurfspießen für die Jagd oder zu Kriegsspeeren. Polydoros, der jüngste Sohn des Priamos, wurde mit einem Speer aus Kornelholz ermordet.

Die Griechen sollen es auch vor Troja zum Bau des hölzernen Pferdes verwendet haben. Der Seher Teresias wurde von Athene mit Blindheit geschlagen, weil er sie versehentlich beim Badebeobachtet hatte. Seither bediente er sich eines Stockes aus Kornelholz.

Die Hirtenstöcke griechischer Schäfer sind noch heute aus dem zähen und beinharten Kornelkirschenholz gefertigt. Das außerordentlich schwere und feste Holz muss sorgfältig getrocknet werden. Das Kernholz ist rötlichbraun, das Splintholz hellgelb bis rötlichweiß. Wegen der guten Polierbarkeit wird es als Dreckselholz geschätzt. Radspeichen, Werkzeugstiele, Leitersprossen, Schirmstöcke sowie Reitgerten und Angelruten werden daraus gefertigt.

Nicht minderbedeutend sind die Früchte. Homer bezeichnete sie als begehrtes Schweinefutter. Die Zauberin Kirke hat damit die Gefährten des Odysseus, die sie in Schweine verwandelt hatte, gefüttert. Noch heute werden auf den Märkten Südeuropas und der Türkei die Früchte zur Zubereitung von Marmeladen, Gelees und Säften zum Kauf angeboten.

Goethe schätzte die Kornelkirsche sehr und holte sie in seinen Garten. Er ließ 1817 eine doppelreihige Kornelkirschenhecke pflanzen, die immer noch vorhanden ist. Der so entstandene Laubengang wurde zu seinem Lieblingsplatz im Garten.

 

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zuletzt bearbeitet am 28.III.2018