26. April 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Zimmer frei für zahlreiche Organismen – Bäume als Lebensraum

Detlef Sambale

Die warmen Tage sind nicht mehr fern und es zieht uns ins Grüne. Damit das Auto sich nicht so aufheizt während wir wandern oder einen Spaziergang machen, stellen wir es unter einen Baum in den Schatten. Geht es an die Heimfahrt, stellen wir manchmal fest, dass das Auto wie besprüht aussieht. Noch ärgerlicher wird es, wenn auch noch ein Vogel seine Hinterlassenschaft auf dem Lack zurückgelassen hat.

Dass Vögel in Bäumen schlafen, nisten und sich dort ernähren, ist allgemein bekannt. Wesentlich häufiger als die vorgenannte Tiergruppe treten aber die im Verborgenen lebenden Bewohner auf. Sie verstecken sich oder sind durch ihr sonstiges Verhalten und ihre Fressgewohnheiten eher unauffällig.

Auffällig hingegen ist ein kleines Tier, welches in Massen bevorzugt auf Linde und Ahorn lebt und für den klebrigen Belag auf dem Lack verantwortlich ist: die Blattlaus. Diese Insekten sind mit einer Art Saugrüssel ausgestattet, mit dem sie die Pflanzen anstechen, um an die nahrhaften Säfte zu gelangen. Dieser Saft enthält wenig Eiweiß, jedoch viele verschiedene Zuckerarten. Während die Läuse das Eiweiß brauchen, scheiden sie den Zucker größtenteils wieder aus. Die unangenehm klebrige Ausscheidung hat den unangemessen schönen Namen Honigtau.

Bäume und Sträucher stehen nicht abgeschottet in der Landschaft. Sie bieten ihren Bewohnern je nach Umgebung unterschiedliche Bedingungen. Wir können kaum ermessen, wie vielfältig die Lebensräume auf einem einzelnen Baum sein können, selbst wenn wir direkt vor ihm stehen. Die Spanne der lebenden Organismen reicht vom kleinsten Mikroorganismus (Bakterien, Hefepilze, Algen) über unterschiedliche Insekten (Käfer, Schmetterlinge, Wanzen, Zikaden, Pflanzenläuse, Hautflügler wie Bienen, Hummeln und Wespen) sowie Webspinnen, Weberknechte und Milben bis hin zu Vögeln und Säugetieren.

Viele an Trockenheit angepasste Moose siedeln auf Bäumen. Am Stammfuß bilden sich oft dichte Moospolster, die von dem am Stamm herablaufenden Wasser profitieren. Neben den Tieren und Pflanzen wachsen auch Pilze auf Bäumen, die als große Organismengruppe ein eigenes Reich bilden.

Nehmen wir einfach mal den Ahorn als Beispiel: Allein von den Früchten des Bergahorns ernähren sich 20 Vogelarten wie zum Beispiel Kleiber, Meisen, Kernbeißer und Berg-, Buch- und Grünfinken. Vögel, Mäuse und Eichhörnchen ritzen bisweilen die Rinde des Ahorns an, um am zuckerhaltigen Saft zu schlecken.

 

Nur zwei Beispiele für Nutznießer von Bäumen: Flechten und Moose am Schlangenhautahorn und Gallmilben am Zimtahorn.

 

An den Blättern bilden sich gelegentlich Gallen, in denen sich die Eier von Gallmücken, Gallwespen und am häufigsten von Gallmilben entwickeln. Untersuchungen in Bayern ergaben, dass von den fast 1000 an Laubhölzern lebenden Schmetterlingsarten die Gattung Acer mit 59 nachgewiesenen Arten im Mittelfeld liegt. Als wichtigen Brutbaum besiedeln der Ahorn- und der Alpenbock die Rinde und das Totholz.

In den Früchten entwickeln sich die Larven der auf die Familie der Aceraceae spezialisierten Arten des Rüsselkäfers, die sie als Vollinsekt verlassen, um im Boden zu überwintern. Die gut zersetzbare und calciumreiche Laubstreu fördert besonders Regenwürmer, Asseln und Schnecken bei der Humusbildung.

Neben den pilzlichen Erregern von Blatt-, Trieb-, und Rindenkrankheiten, die den Baum kaum ernsthaft schädigen, treten oft nach Vorschädigungen Holzfäuleerreger auf. Dazu zählen die Hallimasch-Arten, der Sparrige Schüppling und der Schüppige Porling, die durch den Holzabbau die Standfestigkeit beinträchtigen.

Als Epiphyten (Aufsitzerpflanzen) wachsen Moose, aber auch Farne und Flechten auf den Bäumen. Das Artenspektrum ist nicht nur vom Feuchtigkeitsangebot abhängig, sondern auch vom Säuregehalt und der Rauigkeit der Rinde. Neben den Wohlfahrtswirkungen wie Sauerstoffproduktion, Luftkühlung, Staubbindung und Lärmminderung bieten Bäume also unzähligen Organismen Lebensräume.

 

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zuletzt bearbeitet am 24.VII.2018