9. Aug. 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der Frauenmantel – ein schönes Kleid für Maria

Astrid von Reis

In ein paar Tagen haben wir den 15. August und vielerorts wird Maria Himmelfahrt, der Festtag Mariens gefeiert. Maria wird als „Blume des Feldes und Lilie der Täler“ (Hohes Lied 2,1) gesehen. Ihr zu Ehren und als Dank für die heilkräftigen Pflanzen, die Gesundheit und Freude schenken, wird in einigen Regionen an diesem Tag die Kräuterweihe gefeiert. Da liegt es nahe, mit einer „Frauenpflanze“ auch an dieser Stelle der Frau der Frauen im Christentum zu gedenken.

Eine Frauenpflanze ist zum Beispiel der Gelbgrüne oder Gewöhnliche Frauenmantel (Alchemilla xanthochlora syn. A. vulgaris L. s. l.) aus der Familie der Rosenblütengewächse (Rosaceae). Das hat zum einen etwas mit dem unverwechselbaren „Manteldesign“ der Blätter zu tun, die dem „wehenden Mantel“ einer Frau ähneln. Schon Freya, die Urgöttin der Völker des Nordens soll der Pflanze „verkündet“ haben: „Die Frauen sollen sich deine Blätter wie einen Mantel um die Schultern legen und sich darin so geborgen fühlen, als wären sie bei mir zu Gast. Sie sollen wissen, dass ich immer für sie da bin, sobald sie an mich denken“.

Auf mittelalterlichen Mariendarstellungen fällt eine große Ähnlichkeit des Gewandes mit den behaarten, fein gezähnten, nierenförmigen, 7-bis11-lappigen und wie ‚gefalteten’ Blättern der Pflanze auf.

Alchemilla xanthochlora ist eine von rund 250 Arten der Gattung Alchemilla, die in der nördlichen gemäßigten Zone sowie in Höhenlagen der Tropen vorkommen. Sie ist eine bis 50 Zentimeter hoch wachsende Staude mit holzigem Wurzelstock. Die zwischen Mai und September erscheinenden, nur wenige Millimeter großen grün- bis blassgelben kleinen vierzähligen Blüten sind relativ unscheinbar, die Kelchblätter sind zu einem Becher verwachsen und es fehlen die Kronblätter. Doch durch die hohe Zahl an Blüten, die in einer rispenähnlichen Thyrse zusammen gefasst sind, hat die Pflanze eindrucksvolle Blütenstände, so dass sie auch gerne als Hingucker im Garten angepflanzt und in Blumensträußen verwendet wird. Die Früchte sind einsamige Nüsschen, die mitsamt ihrer Kelchbecher als Diaspore meist als blinder Passagier im Fell von Tieren verbreitet werden.

Zum anderen gilt die Pflanze durch die Inhaltsstoffe seit Jahrhunderten in der Naturheilmedizin als unentbehrliches Frauenkraut, was sich in weiteren Namen wie „Allerfrauenheil“, „Mutterkraut“, „Frauenhilf“ niederschlug.

Paracelsus und Dioskorides empfahlen die Pflanze unter anderem gegen (Brust-)Geschwüre. Seit dem Mittelalter wird die Pflanze als krampflösendes und schmerzstillendes Mittel gegen Frauenleiden aber auch bei Magen-Darm-Beschwerden, Atemwegsproblemen und Hautkrankheiten eingesetzt. Wirkstoffe sind Gerbstoffe (vorwiegend Ellagitannine), die antibakteriell und auf Haut und Schleimhaut adstringierend wirken sowie Flavonoide, die möglicherweise für die kräftigende Wirkung auf den Uterus verantwortlich sind. Weitere Wirkstoffe sind Phytosterine, Salicylsäure, Glykoside und Saponine. Heute anerkannt ist ihr Einsatz bei unspezifischen Durchfallerkrankungen und Menstruationsschmerzen.

Aus ganz anderem Grund wurde die Pflanze etwa ab dem 2. Jahrhundert bei den Alchemisten sehr geschätzt. Sie galt als Vorbild für die Transmutation von unedlen zu edlen Materialien und sie hofften, ihr das Geheimnis zu entlocken, wie sie aus vermeintlich normalem Wasser so genanntes heilkräftiges Himmelswasser herstellt. Anlass waren die wunderschönen, perlenartigen Tropfen, die bei hoher Luftfeuchtigkeit morgens am Blattrand durch Guttation aus den Hydathoden (Wasserspalten) austreten und dann in der Blattmitte zu einer großen Perle zusammenlaufen. Alchemilla bedeutet etwa „die kleine Alchemistin“ und wurde erstmals 1485 im „Gart der Gesundheit“ für die Pflanze verwendet.

Könnte ich mich bei dem vom Domkapitel Aachen ausgeschriebenen Wettbewerb für „Ein Kleid für Maria“ beteiligen, dann würde ich als Gewand für den festlichen Alltag ein hellgrünes, perlenbesticktes Kleid aus Leinen und Chiffon entwerfen.

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zuletzt bearbeitet am 16.VIII.2018