21. März 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Vogelnester – Vom einfachen Konstrukt bis zum architektonischen Meisterwerk

 Ruth Getrich-Schmitz

Allmählich beginnen die Vögel wieder mit dem Bau von Nestern, um in einem geschützten Bereich Eier zu legen, auszubrüten und ihre Jungen groß zu ziehen. Lebensraum und Lebensweise bestimmen die Art und Bauweise der Nester. So vielfältig die Vogelwelt ist, so vielfältig gestaltet sind die Nistplätze.

Vogelnester sind mal einfach, mal kompliziert gebaut. Ein Taubennest etwa besteht aus lose zusammengepackten Ästchen. Gemütlich ist es bestimmt nicht, erfüllt aber seinen Zweck. Oft sind es architektonische Meisterwerke, die mit Hilfe von Schnabel, Zehen und Krallen konstruiert werden. Kolibris bauen die kleinsten Nester: Der rund zehn Zentimeter lange nordamerikanische Annakolibri formt ein Nest aus weichen Pflanzenfasern, die er mit Spinnenseide verklebt. Viele heimische Singvögel wie Amseln oder Rotkehlchen bauen sich ein kunstvoll aus Pflanzenmaterial gewebtes napfförmiges Nest. Den Specht hört man schon von Weitem, wenn er sich im Baumstamm eine Höhle für seinen Nachwuchs zimmert. Im darauffolgenden Jahr ziehen in die verlassenen Spechthöhlen gerne Kleiber, Stare, Feldsperlinge oder der Wiedehopf ein, wobei die Behausung dann noch mit Moos, Federn oder Gräsern ausgepolstert wird. Manche Vögel nutzen als Baumaterial Lehm, den sie zusammen mit Pflanzenfasern zu beinahe geschlossenen Nestern zusammenfügen, wie Mauersegler und auch Kleiber, oder die Mehlschwalbe, deren Brutstätte an Gebäuden unter Dach- oder Fassadenvorsprüngen zu finden ist. Südamerikanische Töpfervögel wie der Rosttöpfer bauen aus Lehm, Grashalmen und Wurzeln ein fast kugelförmiges Nest, mit Vorraum und Schleuse zum Brutraum, um Eindringlinge fernzuhalten. Beim Buschhuhn, einem australischen truthahnähnlichen Großfußhuhn, scharrt das Männchen einen bis zu vier Meter breiten und bis zu einem Meter hohen Hügel aus Laub und Ästchen zusammen. Mit der Zeit entsteht durch Verrottung im Inneren des Hügels Wärme, die dazu genutzt wird, die dort tief hinein gelegten Eier auszubrüten. Das Männchen kontrolliert mit seinem Schnabel immer wieder den Wärmegrad und sorgt durch Hinzu- oder Wegscharren von Laub für die optimale Bruttemperatur. Ein kleines Meisterwerk ist das Nest der Beutelmeise: An herabhängenden Weiden- oder Erlenästen an Gewässern oder in Sumpfgebieten kann man schon mal solch ein flauschiges, beutelartiges Nest aus feinen Pflanzenfasern und Samenhaaren von Pappeln, Weiden oder Rohrkolben entdecken. Afrikanische Webervögel bauen kugel- oder flaschenförmige Nester mit Einflugöffnung an der Seite oder unten. Besonders imposant sind die Gemeinschaftsnester der Siedelweber, bis zu drei Meter hoch und bis zu viereinhalb Meter breit, mit vielen schräg nach unten angeordneten Eingängen.

Einfach konstruiert: Ein Taubennest besteht aus lose zusammengepackten Ästen.

Im Gegensatz zu aufwändig angelegten Nestern bestehen Nester von Bodenbrütern wie Fasanen oder Kiebitzen nur aus flach ausgescharrten Vertiefungen. Die Küstenseeschwalbe legt ihre Eier einfach in eine von flachen Steinen umgebene Mulde im Sand. Um ihre Küken vor Kälte zu schützen, polstern Eiderenten die Mulde noch mit ihren Daunen aus. Zum Schutz der Eier vor Entdeckung ist die Tarnfärbung der Schale besonders wichtig. Uhus, Turm- oder Wanderfalken nutzen in der Natur gerne Felsspalten oder Höhlen zum Ablegen der Eier, wo sie gut vor Wetter und Feinden geschützt sind. Manche Vögel bauen sich Erdhöhlen zum Nisten, wie Eisvogel, Bienenfresser oder Uferschwalbe an Steilufern von Gewässern. Die größten Nester, sogenannte Horste, werden von Greifvögeln in luftigen Höhen gebaut.

Woher wissen Vögel eigentlich, wie ein Nest gebaut wird? Zum einen ist diese Fähigkeit angeboren, zum anderen lernen die Vögel aus ihren Erfahrungen und der Beobachtung von Artgenossen. Ein interessantes Beispiel für Lernfähigkeit zeigten Krähen in Tokio: Weil sie dort nicht besonders beliebt sind, wurden ihre Nester von der Feuerwehr mit Wasser aus den Bäumen gespritzt. Woraufhin schlaue Krähen Drahtkleiderbügel von Balkonen stibitzten und ihre Nester damit stabilisierten, so dass die Wasserspritzen ihnen nichts mehr anhaben konnten.

 

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zuletzt bearbeitet am 15.IV.2024