4. April 2024

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Langhornmotte Adela reaumurella

 Joachim Schmitz

Mit einigem Glück kann man jetzt an sonnigen Waldrändern ein besonderes Schauspiel beobachten. Dutzende kleine Insekten umschwirren wie tänzelnd einen Strauch oder Zweige eines Baums. Dabei fallen die kleinen Tiere kaum auf, wohl aber ihre riesigen Fühler. Das ist überhaupt das Erste, was man wahrnimmt.

Es handelt sich um Männchen der Langhornmotte Adela reaumurella auf ihrem Balztanz. Der Körper ist vielleicht gerade mal 7mm lang, die Fühler sind aber um ein Vielfaches länger. Eigentlich ist das ganze Tier schwarz gefärbt. Besonders Fühler und Vorderflügel glänzen im Licht stark auf, so dass sie dann weiß bis bronzefarben aussehen.

Die Weibchen fliegen einzeln so einen Schwarm an, wo es dann in der Luft zur Kopulation kommt. Die Eier werden am Waldboden abgelegt. Die Raupen leben in der Streuschicht von lebenden und toten Pflanzenteilen. Zur Tarnung umgeben sie sich mit einem „Sack“ aus Blattresten u.ä.

Langhornmotten (Adelidae) sind eine sehr ursprüngliche Familie der Schmetterlinge. Die erwachsenen Tiere haben zwar schon saugende Mundwerkzeuge, stehen aber sonst den nächstverwandten Köcherfliegen noch sehr nahe.

Die langen Fühler sind extrem dünn. Man beachte den Schattenwurf auf dem Blatt beim oberen Tier.

Volkstümlich werden unter Motten fälschlich alle nachtaktiven Schmetterlinge zusammengefasst. Marlene Dietrich sang: „Männer umschwirren mich wie Motten das Licht.“ Wirklich vom Licht in der Nacht angezogen werden Vertreter ganz unterschiedlicher Familien wie Bären, Eulen, Schwärmer, Spinner, Spanner und noch mehr. Schon die Langhornmotten zeigen, dass dieses Vorurteil vorne und hinten nicht passt, die sind nämlich durchweg tagaktiv.

Wissenschaftlich wurden Schmetterlinge bisher in drei Gruppen geteilt: Kleinschmetterlinge, Nacht- und Tagfalter. Unter Kleinschmetterlingen fasste man alles zusammen, was eben klein ist und keine nennenswerte Flügelmusterung aufweist. Dazu gehörten neben den Langhornmotten vor allem die bekannten Kulturschädlinge Echte Motten, zu denen z.B. die Kleidermotte gehört, aber auch zahlreiche weitere kleine Familien, die auf Deutsch oft irgendwas mit -motte heißen. Um nur mal ein paar Beispiele zu nennen: Gespinst-, Minier- Sackträger- und Federmotten. Schließlich wurden hierzu auch wichtige Pflanzenschädlinge wie Zünsler und Wickler gezählt.

Aktuelle molekulargenetische Befunde haben erwiesen, dass diese klassische Einteilung hinfällig ist. So haben sich die bisher zu den Nachtfaltern gezählten Spanner als näher verwandt mit den Tagfaltern erwiesen. Die im Gegensatz zu den eher braunen Tönen bei Eulen, Schwärmern usw. oft bunt gemusterten Flügel von Spannern deuten darauf hin, dass das wohl kein Zufall ist, sondern tatsächlich auf eine Verwandtschaft mit den Tagfaltern deutet. Dass es auch tagaktive Spanner gibt, unterstreicht, dass die Zuordnung zu den Nachtfaltern willkürlich war.

Heute werden deshalb alle Schmetterlingsfamilien gleichrangig behandelt, höchstens noch zu Überfamilien zusammengefasst.

Aus praktischen Gründen wird die Abtrennung der Kleinschmetterlinge von den „großen“ Tag- und Nachtfaltern oft noch beibehalten. Kleinschmetterlinge sind bis auf wenige Ausnahmen wie die Langhornmotten schwer zu bestimmen und zu erfassen. Bezeichnenderweise gibt es auch kaum volkstümliche sondern nur wissenschaftliche Namen. Deshalb sparen sie populärwissenschaftliche Naturführer über Schmetterlinge oft aus. Aber selbst die Profis tun sich schwer. Adela reaumurella ist in ganz Europa verbreitet; dennoch ist über Details kaum etwas bekannt. Langhornmotten tauchen in der Roten Liste von NRW gar nicht auf. So ist eine mögliche Gefährdung bei uns nicht beurteilbar. Das Foto entstand 1995 in Düsseldorf-Benrath. Seither habe ich die Art nicht mehr gesehen. Der Nationalpark Eifel ist intensivst von Spezialisten abgesucht worden. Hier konnte Adela reaumurella in jüngerer Zeit nachgewiesen werden.

 

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zuletzt bearbeitet am 28.IV.2024