BIOZAC - BIOlogisches Zentrum AAChen
Das "Capitulare de villis"
Kapitularien sind, wie der Name sagt, in Kapitel gegliederte Erlasse
und Verordnungen von gesetzgeberischem, administrativem oder religiösem
Charakter der fränkischen Könige. Die Kapitularien werden eingeteilt
nach 1. eigenen, programmatisch wichtigen Inhalten, 2. Ergänzungen
und Modifizierungen überlieferter Stammesrechte und 3. Dienstanweisungen
für Königsboten inhaltlicher und formaler Natur. Spätere
Kaiser beriefen sich bis ins hohe Mittelalter auf Kapitularien insbesondere
Karls des Großen. Die Kapitularien zählen zu den wichtigsten
Quellen des frühen Mittelalters. Aus ihnen lassen sich Kenntnisse
gewinnen über die politischen, rechtlichen, administrativen, kirchlichen,
sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Verhältnisse sowie Einblicke
in Alltag, Bildungswesen und Mentalität dieser Zeit.
Die bekannteste und in ihrer Nachwirkung bedeutendste dieser mittelalterlichen
Verordnungen ist das Capitulare de villis vel curtis imperialibus (CV),
das in einer Abschrift erhalten geblieben ist zusammen mit Briefen Papst
Leos III. an Karl den Großen und sich heute in der Herzog-August-Bibliothek
in Wolfenbüttel befindet.
Karl der Große reiste als fränkischer König wie seine
Vorfahren ständig mit großem Tross von Pfalz zu Pfalz. Nahezu
jeden Sommer führte er einen Krieg. Nur damit und durch die Präsenz
an möglichst vielen Orten in seinem Reich konnte er seinen Herrschaftsanspruch
realisieren. Er hat so im Laufe seines Lebens (zu Pferd) eine Wegstrecke
zurückgelegt, die ungefähr einer dreifachen Umrundung der Erde
entspricht. Er benötigte hierzu flächendeckend ein Netz gut organisierter
Stützpunkte. Das waren die Pfalzen, Klöster und Hofgüter.
Das CV regelt Verwaltung und Bewirtschaftung der Hofgüter und
sichert das königliche Einkommen. Hauptbeweggrund ist, jederzeit zuverlässig
mit Lieferungen aus den königlichen Domänen für den Unterhalt
des Hofes oder das Heer rechnen zu können. Der König sorgt sich
dennoch in gleicher Weise um die Güter wie um das Wohlergehen seiner
Untertanen und ist bemüht, wie etliche Bestimmungen des CV zeigen,
ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Für die Land-, Forstwirtschaft,
den Weinbau, die Pferde-, Hundezucht, Viehhaltung, Vorratswirtschaft, Ausstattung
der Hofgüter mit Gerätschaften und zur Förderung der handwerklichen
Berufe sind dezidierte Vorschriften gemacht.
Die Sprache der Kapitularien ist Latein, was nicht nur die römische
Tradition der Klöster und der Kirche insgesamt widerspiegelt, sondern
auch die Übernahme römischen Gedankenguts in das Bildungs- und
Verwaltungssystem des mittelalterlichen Kaisertums.
zurück