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Wozu brauchten die Menschen damals - vor fast 1200 Jahren - Kräuter?
Wozu brauchen wir sie heute?

Wir erfahren, wozu die Menschen damals die Kräuter gebrauchten und wofür wir sie heute noch verwenden.
Kräuter aus dem "neuen Karlsgarten" in Aachen-Melaten
[Empfehlung: Grundschul-Klassen 3 und 4]
Die Nummern beziehen sich auf die Nummern der Beete im Karslgarten.
 

Sachinformationen
 
Karl der Große verfügte im "Capitulare de Villis et curtis Imperialibus" aus dem Jahre 802, einer Sammlung von Vorschriften für die Krongüter und Reichshöfe, dass auf jedem Krongut und Reichshof ein Garten mit Kräutern und Pflanzen angelegt werden sollte. In dieser Verordnung war genau festgelegt, welche Kräuter und Pflanzen angebaut werden mussten. Es handelte sich ausschließlich um Nutzpflanzen für Mensch und Tier, die nähren, würzen, heilen, haltbar machen oder auch Ungeziefer vertreiben.

Diese Pflanzen, die oft auch paralell zur Ernte der Gartenpflanzen "wild" gesammelt wurden, sind entweder einheimisch (Bärlauch [58b], Schwertlilie [1a], Bärwurz [22b], Lattich [24a], Brunnenkresse [27], Apfel [90], Kirsche [89], Haselnuss [82]) oder sie stammen aus dem Mittelmeerraum (Muskatellersalbei [72], Rosmarin [13], Pomeranze [74], Meerzwiebel[16]), nur um einige zu nennen. Die aus ferneren Ländern stammenden Pflanzen sind als Samen, Stecklinge, Reiser nach Nord- und Mitteleuropa gebracht worden.

Zahlreiche Pflanzen haben mehrere Funktionen: Sie würzen und heilen wie Minze [41-43] und Kümmel [14] oder sie nähren und heilen wie Zwiebeln [62,63] oder würzen und machen haltbar wie Dill [35]. Wir finden als Nahrungsmittel im Karlsgarten: Bohnen [11,67], Erbsen [68], Kohl [57], Zwiebeln [62,63], Mangold [48], Möhren [52], Pastinaken [53], Kürbisse [10], Rettiche [61], sowie Äpfel [90], Birnen [75], Nüsse [82,88], Kirschen [89]; als Würzmittel Estragon [18b], Kümmel [14], Rosmarin [13], Anis [19], Kresse [27], Schnittlauch [59], Koriander [69], Bohnenkraut [40], Petersilie [31], Dill [35].

Heilende Wirkung wurde vielen Kräutern zugeschrieben, wie man schon aus den alten Heilkräuterschriften von Dioskorides (1.Jh. n.Chr.) und Hildegard von Bingen (1098-1179 n.Chr.) entnehmen kann. So gab es Kräuter zum Stillen des Blutes, gegen Erkältungen, Husten und Schnupfen, zum Schweiß- und Harntreiben, zum Schleim lösen, gegen Magen- und Darmbeschwerden, gegen Blähungen, Schmerzen und Krämpfe, gegen Hautekzeme und Geschwüre, gegen Verrenkungen, Knochenbrüche und natürlich auch gegen Frauenleiden bis hin zur Abtreibung. Darüber hinaus gab es Kräuter gegen Insektenstiche und Schlangenbisse, Kräuter, die Flöhe, Läuse, Wanzen und anderes Ungeziefer – auch Mäuse – vertrieben.

Die Heilkundigen von damals mussten die Dosierungen genau kennen, sind einige Pflanzen doch äußerst giftig, wie z.B. Sadebaum [34], die weiße Zaunrübe [20b] und Meerzwiebel [16]. Sie wussten auch genau, welche Teile der Pflanze (Samen, Wurzel, Knolle, Knospe, Blüte, Früchte, Blätter, Rinde) in welcher Form zur Anwendung kamen: getrocknet oder frisch, als gepresster Saft, Tinktur, als Tee mit kaltem, warmem, heißem Wasser, mit Honig oder als Sud gekocht, zerrieben in Salbe oder Brei, mit Öl vermischt, und oder als Blätter auf das schmerzende Körperteil aufgelegt in Form eines Umschlags.

Neben der praktischen Bedeutung im alltäglichen Leben besaßen viele Pflanzen auch Symbolcharakter, der sich aus alten heidnischen Vorstellun-gen und Überlieferungen wie auch aus orientalischen und christlichen Traditionen entwickelt hatte. Die Rose [2] galt als fernöstlich-orientalisch-christliches Symbol der Verschwiegenheit, der Reinheit, der höchsten Liebe, die Lilie [1b] als christliches Symbol der Reinheit und Keuschheit. Anderen Pflanzen wurden auch wundersame Zauberkräfte nachgesagt, die in Liebestränken und Hexenmitteln eine große Rolle spielten, z.B. Anis [19] und die weiße Zaunrübe [20b]. Die Eberraute [7], eine Beifussart, sollte gegen Behexung, üble Geister und Feuersbrünste helfen und, als Wurzel an das Haus genagelt, sogar den Teufel in die Flucht schlagen.

Verwunderlich ist, dass für uns heute sehr wichtige Würz- und Heilkräuter im Karlsgarten nicht vorhanden sind. Wir finden keine Zitronenmelisse, Boretsch, Lavendel, Johanniskraut, Beinwell oder Brennnessel, die man erwartet hätte. Das mag daher kommen, dass diese Kräuter zur Zeit Karls des Großen in Mitteleuropa in ihrer Bedeutung nicht erkannt oder wahrscheinlicher den Menschen sehr geläufig und bekannt waren.
 
 

Unterrichtsverlauf

In der folgenden Unterrichtseinheit sollen die Schüler einige der wichtigsten Kräuter des Karlsgartens "in natura" kennen lernen und auf Geruch und Geschmack überprüfen. Ihnen sollen auch theoretisches Wissen und im weitesten Sinne ein Gefühl für Pflanzen, ihre Wichtigkeit damals und heute, für die Natur in ihrer Kontinuität vermittelt werden.

Als Beispiele bieten wir Petersilie [31], Schnittlauch [59], Dill [35] als Würzkräuter, Minze [41-43], Fenchel [36], Kümmel [14] und Anis [19] als Würz- und Heilkräuter an, weil sie den Schülern oft schon bekannt sind und man sie leicht auch in Fertigprodukten besorgen kann. So sollen dann auch neben den realen Pflanzen, die die Schüler/innen nach dem Geruch und Geschmack im Garten selber suchen können, Unterrichtsmittel wie Quark mit diversen Kräutern auf Brot, Kräuterkäse, Kümmelbrot oder Kümmelkäse, Anisbonbons und -plätzchen, Fenchelbonbons und -honig, Tees, Öl (Minze) etc. eingesetzt werden. Daneben sollen auch Darstellungen der Pflanzen, Schaubilder und diverse Arbeitsblätter – diese wiederum differenziert – angeboten werden, sodass sich der Name als Schriftbild in seiner korrekten Form einprägt.

Der Umfang des Themas, bzw. der Schwerpunkt, die Dauer, der eigentliche Unterrichtsverlauf, Lernkontrolle, Fortführung zu einem späteren Zeitpunkt u.a. müssten nach den Gegebenheiten und Bedürfnissen der Lerngruppe entschieden und geplant werden, am besten nach vorheriger Absprache.

Denkbar wären auch eine kleine Ausstellung zu den Kräutern im Rahmen eines Projektes, eine thematische Ausweitung auf Gemüsepflanzen im Karlsgarten oder auf allgemeine Würz- und Heilpflanzen, die die Schüler aus ihrem häuslichen Umfeld zum Thema beisteuern.
 
 

 
 

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zuletzt bearbeitet am 22. VI. 2001