10.Sept.2009
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Im Karlsgarten: So war die Versorgung der Kaiserpfalzen gesichert
Ruth Gestrich-Schmitz
Kaiser Karls Kräutergarten, am Rathaus gelegen, ist vielen bekannt. Nicht ganz so bekannt, dafür umso größer und landschaftlich schön gelegen ist der Karlsgarten an Gut Melaten hinter dem Klinikum. Jederzeit einen Besuch wert zeigt er seinen Besuchern die Pflanzen, die im Kapitel 70 des „Capitulare de villis vel curtis imperii“, der Verordnung über die Krongüter und Reichshöfe Karls des Großen, aufgelistet sind. An historisch bedeutsamer Stelle, nämlich an der Straße, durch die die deutschen Könige mit ihrem Gefolge zu ihrer Krönung im Aachener Dom zogen, direkt neben der ehemaligen Leprastation Melaten gelegen, wurde 1200 Jahre nach der Kaiserkrönung Karls des Großen, im Internationalen Karlsjahr 2000, vom Freundeskreis Botanischer Garten e.V. der Karlsgarten eröffnet.
Von Mai bis September treffen sich dort einmal im Monat zahlreiche Interessierte zur Führung durch den Garten, um allerlei Wissenswertes über Kaiser Karl, die Lebensweise im Mittelalter und die Bedeutung der Pflanzen zu erfahren.
Der Karlsgarten ist kein bloßer Kräutergarten, vielmehr findet man hier neben vielen Heil- und Gewürzpflanzen auch Gemüse und Obstgehölze, so dass die Versorgung des Kaisers und seines Gefolges in seinen Pfalzen jederzeit gesichert war. Auch Pflanzen, mit deren Wirkstoffen man sich in Rauschzustände versetzen konnte, oder solche, mit denen Stoffe gefärbt und bearbeitet wurden, sowie Kräuter gegen unliebsame Insekten und Nager sind hier zu finden. Und natürlich Aphrodisiaka, die die Liebeslust steigern sollten, wovon heute noch altbekannte Redeweisen Zeugnis ablegen: „Freu dich Fritzchen, morgen gibt’s Selleriesalat“.
Zu jeder Jahreszeit zeigt sich der Garten in einem anderen Gesicht: Im Frühjahr die blühenden Obstbäume, der Bärlauch mit seinem würzigen Duft, im Sommer die leckeren Maulbeeren, die Madonnenlilie mit ihren trompetenförmigen weißen Blüten, der betörend duftende Muskatellersalbei. Im Herbst sind es die riesigen Flaschenkürbisse, sofern sie nicht vorher den Schnecken zum Opfer fallen, die Früchte, die der Garten hervorbringt. Sogar im Winter gibt es noch manches zu sehen wie die flauschig wirkenden Fruchtstände der mächtigen Kardone vor der Kulisse des Klinikums.
Bänke in der Mitte des Gartens laden zum Verweilen ein. Manch einer, ob Mitarbeiter der nahegelegenen RWTH-Institute oder des Klinikums, Student oder Spaziergänger, genießt hier seine Pause.
Besonders beliebt ist Kaiser Karls Garten bei Kindern. Gerne werden die speziellen Angebote für Kindergärten und Schulen angenommen, die Pflanzen des Gartens kennen zu lernen. „Das riecht ja, wie wenn meine Oma Suppe kocht“, so lautet schon mal die spontane Reaktion beim Riechen und Schmecken von Liebstöckel, auch bekannt als Maggikraut. Den meisten Kindern ist der Duft aber zu intensiv. Dass Jünglinge in früherer Zeit gerne Liebstöckel bei sich trugen, um die Aufmerksamkeit der Mädchen auf sich zu ziehen, und Mädchen beim Baden eine Liebstöckelwurzel ins Wasser gegeben wurde, um späteres Eheglück zu garantieren, macht das Kraut noch interessanter.
Damit der Karlsgarten jederzeit seine vielfältige Pflanzenpracht darbieten kann, sind fleißige Hände aktiv, die in ehrenamtlicher Arbeit jäten, säen, pflanzen, die Hecken und Obstbäume in Form schneiden. Mit dem Frühjahrsputz im Karlsgarten beginnen die Pflegearbeiten, die jeden zweiten Samstag fortgesetzt werden bis mit dem Kehraus im Herbst der Garten allmählich winterfest gemacht wird.
Zur Zeit der Sommersonnenwende feiert der Freundeskreis Botanischer Garten hier sein Sommerfest mit kulinarischen Leckerbissen aus Kräutern und Früchten und einem bunten Programm für Jung und Alt.
Der Karlsgarten an Gut Melaten ist zu erreichen über den Schneebergweg hinter dem Klinikum und jederzeit für Besucher geöffnet.
Wer Lust hat, mehr über den Karlsgarten mit seinen verschiedenartigen Pflanzen und deren Bedeutung im Mittelalter und in der heutigen Zeit zu erfahren, findet alles Wissenswerte im Buch „Obst, Gemüse und Kräuter Karls des Großen“, das der Freundeskreis Botanischer Garten e.V. in Zusammenarbeit mit dem Labor für Archäobotanik des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln beim Philipp von Zabern Verlag herausgegeben hat.
zuletzt bearbeitet am 8.VIII.2010