10.Dez.2009
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Der Abschied von der Geschäftigkeit des Sommers - Überlebensstrategie
Karl Josef Strank
Der Winter ist die Zeit der Ruhe für Menschen, Tiere und Pflanzen. Die oft quirlige Geschäftigkeit des Sommers geht in langsamere Bewegungen über. Einige Lebewesen haben diese Langsamkeit nicht nur entdeckt, sondern sogar zu einer sehr effektiven Überlebensstrategie gemacht, den Winterschlaf. Sind die Vorräte gesammelt und gut versteckt wie beim Eichhörnchen oder den Sommer und Herbst über als Winterspeck auf die Rippen gefressen wie bei Murmeltieren oder Bären, wird die winterliche Jahreszeit verdöst bis verschlafen. Einige Tiere haben dabei erstaunliche Fähigkeiten entwickelt, die Lebensprozesse auf ein Minimum zu reduzieren.
Auch Gärten gehen in den Winterschlaf bzw. werden jetzt, nachdem die letzten Früchte geerntet sind, abgeräumt und „winterfest“ gemacht. Perfekt ist die Winteridylle, wenn dicker Schnee die Landschaft überzieht, die Böden vor eisigem Frost schützt und einige Tiere auf und unter dieser wärmenden Decke weiter ihren Verrichtungen nachgehen lässt. Dieser klare, kalte und trockene Winter weicht in unseren Breiten aber eher dem Bild von trüben, kalten, nassen und matschigen Tagen, die wenig Winterfreude aufkommen lassen. Die abgeräumten und nackten Böden werden, wie es üblich war und auch vielfach heute noch üblich ist, vor dem Winter grob mit dem Spaten umgeworfen. Friert es, entwickelt sich die sogenannte Frostgare, die den Boden angeblich krümeliger macht und dafür sorgen soll, dass Schädlinge und sonstiges Ungeziefer absterben. Aber die Nachteile überwiegen die Vorteile bei weitem, denn die ohne schützende Bedeckung offen liegenden Gartenböden, sind der Witterung ausgesetzt, verschlämmen bei Regen und verdichten.
Diese negativen Effekte gleicht die Frostgare, wenn sie denn an meist wenigen Frosttagen eintritt, nicht aus und mit den Schädlingen, die im Winter an solchen klirrend kalten Tagen erfrieren, sterben ebenso viele, wenn nicht mehr, Nützlinge, die für den nächsten Frühling und Sommer ungleich wertvoller sind.
In den Tropen unter gleichbleibenden warmen und feuchten Bedingungen laufen die Stoffwechselprozesse aller Lebewesen ständig auf Hochtouren. Pflanzliche und tierische Produkte wie Abfälle befinden sich in einem schnellen Kreislauf. Nährstoffe sind Mangelware, alles wird sofort in Biomasse umgesetzt, was das Bild der weltweit üppigsten Vegetation erzeugt. Anders bei uns.
Der Winter, die Zeit der erzwungenen Vegetationsruhe, sorgt dafür, dass Vorräte angelegt werden, die dann in der wärmeren Jahreszeit mobilisiert und verbraucht werden können. Dass im Winter die Stoffwechselvorgänge langsamer ablaufen, bedeutet nicht, dass sie zum Erliegen kommen. Die abbauenden Bodenorganismen arbeiten langsamer mit der Folge, dass sich Nährstoffe und Humus im Boden anreichern. Humus, die Summe unterschiedlich weit abgebauter organischer Reste, färbt dabei den Boden hell- bis dunkelbraun, mitunter schwarz. Die besten Ackerböden Deutschlands in der Magdeburger Börde werden bekanntlich als Schwarzerden bezeichnet. Das Geheimnis der fruchtbaren Böden der gemäßigten Zonen ist die winterliche Vegetationsruhe.
Idealtypisch laufen alle diese Prozesse in von Laubwäldern bestandenen Böden ab. Die kräftigen Wurzeln der Bäume sprengen und lockern das Gestein, setzen von untern Mineralien frei und die Laubstreu, Astwerk und alle anderen Reste werden als Auflage von oben in Form von Humus in die Erde eingearbeitet. Laufen diese Prozesse über lange Zeiträume ungestört ab, ist fruchtbare Braun-erde das Resultat. Ökologische Gärtnerinnen und Gärtner können im eigenen Garten diesen natürlichen Bodenbildungsprozess unterstützen und fördern, indem sie den Garten unter einer schützenden Bedeckung aus Laubstreu, Stroh und anderen Pflanzenresten der Winterruhe überlassen. Alle Bodenlebewesen arbeiten zwar langsamer, bleiben aber aktiv. Insbesondere bei Laub kann man beobachten, wie durch Rindenläuse, Springschwänze, Asseln, Saftkugler und eine Vielzahl von Mikroorganismen die Verrottung fortschreitet und mitunter ganze Blätter fein gerollt von den Würmern in die Erde gezogen werden.
Bessere und fleißigere Helfer zur Herstellung eines lockeren, schwarzhumosen, fruchtbaren Gartenbodens können sich keine Gärtnerin und kein Gärtner wünschen und mit Gewissheit werden sie die auch nirgendwo anders als im gut gepflegten Boden des eigenen Gartens finden.
zuletzt bearbeitet am 8.VIII.2010