11.März 2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Wenn Rammler hartnäckig eine Häsin verfolgen – dann ist Frühling

Karl Josef Strank

An den trockenen und sonnigen Tagen des März spannte früher der Bauer die Rösslein ein und begab sich zur Frühjahrsbestellung auf die Felder. Er pflügte den Boden, er eggte und säte und rührte die Hände früh morgens und spät. Die Macht des Winters war gebrochen und der „Hornung“, der Frostmonat Februar, war vorüber. Zu dieser Zeit waren und sind auch heute noch Feldhasen bei einem kleinen Schauspiel zu beobachten, wenn sie über die Äcker hintereinander herjagen. Für gewöhnlich einer oder mehrere Rammler verfolgen hartnäckig in weiten Kreisen eine Häsin, rempeln diese an und springen über sie hinweg. Gelegentlich geraten zwei Männchen aneinander, richten sich voreinander auf und trommeln mit den Vorderläufen wie Boxer aufeinander ein - oft bis dass das wollige Fell in Fetzen fliegt. Auf diese durchaus handgreifliche Weise äußern sich die Frühlingsgefühle bei den Tieren, die zum vertrauten Bild unserer Felder gehören und gleichsam zum Wahrzeichen unserer Kulturlandschaft geworden sind.

Dabei sind sie im strengen Sinne bei uns gar nicht heimisch, denn sie sind zugewandert. Feldhasen stammen aus den Steppengebieten des Ostens. Ursprünglich war hier der Schneehase heimisch und weit verbreitet, der heute die Bergwiesen und den oberen Bergwald bewohnt und in diese Gebiete von den Feldhasen, die das Tiefland behaupten, abgedrängt wurde. Der kräftige, aber schlanke Körper und die langen Hinterbeine weisen den Hasen als ausdauernden Läufer mit der Fähigkeit zu großen Sprüngen aus. Berühmt ist er für seine Haken, die er aus vollem Lauf schlägt, weil er seine Hinterbeine blitzschnell drehen kann und diese ihn dann fast katapultartig zur Seite schleudern. Das lässt seine Verfolger fast verzweifeln und schnell den Mut zur weiteren Verfolgung verlieren. Fuchs und Hund sind kaum in der Lage einen gesunden Hasen zu erbeuten. Die seitlich am Kopf liegenden Augen ermöglichen eine fast geschlossene Rundumsicht, was- ähnlich wie bei den Pferden - in der weiten Steppe Feinden eine unbemerkte Annäherung nahezu unmöglich macht. Die langen Ohren nehmen unter sehr genauer Ortung der Quelle den Schall sehr fein auf. Hasen hören sehr gut. Leiseste, ungewohnte Geräusche nehmen sie wahr und reagieren darauf, indem sie sich „drücken“, d.h. sie erstarren förmlich und werden, unterstützt durch die Tarnfarbe ihres Felles, zu unbeweglichen Erdklumpen, die urplötzlich und unerwartet explodieren können, insbesondere dann, wenn die Fluchtdistanz unterschritten wird, und schon manchen nichts ahnenden Spaziergänger zu Tode erschreckt haben. Oft bleiben sie aber auf diese Weise auch unentdeckt und sparen durch dieses Verhalten wertvolle Energie.

Hasen ernähren sich von Gräsern und Kräutern, aus denen sie so viel Energie ziehen, dass sie ihren Körper auch in strengen Wintern warmhalten können und die Ausdauer im Laufen und enorme Spurtschnelligkeit zustande kommen. Mit Hilfe spezieller Darmbakterien, die im Blinddarm lokalisiert sind, erzeugen Hasen im Verdauungssystem aus dürftiger Gräser- und Kräuternahrung hochwertige Eiweiße und Fettsäuren. Die Bakterienkulturen werden als Pillen ausgeschieden, die vor allem junge aber auch ältere Hasen dann mit der Nahrung wieder aufnehmen. So impfen sie bereits den Nahrungsbrei im Magen gleich wieder mit Bakterien an.

Wo es mehr zu beißen gibt …

Dennoch ist die Nahrung in den heimatlichen Steppen der Hasen so karg, dass sie nur geringe Be-standsdichten entwickeln. Wegen des aufgrund Düngung und Wintersaat besseren Nahrungsangebotes auf unseren Feldern erreichen die Hasen hier eine 10- bis 20-fach höhere Dichte. Es ist also mehr als verständlich, dass sie dahin aus- bzw. eingewandert sind, wo es mehr zu beißen gibt. Die intensive Wirtschaftsweise auf der modernen „Agrarsteppe“ unserer Tage macht diesen Vorteil aber fast wieder zunichte, denn durch das großflächige und vergleichsweise schnelle Abernten riesiger Monokulturfelder tritt ein „Ernteschock“ ein, der den Hasen fast über Nacht die Nahrung entzieht. Deshalb wandern sie immer häufiger von den Feldern in die Wiesen und Gärten.

Sprichwörtlich ist die Fruchtbarkeit der Hasen. Denkt man darüber nach, erscheinen die niedlichen Bunny-Häschen der Playboy-Phantasien in einem neuen Licht. Hasen vermehren sich schnell. Zwei- bis dreimal im Jahr bringt die Häsin drei bis fünf Junge zur Welt. Als „Märzhasen“ wird der erste Wurf des Jahres bezeichnet. Allerdings überlebt bei nasskaltem Frühjahrswetter kaum einer dieser Märzhäschen, wenn der April wechselndes Schauerwetter und wenig Sonne bringt. Überhaupt gleichen Hasen die relativ hohen Verluste, die ihnen widrige Witterung, Beutegreifer und Krankheiten zufügen, durch unermüdliche Fruchtbarkeit aus. Insofern avancierte der Hase zum Symboltier für Ostern, das alte mythische Frühlings- bzw. Fruchtbarkeitsfest und christliche Licht- und Auferstehungsfest. Insofern bleibt eine Frage zum Schluss: Wie kommen die Osterhasen an die vielen Eier? Haben sie diese den Hühnern abgeschwatzt, abgehandelt oder einfach nur geklaut?


 

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 4.IX.2010