12.Aug.2010

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Kräuterweihe an Mariä Himmelfahrt– ein alter Brauch in Aachen neu aufgelegt

Astrid von Reis

In drei Tagen ist der 15. August. Eigentlich ein Tag wie jeder andere. In diesem Jahr fällt er zwar auf einen Sonntag, dies hat er allerdings mit rund 52 weiteren Tagen im Jahr gemein. Und doch, er ist ein besonderer Tag. An ihm ist das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel (Mariä Himmelfahrt). Und dieses Fest ist tief verwurzelt mit einem schönen alten Brauch, der Kräutersegnung. An diesem Tag werden Kräuter zum Gottesdienst gebracht und gesegnet.

An anderen (Marien-)Festen wurden auch Kräuter geweiht, doch schon seit langer Zeit ist die Seg-nung von Kräutern nur noch mit diesem Großen Frauentag verbunden, auch Maria Würzweih oder Büschelfrauentag genannt.

Vermutlich hat die Kräuterweihe ihren Ursprung im heidnischen Schutzkräutersammeln. Später wurde der Brauch christianisiert und mit der Jungfrau Maria in Verbindung gebracht. Seit dem 9. Jahrhundert gibt es kirchliche Segensformeln für die Kräuterweihe am 15. August.

Es gibt viele fromme Legenden und Geschichten über die Gottesmutter Maria, die verstehen lassen, warum an einem Tag ihr zu Ehren Kräuter gesegnet werden. Fast immer wird sie mit Blumen und Pflanzen in Zusammenhang gebracht. So schrieb Johannes von Damaskus (bis ca. 750 n. Chr.) folgende Marienlegende nieder: “Die Mutter Gottes war im Alter von 72 Jahren gestorben. Die Jünger hatten sie begraben; nur einer fehlte: Thomas. Sein Weg aus Indien war so weit, dass er zu ihrem Begräbnis zu spät kam. Aber er wollte sie noch einmal sehen. Die Jünger öffneten daher das Grab; aber der Sarg barg den Leib Mariens nicht mehr. Nur ein lieblicher Wohlgeruch von Blumen verbreitete sich, und als die Jünger die Blumen zählten, waren es 72, so viele, wie der Herr Jünger ausgesandt hatte.“

Maria, „die Blume des Feldes“

Nach der ‚Legenda aurea’ (aus dem 13. Jahrhundert) breitete sich ein unbeschreiblicher Duft aus, als Christus drei Tage nach dem Tod seiner Mutter an ihrem Grab erschien um sie in den Himmel zu geleiten. Einer weiteren Legende ist zu entnehmen, dass nach Öffnung des Grabes nur Rosen gefunden wurden. „Maria wird in der Epistel zu diesem Tag mit der Zeder, Zypresse, Palme, Rosenstaude, dem Ölbaum und dem Ahorn verglichen; sie dufte wie Zimt, Balsam und Myrrhe.“

Maria wird traditionell als „Blume des Feldes und Lilie der Täler“ (Hohes Lied 2,1) verehrt. Überliefe-rungen aus dem frühen Mittelalter weisen sie als Behüterin der Ernte aus, sie wurde als „guter und heiliger Acker“ benannt. Der 15. August liegt im Hochsommer, das Getreide wird reif, viele Pflanzen stehen in voller Blüte, andere tragen schon Früchte, die geerntet werden können. Sicherlich auch ein Grund, warum gerade an diesem Marienfest die Kräuter gesegnet werden.

An Marias Festtag wird in Erinnerung gebracht: „Die Heilkraft der Kräuter soll durch die Fürbitte der Kirche dem ganzen Menschen zum Heil dienen. Dieses Heil ist an Maria besonders deutlich gewor-den. Deshalb bezieht die Liturgie die Aussagen der Schrift über die göttliche Weisheit auf Maria und bringt diese Pflanzen herbei um Maria zu ehren.“

Die ältesten bekannten Segensformeln gingen von magischen Vorstellungen, von Unheil abwehrenden Wirkungen aus. So sollten die Krautbuschen Blitzschlag und Feuer abhalten, vor Krankheit bei Mensch und Vieh schützen, den Besitzstand erhalten, eine gute Ernte einbringen und vor Schäden durch z.B. Mäusefraß bewahren, Fruchtbarkeit und Gedeihen erhöhen und vieles mehr.

Heute gültige Gebetstexte unterstreichen das göttliche Wirken in der Natur. „… An Marias Fest danken wir dir für alle Wunder deiner Schöpfung. Durch die Heilkräuter und Blumen schenkst du uns Gesundheit und Freude …“

Noch bis in die 50iger Jahre wurde die Kräuterweihe in vielen katholischen Gemeinden gefeiert. Vielleicht weil die Heilkräuter im 20. Jahrhundert an Bedeutung verloren hatten oder andere Werte in den Vordergrund rückten, geriet der Brauch in Vergessenheit. Erst seit jüngster Zeit wird die Kräutersegnung an Mariä Himmelfahrt durch Heimatvereinigungen und kirchliche Kreise mancherorts wieder ins Leben gerufen.

Im kleinen Karlsgarten

Dankbarkeit für das große Artenspektrum mit der vielfältigen Schönheit, Heilkraft und Nahrung, Wertschätzung alten Wissens sowie die Bewahrung der Schöpfung, Erhaltung und Pflege sind die Beweggründe, die auch im Freundeskreis Botanischer Garten die Idee aufkommen ließen, diesen uralten Brauch wieder in der Aachener Innenstadt zu feiern. Dieser Gedanke wurde von den Pfarrern der Gemeinde St. Foillan begeistert aufgenommen, so dass die Bedeutung der Pflanzen seit 2002 zunächst im kleinen Karlsgarten am Rathaus und nach einer kurzen Prozession über den Katschhof in der Kirche zelebriert wird.

Es gab einige typische Kräuter, doch je nach Region, geographischen, klimatischen und kulturellen Gegebenheiten waren die Sträuße sehr unterschiedlich zusammen gesetzt. Ihre Anzahl hingegen war nicht egal, hier spielten heilige Zahlen und deren Vielfaches eine wichtige Rolle: mindestens drei (Dreifaltigkeit), sieben (Sakramente) oder zwölf (Apostel) bis zu 99 Kräutern mussten bzw. konnten im Strauß enthalten sein.

In den Kräutersträußchen, die der Freundeskreis Botanischer Garten für die Kräuterweihe bindet, sind meistens sieben Heilkräuter, bis auf zwei Pflanzen alle aus dem Karlsgarten: Rainfarn (Chrysan-themum vulgare), Eberraute (Artemisia abrotanum), Ringelblume (Calendula officinalis), Beifuß (Artemisia vulgaris), Schafgarbe (Achillea millefolium), Salbei (Salvia officinalis) und eine Minze (Mentha spec.).

Am kommenden Sonntag um 18.45 Uhr ist es wieder so weit. Kommen Sie doch zum kleinen Karls-garten – gerne mit ihrem eigenen Strauß – wir, Pfarrer Franz Josef Radler und der Freundeskreis Botanischer Garten, würden uns sehr freuen.


 

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zuletzt bearbeitet am 18.X.2010