19.Mai 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Optisch attraktives Ungeziefer: Lilienhähnchen und Minzenblattkäfer

Angela Ertz

Mit Ungeziefer bzw. Gartenschädlingen würde man spontan Tiere mit eher abstoßendem Äußeren assoziieren, aber bestimmt nicht diese attraktiven Käfer: Mit blaugrün-metallischen Deckflügeln glänzt der Minzenblattkäfer und das Lilienhähnchen präsentiert sich in leuchtendem Lackrot. So sind diese beiden Käfer zwar selten das eigentliche Thema, aber besonders für Kinder oft eine Hauptattraktion während einer Führung durch den Karlsgarten.

Minzekäfer und Lilienhähnchen gehören beide zur Familie der Blattkäfer, deren Vertreter sich alle ziemlich bunt zeigen. Auch der Kartoffelkäfer gehört in diese Käferfamilie. Von April bis September findet man die 6-8 mm großen Lilienhähnchen auf Maiglöckchen, Madonnenlilien, Türkenbund, Kaiserkronen und anderen Lilien.

Neben der auffälligen Färbung fallen Lilienhähnchen aber auch durch Geräusche auf. Mit Schrilleisten am Hinterleib erzeugen sie grillenähnliche, hohe Zirplaute, die der Partnerfindung und auch der Warnung bei Gefahr dienen. Möglicherweise geht der Namensteil ‚Hähnchen‘ auf diese Laute zurück, die mit etwas Phantasie einem krähenden Hahn ähneln.

Käfer durchlaufen wie Schmetterlinge eine vollständige Metamorphose mit Ei, Larve, Puppe und erwachsenem Tier. Beim Lilienhähnchen mit einer schnellen Larvenentwicklung gibt es so 2-3 Generationen im Jahr, die letzte überwintert meist im Puppenstadium im Boden.

Und hier bestätigt sich dann doch unser optisches Vorurteil bezüglich Ungeziefer: Die aus den orangeroten Eiern schlüpfenden Larven des Lilienhähnchens sind nämlich schneckenartig weich und verbringen ihr komplettes Larvenleben zudem noch unter einer unschönen Hülle aus grauem Schleim und eigenen Exkrementen, die sie ständig mit sich herumtragen. Dafür verlagerte sich sogar ihr After Richtung Rücken. Dieser Schleim, der den Larven als Tarnung, Fraßschutz und gegen Austrocknung dient, findet sich oft auch an der Unterseite der befallenen Pflanzenblätter.

„Wibele“
Die Larven des Minzenblattkäfers (Chrysolina herbaceae) schlüpfen ab Mitte Mai aus hellbraunen Eiern an der Unterseite der Minzenblätter. Sie sind glatt und dunkelbraun mit einem schwarzen Kopf. Am hinteren Ende befindet sich ein schwanzartiger Haftfortsatz. Anfang Juni verpuppen sich die Larven im Boden zu leuchtend gelben Puppen, aus denen Mitte Juni die zweite Käfergeneration schlüpft, die später im Boden unter der Wirtspflanze überwintert.

Bis ins Hochmittelalter wurden Käfer vor allem ‚Wibele‘ genannt, wegen ihrer raschen Fortbewegung. Diese Bezeichnung wurde aber letztlich vom Wort ‚Käfer‘ verdrängt. Dieses ist mit ‚Kiefer‘ verwandt und beschreibt damit das beißende und kauende Verhalten der Käfer, nimmt also eher Bezug auf die Schadwirkung der Tiere. Ursprünglich wurde es bezeichnenderweise auch für Heuschrecken gebraucht.

In der Tat können die beiden sympathischen Käfer größere Schäden mit ihren kauend-beißenden Mundwerkzeugen anrichten. Sowohl die Larven als auch die erwachsenen Käfer des Lilienhähnchens fressen an Blüten- und Laubblättern von Lilien, beginnend mit den zeitigen Arten. Dort nagen sie zuerst runde Löcher in die Blätter, später werden diese vom Rand her komplett abgefressen. Auch Blüten und Knospen werden gerne verzehrt. Wie die Namen von Minzekäfer und Lilienhähnchen schon andeuten, besteht eine enge Bindung dieser Arten zu ihren Wirtspflanzen. Dieses Phänomen der Oligophagie, das man z.B. auch von Schmetterlingen, wie dem Kohlweißling kennt, kommt bei Blattkäfern häufig vor. So hat sich der Kartoffelkäfer auf Nachtschattengewächse spezialisiert, zu denen auch die Kartoffelpflanze gehört.

Was unternimmt man nun letztlich gegen solche gleichzeitig schönen aber auch lästigen Gartenbewohner? Neben der Förderung von natürlichen Feinden (Igel, Vögel, Schlupfwespen, Spitzmäuse) kann man versuchen, die Lilienhähnchen einzeln abzusammeln. Allerdings lassen sich die Käfer bei Störungen meist sofort von den Blättern fallen und verharren in Rückenlage am Boden, getarnt durch ihre schwarze Unterseite. Die schleimigen Larven kann man von den Blattunterseiten abspritzen. Einmal auf dem Boden gelandet, finden sie nicht zur Wirtspflanze zurück und können sich nicht weiter entwickeln. Als Spritzmittel wird bei starkem Befall eine wässrige Schmierseife-Ethanollösung empfohlen. Eine Bekämpfung des Minzenblattkäfers ist meist nicht nötig. Die flugfaulen Käfer kann man leicht absammeln, oder bei starkem Befall die Minze einfach mehrmals im Jahr zurückschneiden.


 

 

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zuletzt bearbeitet am 3.VI.2011