9.Juni 2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Pfingstrose, Blume der Bauerngärten. „Paeonia“ hat mehr als 30 Arten.

Karl Josef Strank

In vielen Bauerngärten hat sich eine Pflanze über die Jahrhunderte erhalten, die dank ihrer Robustheit diesen Platz behauptet hat, aber auch, weil sie von stattlichem Wuchs ist und mit schönen vollen Blüten aufwarten kann. Die Rede ist von der Pfingstrose. Die Gattung Paeonia umfasst etwas mehr als dreißig meist staudige, z.T. aber auch halbstrauchige Arten. Sie kommen in den warm- bis kühl-gemäßigten nördlichen Breiten der Erde vor mit Schwerpunkt in Südeuropa und Ostasien. Zwei Arten sind in Nordamerika heimisch.

Heilpflanze
Aus dem Mittelmeerraum greifen Paeonia officinalis, die Echte Pfingstrose, und Paeonia mascula, die Korallen-Pfingstrose, nach Norden über und finden sich in den Vorbergen der Südalpen vom südlichen Tessin bis nach Krain (Slowenien). Beide Arten sind am häufigsten und auffälligsten, sie waren bereits in der Antike bekannt und die echte Pfingstrose wurde – wie es der Artname officinalis anzeigt - als Heilpflanze genutzt. Der griechische Philosoph und Naturforscher Theophrast beschrieb sie in seiner Naturgeschichte der Gewächse und maß den Wurzeln die größte Heilkraft bei. Diese sind kräftig entwickelt und knollig verdickt, sie erinnern fast ein wenig an Dahlienwurzeln. Die Blätter sind dreizählig gefiedert. Sehr regelmäßig und grob ist das bei Paeonia mascula der Fall, etwas feiner, weiter aufgespalten und unregelmäßiger ist die Fiederung bei Paeonia officinalis, was Botaniker früherer Zeiten dazu veranlasst hat anzunehmen, dass die Pflanze in beiderlei Geschlecht als „Weiblein“, Paeonia foemina (= P. officinalis) und „Männlein“, Paeonia mas (= P. mascula) vorzufinden ist. So steht es schon im Kräuterbuch des antiken Arztes und genauen Naturbeobachters Dioskurides, der bis weit in die Neuzeit als Autorität galt. Ähnlich ist die Bezeichnung bei Farnen: der gröbere Blattschnitt des Wurmfarns gilt als männlich, Dryopteris filix-mas, gegenüber dem feineren Blattschnitt des Frauenfarns, Athyrium filix-femina.

Der Name der Pfingstrose, Paeonia, ist mythologischen Ursprungs und geht auf den griechischen Götterarzt Paian zurück, der als Helfer verehrt und angerufen wurde und als Vorläufer der Apollon und Asklepios angesehen wird. Er heilte mit der Pfingstrose Pluto, den Gott der Unterwelt, nachdem Herakles ihn im Krieg um Pylos verwundet hatte. Der römische Dichter Vergil berichtet, dass Artemis mit Hilfe der Paeonie den Vibrios, der von den Pferden seines Vaters Theseus getötet worden war, wieder zum Leben erweckt habe. Im Mittelalter gelangte die Pfingstrose in die Länder nördlich der Alpen. Hildegard von Bingen schreibt über sie: „Die Paeonie ist feuerfarben und hat gute Wirkung. Sie hilft sowohl gegen die dreitägigen wie gegen die viertägigen Fieber …“ Eine spezielle Zubereitung der Samen setzte Hildegard gegen die Fallsucht, die Epilepsie, ein.

Auch ein Aphrodisiakum
In der Antike galt die Paeonie als Mysterienpflanze aus dem Kult der Kybele, der griechischen Fruchtbarkeits- und Erdgöttin, als „vom Mond gezeugt“ und gleichsam sollte sie die Mondsucht heilen. So steht in der Medicina Antiqua: „Wenn man den stürzenden Mondsüchtigen die Pflanze Paeonia um den Hals bindet, wird er sich sofort als Gesunder erheben; wenn er die Pflanze ständig bei sich hat, wird ihn das Übel nie mehr ergreifen. Binde die Wurzel der Pflanze Paeonie in ein Leinen und umgürte damit jenen Körperteil, der schmerzt. Das hat eine äußerst gesunde Wirkung; wenn du sie auf einer Schiffsreise mit dir hast, besänftigt das den Sturm, wenn du sie rein benützt.“ Die Samen wurden als Heilmittel gegen Alpdrücken und als Schutz gegen Behexung angesehen. In England galten sie als Aphrodisiakum, die Pfingstrose wurde als „Kraut der wahren Liebe“ bezeichnet. Ganz im Gegensatz dazu hielt man das in Deutschland für teuflisches Machwerk und bezeichnete die Samen der Paeonie folgerichtig als „Teufelsaugen“.

Die Pfingstrose enthält Gerbstoffe, Schleim, Zucker und in niederer Dosis Alkaloide. Insgesamt wird sie heute als wenig wirksam eingestuft. Früher verwendete man sie als Mittel gegen Gicht, Muskelkrämpfe, Asthma und bei einigen Kinderkrankheiten. Um 1860 wurde die Droge „Radix Paeoniae“ aber aus dem offizinellen Arzneibuch gestrichen. Heute werden die Blüten nur noch als Farbtupfer in Teemischungen verwendet. Die Verwendung als Schmuckblume ist als einzige Bedeutung der seit dem Mittelalter hochgeschätzten „Königin der Blumen“ erhalten geblieben.

Der Name Pfingstrose nimmt Bezug auf die Blütezeit und ist seit Anfang des 16. Jahrhunderts der am häufigsten verwendete. Weitere Namen sind Pfingstpappel oder Antoniusblume in Bayern mit Bezug auf die Blütezeit um den Antoniustag am 13. Juni. Zum Gebrauch als Schmuck für Altäre und bei kirchlichen Prozessionen hat sie auch Namen wie Herrgottsrose, Fronleichnamsrose, Muttergottesrose.

Immer auf der Suche

Die Pfingstrose ist nach wie vor eine der beliebtesten Gartenpflanzen und ein Schmuck für jedes Staudenbeet. Besonders beliebt waren in früheren Zeiten die gefüllten Formen. Heute sind sie in den Gärten immer noch anzutreffen, aber, weil sie fast keinen Pollen für Bienen und Hummeln bieten, werden aus ökologischen Gründen immer mehr Arten mit voll funktionsfähigen Blüten gewählt oder die ursprünglichen Wildformen. Eine sehr schön gelb blühende Art stammt aus dem Kaukasus, Paeonia molokosewitschii. Züchter haben ansonsten eine breite Farbpallette der Blüten von Rot über orange, rosa bis weiß und Kombinationen derselben geschaffen. Echte Liebhaber sind daher immer auf der Suche nach ausgefallenen und seltenen Sorten.

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zuletzt bearbeitet am 7.VIII.2011