22.Dez.2011

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Christrose: Schönheit, Heilpflanze und beliebter Stoff für Legenden

Astrid von Reis

Weihnachten ist ganz nah. Das signalisieren nicht nur der Kalender, das vierte Licht auf dem Adventskranz, leckeren Süßigkeiten, Weihnachtsmusik oder Weihnachtsmarkt. Auch bei einem Blick in die Blumenläden und Gärtnereien wird es deutlich. Zwischen Weihnachtsstern und Amaryllis leuchten bis zu zehn Zentimeter große weiße Rosetten: die Blüten der Christrose (Helleborus niger L.).

Meist wird die immergrüne mehrjährige Pflanze aus der Familie der Ranunculaceaen (Hahnenfußgewächse) mit ihren bis zu 30 cm lang gestielten, dunkelgrünen sieben- bis neunteiligen Blättern und ihren kräftigen, schwarz-braunen Rhizomen und Wurzeln („niger“ ist lateinisch und bedeutet „schwarz“) in Töpfen angeboten. Bei den endständigen Blüten machen nicht die Kronblätter, sondern die meist weißen, manchmal auch rosafarbenen Kelchblätter den schönen, radiärsymmetrischen „Schauapparat“ aus. Während des Abblühens werden sie grün und tragen wesentlich zum Photosynthesehaushalt bei. Die alten Laubblätter sterben in der Blütezeit ab, die neuen sprießen erst wieder nach der Blüte. Die Kronblätter sind zu gelbgrünen duftenden Nektarblättern umgebildet. Die bis zu acht an der Basis verwachsenen Fruchtblätter sind von vielen gelben Staubblättern umgeben.

Die Narben bleiben sehr lange befruchtbar, sodass die Bestäubung durch Insekten – angezogen durch die Erscheinung und den Duft – erfolgt. Im schlechtesten Fall findet eine Selbstbestäubung statt. Nach der Befruchtung wachsen die Fruchtblätter zu Balgfrüchten mit anhängenden „Ölkörpern“, den „Elaiosomen“ (aus dem Griechischen, wo es soviel wie „Körper“ bedeutet), heran. Ameisen und Schnecken mögen diese Ölkörper und sorgen so im Sommer zur weiteren Verbreitung der Pflanze.

Wegen ihrer auffälligen weißen Blüten, ihrer Blütezeit um Weihnachten und durch die Nutzung als Heilpflanze wurde die in den östlichen Kalkalpen beheimatete und heute unter Naturschutz stehende Zierde schon vor langer Zeit in die Gärten geholt. Heute kennen wir viele Sorten. Im Handel werden in unseren Breiten ab November blühende Sorten angeboten.

Je nach Augenmerk, Region, Volksweisheit und Nutzen für Tier und Mensch hat die Pflanze viele unterschiedliche Namen erhalten: „hilge kirstes krut“ (1420 nach L. Diefenbach) gehört dazu. Brunsfels notiert um 1532: „Würt genennt Christwurtz, darumb das sein blum . . . uff die Christnacht sich uffthut und blüet. Welches ich auch selb wargenommen und gesehen, mag für ein gespötte haben wer do will“.
H. Bock schreibt 1539: „Christwurtz darumb das sie umb den Christtag mit der blüt gesehen würt . . . oder das sie auch zu den Clystierungen gebraucht würt.“ Daher mancherorts auch der Name „Krestierworzel“, angelehnt an „Klistier“, da die Wurzel als starkes Abführmittel genutzt wurde. Das Helleborin im gepulverten Wurzelstock reizt die Schleimhäute und trug der Gattung Helleborus den Namen „Nieswurz“ und „H. niger“, „Schwarze Nieswurz“ ein. Bis heute wird die Pflanze zur Herstellung von Schnupftabak und Niespulver genutzt.

Bereits im Altertum war die Pflanze mit ihrer Heilwirkung bekannt. Sie wurde gegen Geisteskrankheiten – (h)elleborosus, aus dem Griechischen: „verrückt“ – eingesetzt: Niesen gegen psychische Erkrankungen. Dioscorides beschreibt die Christrose auch als „Abortivum“ und empfiehlt sie gegen Hautausschläge wie Krätze. Diese Wirkung, welche H. Bock in seinem Werk von 1551 niederlegt: „ Schwartz Nieswurz zerstoßen mit essig und pflasters weiß über alle böse grind, reüde, flechten und malatzei (Aussatz) gelegt, tödt dieselbige und heilet sie“, trug ihr in Österreich den Namen „Krätzenbleaml“ ein.

Die Pflanze ist mit Inhaltsstoffen wie Helleborin (Saponin), Helleborein (Glycosid) sehr toxisch. Es kamzu Vergiftungen – absichtlich in Kriegen, bei Hinrichtungen, aber auch unabsichtlich bei Heilungsversuchen etwa gegen Würmer. Auf die Gefahr der Überdosierung wurde schon früh hingewiesen: „Drei Tropfen machen rot, zehn Tropfen machen tot.“ Die Christrose gilt mancherorts als heilig, und es gibt über sie viele Legenden. In einer „beheimatet die Pflanze die Seele eines Kindes, welches in einer bitterkalten Nacht verstoßen wurde und von der Göttin Freya aus Mitleid in diese Pflanze verwandelt wurde. Daher ist sie auch Symbol für Unberührtheit und Unschuld.“ In einer anderen soll der Mönch Laurentius, inspiriert durch den Anblick der Blüte im Schnee, das Lied „Es ist ein Ros’ entsprungen“ gedichtet haben. Auch wenn dies nicht gesichert ist, bleibt es doch eine schöne Weihnachtsgeschichte.

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zuletzt bearbeitet am 23.XII.2011