22.Nov.2012

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Alte Obstbäume in unseren Wiesen: Die schönsten Exemplare sind die Birnen

Karl Josef Strank

Die schönsten Exemplare alter Obstbäume in unseren Wiesen stellen die Birnen. Ihre vergleichsweise schlanke und aufrechte Krone gibt ihnen ein vornehmes Aussehen. Alte Kulturbirnen wachsen zu stattlichen Höhen bis 15 Metern auf. Für diese sind die meisten Leitern zu kurz, so dass ihre Früchte nur noch selten gepflückt werden.

Heute gibt es etwa 1500 Birnensorten. Zentren der Birnenzucht waren Frankreich und Flandern. Man soll zwar „Äpfel und Birnen nicht miteinander vergleichen“, aber tut man es doch, so sind die Formen der Früchte bei Birnen noch verschiedenartiger als bei den Äpfeln: Man unterscheidet plattrunde, rundliche, kreisförmige, eirunde, eiförmige, kegelförmige, birnenförmige, perlförmige, glockenförmige bis hin zu flaschenförmigen Birnen. Als Tafelbirnen bezeichnet man Sorten, die zum Rohgenuss geeignet sind, als Wirtschaftsbirnen alle, die zum Rohgenuss nicht sonderlich geeignet sind aber zum Einmachen, Dörren und für Most verwendet werden. Die Birnenfrüchte unterscheiden sich noch in einer Hinsicht grundlegend vom Apfel. Sie bilden im Fruchtfleisch verholzte Zellen, die sich zu sogenannten Steinzellennestern zusammenfinden und für die Härte und Körnigkeit des Birnenfruchtfleisches verantwortlich sind.

Birnenbäume liefern ein sehr hartes, dichtes, feinfaseriges, schweres, gleichmäßig gemasertes Holz, das gut polierbar und auch im Freien dauerhaft ist. Es muss sorgfältig getrocknet werden.

Birnenholz lässt sich gut dämpfen und schwarz färben. Es spielt als Ebenholzersatz für edle Truhen und die Klavierfabrikation eine wichtige Rolle. Es wird für Fruchtpressen, Messinstrumente und Druckstöcke verwendet. Modeln, Hohlformen für den Guss oder zum Abdruck von Gebäck (Printen), aber auch erhabene Druckformen für Stoffe und Tapeten werden daraus hergestellt. Blockflötenhersteller geben Birnbaum und Ahorn anderen Hölzern gegenüber den Vorzug.

Unseren germanischen Vorfahren galten alte Birnbäume als Wohnstätten von Dämonen und Hexen. Als Einweisung in die Kunst der Zauberei mussten junge Hexen Birnenfrüchte in Mäuse verwandeln und sich selbst in Birnen. Alte hohe Birnbäume standen als Schutzbäume in der Feldflur und trugen als Wirtspflanzen die geheimnisvollen Misteln. Die Slawen vermuteten in ihnen rätselhafte Drachen, denn ihr Begriff „Plonika“ bezeichnet gleichzeitig Birne und Drache. Verständlich ist, dass bei der Missionierung der Germanen und Slawen neben den Eichen auch etliche alte Birnbäume weichen mussten.

Vom Untersberg bei Salzburg geht die Sage, dass dort im Berg, der von vielen Höhlen und Klüften durchzogen und Riesen, Zwergen und Drachen bewohnt ist, Karl der Große mit seinen Kriegern schläft. Naht das Ende der Welt, öffnen sich seine Tore und Karl der Große reitet an der Spitze seines Heeres zur letzten großen Schlacht auf das Walserfeld. Nach dem Sieg wird er den ewigen Frieden verkünden und seinen Schild an einen Birnbaum hängen, der daraufhin für immer verdorren muss.

Nach dem Volksglauben war der Birnbaum wie auch die Fichte imstande, Krankheiten der Menschen auf sich zu laden. Hierzu umschritt man den Baum und klagte ihm mit folgendem Spruch sein Leid: „Birnbaum ich klage dir, Drei Würmer, die stechen mir, Der eine ist grau, Der andere ist blau, Der dritte ist rot, Ich wollte wünschen, sie wären alle drei tot.“

Auch in der Literatur fand die Birne Nachhall. Jedem dürfte aus der Schulzeit das Gedicht von Fontane über die Segen spendende Hand des von Ribbek auf Ribbek im Havelland in Erinnerung geblieben sein. In der Tat stand auf dem Friedhof von Ribbeck ein mächtiger Birnbaum bis er 1911 einem Sturm zum Opfer fiel. Nach der Wiedervereinigung wurde ein neuer „Ribbek“ nachgepflanzt, der 1994 die ersten Früchte trug. Mancherorts werden in Österreich zur Weihnachtszeit nach altem Brauch die über dem Holzfeuer gedörrten Früchte der sogenannten Kletzen (spezielle kleinfrüchtige Mostbirnen, die in Süddeutschland „Hutzeln“ heißen), zum „Kletzen-“ oder „Hutzelbrot“ verbacken.

Im Rheinland wird beim Leichenschmaus gewöhnlich ein Fladen mit schwarzbraunem Birnenmus serviert. Hierfür werden 80 Birnen und 20 Äpfel über mehrere Tage getrocknet. Diese werden dann zur Verarbeitung in Wasser aufgeweicht, mit Honig gesüßt, mit Anis und Zitronat abgeschmeckt, gekocht und püriert. Das dunkle Birnenkompott gibt den Namen: „schwaze Flaam“.

Die „geistreichste“ Veredlung und Wertschätzung finden Birnen in einer sich steter Beliebtheit erfreuenden und mit der Birnensorte Williams Chr ist in Verbindung stehenden Art.


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zuletzt bearbeitet am 30.XI.2012