21.Febr.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Gewöhnliche Pestwurz ist eine der sonderbarsten Pflanzen unserer Heimat

Joachim Schmitz

An Bächen mit kiesigem Untergrund wächst eine der sonderbarsten Pflanzen der heimischen Flora, die Gewöhnliche Pestwurz (Petasites hybridus). Ihr Vegetationszyklus ist in drei Abschnitte gegliedert, bei denen Laien wohl nicht ohne Weiteres darauf kommen, dass sie zu ein und derselben Pflanze gehören.

Im sehr zeitigen Frühjahr treiben dicke, meistens blassrote Knospen aus dem Boden. Daraus entwickeln sich bald zapfenförmige Blütenstände. Die eigentlichen Blüten sind winzige Röhrchen, die zu Köpfchen zusammengefasst sind, die dann nochmal zu einem Gesamtblütenstand zusammentreten. Es gibt zwar nicht scharf getrennte Geschlechter aber doch zwei Typen von Pflanzen.

Der eine ist überwiegend weiblich. Hier sind die Staubbeutel zu fadenförmigen Rudimenten zurückentwickelt. Der andere ist funktionell rein männlich, hat aber manchmal noch ein paar Zwitterblüten. Zur Blütezeit haben die Pflanzen keinerlei Blattgrün. Man könnte sie für einen Schmarotzer halten.

Schon zum Ende der Blütezeit treiben rundliche grüne Blätter aus. Sie sehen nicht von ungefähr den Blättern des Huflattichs ähnlich. Beide Gattungen sind miteinander verwandt. Bei den männlichen Pflanzen stirbt der Blütenstand ab. Die weiblichen Blütenstände strecken sich jetzt bis zu einem Meter Höhe. Dadurch werden die einzelnen Köpfchen deutlich voneinander getrennt. Aus jedem Köpfchen wird jetzt eine weiße Pusteblume.

Wachstum geht munter weiter

In dieser Phase sehen die Pflanzen am ehesten wie eine beliebige Blütenpflanze aus. Aber jetzt geht es noch weiter. Wenn Blüten- und Fruchtstände eingezogen sind, geht das Wachstum der Blätter munter weiter. An günstigen Stellen können die Blattstängel im Hochsommer einen Meter und selten sogar noch größere Höhe und die Blätter bis einen Meter Breite erreichen. Kinder können sich da locker unterstellen. Nach einer Quelle aus dem 16. Jahrhundert aus Ostpreußen haben sich Schnitter aus den Blättern einen Sonnenschutz für die Arbeit konstruiert. Woher der Name Pestwurz kommt, ist nicht eindeutig geklärt. In der Volksmedizin wurde ein Extrakt des Wurzelstocks als harn- und schweißtreibendes Mittel unter anderem auch gegen die Pest verwendet, bei der Pest vermutlich mit eher geringem Erfolg. Nach einer anderen Deutung handelt es sich um eine Verbalhornung des wissenschaftlichen Namens Petasites. Der Name geht auf den antiken griechischen Gelehrten Dioskorides zurück, der sich von den riesigen Blättern an einen breitkrempigen Regenhut erinnert fühlte, der damals petasos genannt wurde. Wie bei allen extremen Frühjahrsblühern kann die Blütezeit je nach dem Witterungsverlauf im Winter und Frühjahr stark schwanken. In milden Wintern und bei zeitiger Frühjahrswärme geht es in niederen Lagen schon im März los. So wie sich Winter und Frühjahr in diesem Jahr entwickeln, wird es diesmal wohl eher April werden, in den höheren Lagen der Eifel sowieso.

Aufgrund der Standortbedingungen auf kiesigem Untergrund mit bewegtem Wasser kommt die Art an vielen Eifelbächen vor. Größere Bestände am Eifelfuß gibt es zum Beispiel in und an der Inde. Hier ist besonders der Bereich im Ortsteil Stolberg-Kohlbusch zu nennen. Wenn die Standortbedingungen stimmen, nimmt die Pestwurz manchmal auch sehr naturferne Standorte an. So habe ich die Pestwurz auch am (heute längst abgebauten) Verbindungsgleis von Aachen-Rothe Erde zum damaligen Güterbahnhof (besser bekannt als Moltke-Bahnhof) gefunden.


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zuletzt bearbeitet am 31.III.2013