13.Juni 2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


In einem Seitental der Ahr: Das Stark-Nervmoos lässt den Wasserfall wachsen

Joachim Schmitz

Ein Wasserfall in der Eifel? Ja, den gibt es. Allerdings ist er nicht natürlich sondern durch den Eingriff des Menschen entstanden. Um die Jahrhundertwende 1900 wurden in der Eifel zahlreiche neue Eisenbahnen gebaut. Das war natürlich auch eine Infrastrukturmaßnahme für die damals bitterarme Eifel („Preußisch-Sibirien“). Noch wichtiger war aber der militärische Aspekt. Die Westgrenze galt als mögliche Westfront bei einem erneuten Krieg gegen Frankreich.

Tunnel war schon gebaut

Um Truppen effizient versorgen und bewegen zu können wurde ein dichtes Netz von Eisenbahnstrecken geplant. Manche sind nie vollendet worden. Das bekannteste Beispiel ist der ehemalige Atombunker der Bundesregierung an der Ahr, der in einem bereits fertig gestellten Tunnel einer geplanten Zubringerlinie zur Ahrtalbahn angelegt wurde. Die Linie selbst ist nie in Betrieb gegangen.

Beim Bau der Strecke Jünkerath-Dümpelfeld (-Remagen) wurde in einem Seitental der oberen Ahr südlich Üxheim-Ahütte auf Höhe der heutigen Ruine Dreimühlen eine kalkreiche Quelle gefasst und unter der Bahn durchgeleitet, so dass am Ende ein kleiner Wasserfall entstand. Man kennt das aus Tropfsteinhöhlen, dass verdunstendes Wasser das Gleichgewicht aus gelöstem und festem Kalk zur Seite des festen Kalks verschiebt und sich entsprechend Kalk abscheidet. Auch an offenen Stellen kann sich auf die gleiche Weise Kalk bilden. Die Geologen nennen so entstandene Kalkbänke Kalktuff.

Starkes Kalkwasser

Der Effekt wird an Kalkquellen durch ein unscheinbares Moos massiv verstärkt. Das Veränderliche Starknervmoos (Cratoneuron commutatum) kann aus gelöstem Kalk das für die Fotosynthese nötige Kohlendioxid gewinnen. In Kalkwasser ist davon viel mehr enthalten als in der Luft. Das führt aber auch dazu, dass sich das Gleichgewicht aus gelöstem und festem Kalk noch viel weiter zum festen Kalk verschiebt. Im Klartext heißt das, dass das Starknervmoos die Bildung von Kalktuff stark fördert. Deswegen scheidet sich an den Rändern der Moosblättchen ständig Kalk ab.

Dicke Tuffwand

Im Zusammenwirken von chemischer Kalkabscheidung durch Verdunstung und der Tätigkeit des Starknervmooses ist eine meterdicke Tuffwand entstanden, die den Wasserfall immer weiter nach vorne geschoben und heute zu einer Touristenattraktion gemacht hat. Die längst stillgelegte Eisenbahn ist 1912 eröffnet worden. Man kann sich also ausrechnen, dass die Tuffwand jedes Jahr mehrere Zentimeter gewachsen ist. Im Foto sieht der Wasserfall gar nicht so dramatisch aus, weil die Wand aus Kalktuff fast vollständig vom grünen Starknervmoos bedeckt ist. An Ort und Stelle kann man sich aber eine schöne Dusche abholen.

Botanisch bemerkenswert ist auch noch die Kleinblättrige Brunnenkresse (Nasturtium microphyllum), die in Sümpfen und Pfützen am Grund des Wasserfalls vorkommt und im Vergleich zu ihrer viel häufigeren Schwesternart Echte Brunnenkresse (Nasturtium officinale) kühlere und nährstoffärmere Gewässer bevorzugt. Naturfreunden sei auch noch ein Abstecher ins westlich unmittelbar anschließende Naturschutzgebiet Dreimüllerwald empfohlen. Es handelt sich um einen Kalkbuchenwald mit vielen interessanten Arten, unter anderem der Gewöhnlichen Akelei (Aquilegia vulgaris).

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zuletzt bearbeitet am 22.VII.2013