15.Aug.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Warum heute, am Fest Mariä Himmelfahrt, Kräutersträuße geweiht werden

Ruth Gestrich-Schmitz

Seit einer Urlaubsreise vor einigen Jahren, die mich durch die Schweiz führte, ist mir der 15. August besonders in Erinnerung geblieben: In Andermatt im Kanton Uri wurde an diesem Tag das Fest Mariä Himmelfahrt begangen. Auch im Saarland und in überwiegend katholischen Gemeinden in Bayern ist der 15. August ein Feiertag, an dem der Aufnahme Mariens in den Himmel gedacht wird, verbunden mit der Tradition, Kräutersträuße segnen zu lassen. Meist sieben (als die alte heilige Zahl, Zahl der Sakramente) oder neun (drei mal drei, Dreifaltigkeit) verschiedene Kräuter wurden dafür ausgewählt: Dazu gehören in der Regel Johanniskraut, Wermut, Beifuß, Rainfarn, Schafgarbe, Königskerze, Tausendgüldenkraut, Eisenkraut, auch Wiesenknopf, Kamille, Thymian, Baldrian, Odermennig, Alant, Klee und verschiedene Getreidearten.

Die geweihten Kräuter hängte man früher in Haus und Stall in den sogenannten „Herrgottswinkel“ mit dem Zweck, Krankheiten und Unglück fernzuhalten. Auch als Tee aufgebrüht oder unter das Viehfutter gemischt sollten sie der Gesundheit dienen. Dass die Kräuterweihe am Marienfest im August stattfindet, hängt wahrscheinlich mit der Reifezeit des Getreides und der Hauptblütezeit in der Natur zusammen und erinnert daran, dass Maria traditionell als „Blume des Feldes und Lilie in den Tälern“ (Hoheslied 2,1) verehrte wurde.

Viele Pflanzen tragen den Namen Mariens oder sind in Mariendarstellungen zu sehen, wie die Madonnenlilie, die auch im Karlsgarten in Aachen-Melaten zu finden ist. Lilium candidum wurde in Kleinasien und an den Küsten des Mittelmeeres bereits einige tausend Jahre vor Christus wegen ihrer göttergleichen Schönheit als heilig verehrt. Mit ihren makellosen weißen Trichterblüten gilt sie als Symbol für Reinheit und Keuschheit und wurde somit im Christentum zum Attribut von Maria. Als der Erzengel Gabriel Maria verkündet, dass sie erwählt sei, Gottes Sohn zu gebären, hält er einen Lilienstängel in der Hand, so dargestellt von Leonardo da Vinci (um 1475).

 

Eine Madonnenlilie. Foto: Ruth Gestrich-Schmitz

Sinnbild für Reinheit

Auf Gemälden, die die Himmelfahrt und die Krönung Marias zeigen, wie dem von Raffael (1503), sprießen Lilien und Rosen aus ihrem leeren Grab. Auch die Rose als Sinnbild für Reinheit und Sittlichkeit wurde zur ständigen Begleiterin der Gottesmutter, dargestellt auf unzähligen Bildern: Maria mit einer Rose in der Hand, mit einer Rosenkrone über ihrem Haupt bei ihrer Krönung oder Maria zusammen mit dem Jesuskind in einer Rosenlaube oder vor einem Rosenbusch als „Madonna im Rosenhag“. Anstelle der Lilie findet man bei Darstellungen der Verkündigung, vor allem bei niederländischen Malern, auch die Iris als Blume der Jungfrau Maria, als Sinnbild der Unbefleckten Empfängnis.

Auf zahlreichen Tafelbildern berühmter Maler erscheinen Gänseblümchen auf einem Grasteppich zu Füßen von Maria, zusammen mit Veilchen und Erdbeeren. Gänseblümchen stehen für Mutterliebe, Reinheit, Bescheidenheit. Jungfräulichkeit, Demut und Bescheidenheit sind Sinnbilder für das Veilchen. Marianne Beuchert schreibt in ihrem Buch über die Symbolik der Pflanzen: „Im Mittelalter, das alles Schöne und Anmutige als Symbole Mariens sah, wurde die Jungfrau selbst in geistlichen Liedern als Veilchen der Demut gepriesen“. Über die Erdbeere als Versinnbildlichung der Gottesmutter schreibt sie: „Dass die Pflanzen zu gleicher Zeit blühen und fruchten, dass ihre Blüten weiß sind wie die Unschuld und die Früchte rot in der Farbe der Liebe leuchten, ließ sie ein ideales Sinnbild der jungfräulichen Mutterschaft sein“.

Die Akelei, auch „Handschuh unserer lieben Frau“ genannt, spiegelt in manchen Mariendarstellungen die Sorgen, den Schmerz der Jungfrau Maria wider. Vermutlich ist dies auf ihren französischen Namen „ancolie“ als Verkürzung von „Melancholie“ zurückzuführen. Auch die Pfingstrose wurde als „Rose ohne Dornen“ zu einer heiligen Pflanze der Christen, besonders im Marienkult: Als Symbol der Güte ihres dornenlosen Wesens ist auf dem 1473 entstandenen Gemälde „Madonna im Rosenhag“ von Martin Schongauer ein blühender Pfingstrosenbusch zur Rechten Mariens zu sehen.

Zu den Pflanzen, die Maria in ihrem Namen tragen, gehört die Mariendistel. Von ihr berichtet die Legende, dass, als Maria auf der Flucht nach Ägypten das Jesuskind stillte, einige Milchtropfen auf die Distel fielen und die weißen Streifen auf ihren Blättern hervorriefen.

In St. Foillan in Aachen

Am heutigen Fest Mariä Himmelfahrt laden der Freundeskreis Botanischer Garten Aachen e.V. und Pfarrer Franz Josef Radler von der Pfarre Franziska von Aachen ein, um 18 Uhr in der Kirche St. Foillan am Münsterplatz in Aachen, den alten Brauch der Kräuterweihe mit einer Andacht zu feiern. Der Verein bereitet einige Sträuße vor; gerne können Sie mit einem eigenen Strauß kommen.

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zuletzt bearbeitet am 26.VIII.2013