26.Sept.2013

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Den echten Zunder liefert ein Baumpilz. Der wächst auf altem Holz.

Karl Josef Strank

Es war schon ein gewaltiger Schritt in der Entwicklung der Menschen, als sie lernten, das Feuer zu nutzen und in der Lage waren, es jederzeit neu zu entfachen. Zu diesem Zweck bedienten sie sich verschiedener Techniken und Hilfsmittel, bevor die Erfindung von Schwefelhölzern das Erzeugen einer offenen Flamme vergleichsweise einfach machten.

Wenn durch Reibung genügend Hitze erzeugt oder die Funken geschlagen sind, flammt ein Feuer dennoch nicht sogleich zu lodernder Glut auf, denn die Hitze und die Funken liefern nur ein feines Glimmen, das genährt, durch Pusten mit Sauerstoff versorgt und entfacht werden muss. Als Glimmmaterial wurde dazu jahrhundertelang Zunder verwendet, der heute aufgrund des technischen Fortschritts völlig außer Gebrauch geraten ist. Da Zunder lange glimmt, eignete er sich hervorragend, Glut zu bewahren und über weite Entfernungen zu transportieren.

Den echten Zunder liefert ein Baumpilz, der mit wissenschaftlichem Namen Fomes fomentarius heißt. Dieser Pilz wächst auf den Stämmen alter, bereits toter oder absterbender Bäume. Er bildet konsolenförmige Fruchtkörper, die mit der flachen Seite nach unten direkt aus dem Baumstamm herauswachsen und in der Form an Pferdehufe erinnern. Die braune bis graue Oberseite ist wellig, rillig zoniert und lässt gut die Zuwachszonen erkennen, denn er wächst über mehrere Jahre und kann eine Größe von 20 – 30 cm erreichen. Die hell- bis dunkelbraune Unterseite ist sehr feinporig und besteht aus einer Schicht sehr dünner Röhren, in denen die Sporen heranreifen. An den Stämmen sitzen immer mehrere bis viele dieser Konsolen neben und untereinander, so dass der Eindruck entsteht, dass der ganze Baum vom Pilz befallen ist. Die Konsolen sind extrem hart dank einer sehr widerstandsfähigen Kruste und haften derart fest am Stamm, dass sie kaum ohne Hammer oder Beil vom Baum zu lösen sind.

Blutstillend

Stürzen befallene Bäume irgendwann um, so wachsen die neuen Konsolen so, dass die Röhrenschicht nach unten weist, was sehr lustig aussieht, als hätten sich einige Konsolen um 90 Grad gedreht. Oberhalb der Röhren bildet die Schicht des sogenannten Tramas den eigentlichen Zunder. Dieser hat eine blutstillende Wirkung und wurde früher wegen dieser Eigenschaft von Wundärzten häufig verwendet. Daher hat der Zunderschwamm auch den Namen boletus chirurgorum. Boletus wegen der Röhren, die ähnlich aussehen wie beim Steinpilz, Boletus edulis.

Ökologisch gehört der Zunderschwamm zu den Weißfäule-Pilzen. Diese zersetzen in einem Holzkörper vor allem das Lignin. Zellulose greifen sie nicht so stark an, weswegen das Holz weißlich erscheint, stark zerfasert und brüchig wird.

Die Herstellung echten Zunders war lange ein eigenes Gewerbe. Nach dem Sammeln im August oder September, der Entfernung aller harten Teile, legte man das schwammartige Innere in Fässer mit einer Aschen- oder Pottaschenlauge (1 Pfund Pottasche auf 25 Pfund). 1835 beschreibt K. Karmarsch den weiteren Prozess der Herstellung danach wie folgt: „Nachdem der Schwamm 2 bis 3 (des Winters auch 4) Wochen lang mit der Lauge in Berührung geblieben ist, nimmt man ihn heraus, lässt ihn abtröpfeln, klopft ihn auf einem Holzbocke mit einem hölzernen Schlägel, bis er zu einer flachen dünnen Scheibe ausgebreitet ist, trocknet ihn, und gibt ihm endlich die völlige Weichheit durch anhaltendes Reiben zwischen den Händen. Sehr oft wird der Aschenlauge etwas Salpeter (1 Pfund auf 20 bis 50 Pfund Schwamm) zugesetzt, wodurch sich die Entzündlichkeit vergrößert. Einweichen des Schwamms in Bleiessig erfüllt diesen Zweck ebenfalls.“ Ötzi, der auf seinem Weg über die Alpen ebenfalls Zunder mit sich führte, dürfte dies mit Urin bewirkt haben, denn der enthält auch viel Nitrat.

Schon Petrus Andreas Matthiolus berichtet 1586 in seinem Kräuterbuch: „Etliche suchen ihre Nahrung auß diesen Schwämmen und Zundern.“ Zeitweise war die Herstellung von Zunder ertragreicher als die Holzproduktion. Noch um 1870 wurden jährlich mehrere hundert Zentner Zunderschwämme verarbeitet, aber mit dem Aufkommen der Streichhölzer waren um 1900 nur noch einzelne, meist ältere Leute mit der Herstellung von Zunder beschäftigt. Heute ist Zunder fast nirgends mehr zu bekommen. Hergestellt wird er nur noch in einigen Gegenden Rumäniens. Er dient dort als Ersatz für Leder, entsprechend werden Hüte und Kappen daraus gefertigt.

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zuletzt bearbeitet am 6.X.2013