6.März 2014
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
„Die im Verborgenen heiraten“ oder: Jetzt ist die beste Zeit, Moosblüten zu sehen
Joachim Schmitz
Dass Sporenpflanzen wie Moose und Farne sich nicht geschlechtlich vermehrten, ist ein weit verbreiteter Irrtum. Das tun sie sehr wohl, nur befinden sich die Geschlechtsorgane halt nicht in so auffälligen Blüten. Deshalb hat schon Linné dafür den Namen Kryptogamen geprägt. Das kommt aus dem Griechischen und heißt so viel wie „die im Verborgenen heiraten“. Also sieht man als botanischer Laie nicht viel, aber „heiraten“ tun sie doch.Bei Moosen sieht das so aus, dass sich an der Spitze der Moospflänzchen, meistens im Frühjahr, die so genannten Gametangien bilden, die die Gameten erzeugen. Die Gametangien entsprechen dem, was man bei Tieren (und dem Menschen) Keimdrüsen nennt, und die Gameten entsprechen Ei- und Samenzellen. Bei Moosen gibt es männliche und weibliche Gametangien. Die männlichen Gametangien entlassen männliche Gameten, die mit Hilfe ihrer Geißeln zur Eizelle im weiblichen Gametangium schwimmen müssen. Deshalb sind Moose auch an wenigstens vorübergehend feuchte Biotope gebunden. Nach der Befruchtung wächst dann eine gestielte Sporenkapsel heran.
Die Gametangienstände sind sehr klein und meistens auch sehr unscheinbar und werden nur von Fachleuten erkannt. Es gibt allerdings Ausnahmen. In der Gattung Polytrichum (Frauenhaarmoos/Widertonmoos) sind die Gametangien von auffällig verbreiterten Blättern umgeben. Meistens sind die auch irgendwie grünlich. Beim Glashaar-Widertonmoos (Polytrichum piliferum) sind diese Blätterkelche auffällig rot gefärbt und damit unverkennbar (siehe Foto).
Diese ungewöhnliche Erscheinung wird vom Volksmund als Moosblüte bezeichnet. Das ist natürlich keine echte Blüte. Anders als bei echten Blüten, die durch Färbung, Nektar und andere Merkmale Bestäuber anlocken sollen, ist der Sinn der Färbung hier völlig unklar. Vielleicht bewirkt die dunkelrote Färbung, dass mehr Licht aufgenommen und in Wärme umgewandelt wird, so dass die männlichen Gameten leichter zu den Eizellen schwimmen können oder die Entwicklung der befruchteten Eizellen schneller geht. Das ist aber reine Spekulation.
Das Glashaar-Widertonmoos wächst auf sandigem Untergrund. In unserer Gegend sind das natürlich die Sandheiden der Niederrheinischen Bucht, z.B. Teverener und Brunssumer Heide. In der Eifel findet es sich auch häufig am Fuß oder sogar in Spalten sandig verwitternder Gesteine. Da ist vor allem die Grauwacke zu nennen, die das häufigste Gestein im Nationalpark Eifel ist. Man trifft die Art sogar auf befestigten Wegen an, wenn sie nicht asphaltiert sind, sondern mit Grus und Sand ausgelegt sind. Die beste Zeit, eine Moosblüte zu finden, ist das Frühjahr. In niederen Lagen kann das schon im März sein, in den höheren Lagen der Eifel fällt das etwa mit der Narzissenblüte zusammen.
zuletzt bearbeitet am 13.IV.2014