5.Juni 2014

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Der gekrönte Apfel – beachtlich, was in der Granate so alles drin steckt

Astrid von Reis

Rot, leuchtend rot ist der Küchenarbeitsplatz, wenn man beim Öffnen des Granatapfels von einem Apfel ausgeht. Denn spätestens dann erkennt man, dass diese Frucht mit dem Apfel bis auf die kugelige Form nichts gemein hat. Die komplex aufgebaute Frucht des Granatapfelbaumes (Punica granatum L.) aus der Familie der Weiderichgewächse (Lythraceae) ist botanisch betrachtet eine Beere. Und für eine „gelungene“ Ernte der mehreren hundert kantigen Samen mit ihrem saftigen, farbintensiven Samenmantel (Arillus) ist eine spezielle Technik „von Vorteil“. Die vielen Samen (lateinisch ‚granum’ – Korn) haben der Granate (althochdeutsch) ihren Artnamen eingetragen. Der Gattungsname rührt von puniceus, welches sowohl purpurrot bedeutet als auch punisch von regia punica, der Region um Karthago – hier soll es die besten Früchte gegeben haben.

Der Granatapfel, ein sommergrüner Strauch oder bis fünf Meter hoher Baum mit kantigen Zweigen und bis zu zehn Zentimeter langen lederigen Laubblättern, ist ursprünglich in West- und Mittelasien beheimatet. Er ist seit Jahrtausenden kultiviert und weit verbreitet worden. Wer ab Juni in den Mittelmeerraum fährt, kann die Pflanze mit ihren orangeroten bis hellgelben glockenförmigen Blüten in Plantagen oder Gärten finden. Die Früchte, die auch Namensgeber für den leuchtend roten Halbedelstein Granat sind, werden hier ab September reif. Die Pflanze wird weltweit in wärmeren Regionen angebaut.

Der Granatapfel ist einer der ältesten Kultur- und Arzneigehölze. Die Pflanze wurde sehr verehrt und war Symbol für körperliche und geistige Fruchtbarkeit, Liebe, Schönheit, Leben und auch Zeichen für Macht und Reichtum. Die Frucht ist Attribut aller Liebesgöttinnen der Alten Welt wie Astarte, Isis, Venus, Maria und von allen Vegetationsgöttern und -göttinnen wie Adonis, Dionysos, Hera, Zeus, Persephone und viele mehr.

So ist das wohl früheste Zeugnis der Symbolik des Granatapfels auf einer Alabaster-Kultvase zu finden. Sie stammt aus einem in der Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. der Fruchtbarkeitsgöttin Innina bzw. Astarte geweihten Tempel in Mesopotamien (heute im Iraq-Museum in Bagdad). Auf vielen Kunstdenkmälern der Assyrer und Ägypter finden sich Abbildungen des Granatapfels. In der griechischen Klassik war der Granatapfel der gekrönte Apfel, eine heilige Frucht – alle Gottheiten hielten sie in den Händen. Die Früchte oder deren Nachbildungen waren im Altertum oft Grabbeigaben, galten sie durch die vielen Samen doch als Symbol der Hoffnung auf Wiedergeburt nach dem Tod – ein Symbol, welches auch in der christlichen Kirche später übernommen wurde. Berühmt ein Bild von Botticelli ‚Madonna mit dem Granatapfel’ (1487), auf dem Jesus die geöffnete Frucht der Wiedergeburt hält. Die vielen Samen sollen aber auch die große Zahl der Tugenden Marias darstellen.

Die Frucht wurde in der weltlichen Welt Machtsymbol – der kronenförmige Calix (Becher) machte ihn zum Reichsapfel und wurde oft Zierde königlicher Zepter. Im späten Mittelalter, im Spanien zur Zeit des arabischen Einflusses, erlebte die Symbolik und Darstellung des Granatapfels ihren Höhepunkt in Europa (Granada).

Abbruch tat ihm die von den Franzosen 1520 erfundenen und nach ihm benannten Kanonenkugeln, die Granaten, und später die aufblühende Orangenkultur.

Fast alles, die Frucht, die frische Rinde (gegen Parasiten wie Bandwürmer), die Fruchtschale, die Blüten, die Wurzel und die Blätter wurden bzw. werden genutzt. Schon früh wurden aus den Fruchtschalen Farbstoffe für Wolle und auch Gerbstoffe gewonnen.

Aus den Samen wird seit alters her der mineralstoff- und Vitamin C-reiche Saft gewonnen, aus dem der Sirup ‚Grenadine’ und auch Wein hergestellt wurde. Dioskurides schreibt: „Diese Granaten dienen …wider die Schwachheit und Mattigkeit des Herzens…/“ – heutige Studien sollen die positive Wirkung bei Herz- Kreislauferkrankungen und darüber hinaus bei Krebs und Arthritis zeigen. Auch das Öl der Samen mit hochwertigen ungesättigten Fettsäuren wird zunehmend für Kosmetik genutzt und trägt zur erneuten „Blüte“ des Granatapfels bei.

Apropos Technik: Ich bevorzuge folgende: Den Granatapfel quer durchschneiden, entlang der Kammerwände aufschneiden, die einzelnen Fruchtschalen nach außen klappen und die Samen absammeln.

 

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zuletzt bearbeitet am 3.VII.2014