18.Juni 2015
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Zur Blume des Jahres 2015 gekürt: der Gewöhnliche Teufelsabbiss
Joachim Schmitz
Jedes Jahr lobt die Loki Schmidt-Gesellschaft eine Blume des Jahres aus. In diesem Jahr ist es der Gewöhnliche Teufelsabbiss mit dem wissenschaftlichen Namen Succisa pratensis. Die Art gehört zur Familie der Kardengewächse (Dipsacaceae), die meistens viele irgendwie rötlich bis violette, kleine Blüten in Körbchen oder Köpfchen vereinigt haben und deshalb von Laien schon mal mit den echten Korbblütern verwechselt werden. Beim Teufelsabbiss sind die Köpfchen kugelrund, blauviolett gefärbt und etwa zwei Zentimeter dick. Die Pflanze wird maximal einen Meter hoch und blüht ab Ende Juni.
Der Name kommt vom unterirdischen Wurzelstock, der am Ende alte Teile auf einen Schlag abstößt und dadurch wie abgebissen aussieht. Zu früheren Zeiten haben die Menschen darin natürlich teuflisches Zauberwerk gewittert und dem Teufelsabbiss allerlei magische Wirkungen zugescrieben. Der getrocknete Wurzelstock wurde als Talisman gegen den Teufel um den Hals getragen und in Viehställen aufgehängt, um das Vieh gegen teuflischen Zauber zu schützen. In der Volksheilkunde wurde der Wurzelstock als „Morsus diaboli radix“ unter anderem als Wurmmittel und äußerlich bei Hauterkrankungen verwendet.
Der Teufelsabbiss ist auch Futterpflanze für mehrere seltene Schmetterlinge wie den Skabiosen-Scheckenfalter (Euphydryas aurinia) und den Skabiosenschwärmer (Hemaris tityus). Letztere Art ist besonders spektakulär, weil sie nicht nur zu den wenigen tagaktiven Schwärmern gehört (die sonst alle Nachtfalter sind), sondern mit ihren glasigen Flügeln und anderen Körpermerkmalen eine Hummel vortäuschen ein Lehrbuchbeispiel für eine Mimikry.
Zur Blume des Jahres geworden ist der Teufelsabbiss aber vor allem wegen seiner Ökologie. Er ist einer der großen Verlierer der Industrialisierung der Landwirtschaft. Typische Biotope sind Sumpfwiesen, die eher nährstoffarm und wechselfeucht sind, das heißt, sie können über längere Perioden auch mal trocken fallen. Solche Biotope sind heute nicht mehr rentabel zu bewirtschaften. Der geringe Ertrag und die heute üblichen schweren Maschinen, die auf Sumpfböden nicht einsetzbar sind, machen das unmöglich.
Entweder wurden solche Wiesen trocken gelegt oder aufgegeben. Nur in Naturschutzgebieten konnten die Populationen durch Pflegemaßnahmen aufrecht erhalten werden, die die alte landwirtschaftliche Nutzung nachahmen. Dementsprechend weist die aktuelle Rote Liste von Nordrhein-Westfalen die Art für die Eifel als ungefährdet aus, aber nur, weil hier genügend Biotoppflegemaßnahmen die Populationen stabil halten.
Im Niederrheinischen Tiefland wird die Art dagegen in die Kategorie 2 (stark gefährdet) eingestuft. Dementsprechend findet man die Art in der Niederrheinischen Bucht und im Niederrheinischen Tiefland heute nur noch in den als Naturschutzgebiet ausgewiesenen und gepflegten Heidemooren. In der Eifel ist die Art noch verbreitet in feuchten Talwiesen. Und im Hohen Venn kommt der Teufelsabbiss in Pfeifengras- und Binsenwiesen außerhalb der eigentlichen Moorflächen vor. Manchmal rettet sich die Art auch in die Wassergräben an Feldwegen, so zum Beispiel am Südwestrand des für die Galmeiflora bekannten Schlangenbergs bei Breinig.
zuletzt bearbeitet am 14.VII.2015