17.Sept.2015
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Einer muss schließlich aufräumen: Mistkäfer sind fleißig und fürsorglich
N.N.
Mistkäfer sind für unsere Breiten relativ auffällige Erscheinungen. Zu ihnen gehören einige der größeren Käferarten in Deutschland, und da sie sowohl tag- als auch nachtaktiv sind, bekommt man sie leicht zu Gesicht. Wer sich einige Zeit neben Schafsdung oder einem frischen Kuhfladen auf die Lauer legt, muss meist nicht lange warten. Die schwerfälligen Flieger plumpsen regelrecht aus der Luft und machen sich gleich an die Verarbeitung ihrer Leibspeise: frischer Mist. Sie sind Feinschmecker. Saftig muss es sein, sonst wechseln sie das „Restaurant“.
Weltweit gibt es etwa 150 Arten von Mistkäfern, die auf allen Kontinenten vorkommen bis auf die Antarktis und Australien. Allerdings, Australien stimmt mittlerweile nicht mehr. Der vor allem im Mittelmeergebiet heimische Geotrupes spiniger wurde 1966 bewusst importiert, um der Dungmassen Herr zu werden, die auf australischen Farmen anfielen. Es gab bis dato keine einheimische „Müllabfuhr“, da auch Rinder ursprünglich nicht aus Australien stammen. Hier sieht man, welche wichtige Aufgabe Mistkäfer in unserer Natur übernehmen: Sie räumen auf. In teilweise sehr weitläufigen, unterirdischen Gangsystemen verstauen sie ihre Beute und düngen damit ganz nebenbei den Boden. Ihr lateinischer Familienname Geotrupidae bedeutet nicht umsonst Erdbohrer.
Die berühmten Pillendreher
Die berühmten Pillendreher sind den Mistkäfern zwar äußerlich und im Verhalten ähnlich, gehören aber zur nahe verwandten Familie der Blatthornkäfer. Sie waren schon im alten Ägypten Symbol der Wiederauferstehung und wurden in Form der Herzskarabäen den Mumien mit ins Grab gegeben. Im Süden Deutschlands lebt nur die stark gefährdete Art Sisyphus schaefferi, ansonsten liegt das Verbreitungsgebiet der Pillendreher vor allem im Mittelmeerraum. Hier war es auch, genauer gesagt in Sérignan-du-Comtat im Süden der Provence, wo der geniale Autodidakt und Begründer der Insekten-Verhaltensbiologie Jean-Henri Fabre Ende des 19. Jahrhunderts ein großes Rätsel löste. Er fand in jahrelangen, mühsamen Versuchen heraus, warum der Pillendreher Pillen dreht. Die perfekt runden Kugeln rollt er mit den Hinterbeinen durchs Gelände, verteidigt sie gegen Artgenossen und verscharrt sie in einer Brutkammer, in die er genau ein Ei legt, aus dem bald eine Larve schlüpft.
Diese ernährt sich vom Dungvorrat, verpuppt sich im Inneren der Kammer und schlüpft nach etwa zehn Monaten. Fabres lebendige und ausgesprochen wortgewandte Beschreibung seiner eleganten Versuche (nicht nur mit dem Pillendreher) gelten bis heute als Musterbeispiel präziser Naturbeobachtung und brachten ihm 1912 sogar eine Nominierung zum Literaturnobelpreis. Seine berühmten „Erinnerungen eines Insektenforschers“ werden übrigens derzeit in einem auf mehr als zehn Jahre ausgelegten Projekt erstmals vollständig ins Deutsche übersetzt.
Eine Sonderstellung
Fabres Erkenntnisse haben auch das Verhalten des Mistkäfers enträtselt. Wie der Pillendreher füttert er seine Larven mit Dung, den er in den unterirdischen Kammern lagert. Es gibt sogar Arten, bei denen kümmern sich beide Geschlechter gemeinsam um die Brut und füttern und verteidigen sie tatsächlich noch über den Schlupf der Larven hinaus. Aktive Brutpflege ist bei nicht-sozialen Insekten ausgesprochen selten, weshalb die Mistkäfer unter den Käfern eine Sonderstellung einnehmen. Nur die tropischen Zuckerkäfer haben eine noch komplexere Sozialstruktur. Sie bilden sogar Staaten und kümmern sich gemeinsam um die Aufzucht des Nachwuchses.
Erwachsene Mistkäfer werden mit bis zu drei Jahren übrigens ungewöhnlich alt.
Der häufigste Mistkäfer Deutschlands ist der Waldmistkäfer Anoplotrupes stercorosus, den man vor allem im Frühjahr zur Paarungszeit im Wald in großer Zahl antrifft. Und wer sich die grün-violett metallisch schimmernden Kraftpakete einmal aus der Nähe ansieht, der findet sie vielleicht sogar hübsch. Nicht gerade ein Haustier, aber ein Käfer mit Charakter.
zuletzt bearbeitet am 16.X.2015