10.Nov.2016

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Moose im Garten sind einen Versuch wert

Joachim Schmitz

Moose im Garten? Da wird jeder Anhänger eines gepflegten englischen Rasens den Kopf schütteln, gehören Moose doch da zu den gefürchteten „Unkräutern“. Aber genauso, wie es auch unter den Blütenpflanzen solche und solche gibt, gibt es auch Moosarten, die sich gut kultivieren lassen und dem Garten einen besonderen Stil verleihen.

Es gibt sogar Gärten, in denen Moose flächendeckend wachsen. Bei uns sind Moosgärten noch ungewöhnlich. In Japan haben sie dagegen eine lange Tradition. Sie wurden besonders um Paläste und buddhistische Tempel angelegt. Neben großen Moospolstern sind Wasser, Steine, Brücken und Pavillons typische gestalterische Elemente. Im privaten Bereich wurden ab dem 16. Jahrhundert Moosgärten als Teegärten angelegt, in denen die Teezeremonie abgehalten wird.

Es muss ja nicht gleich ein ganzer Moosgarten sein. Man kann auch an einzelnen Stellen mit Moosen besondere Akzente setzen. Die meisten heimischen Moose bevorzugen saure Böden. Das in den Buchenwäldern der Eifel verbreitete Schöne Widertonmoos (Polytrichum formosum, nach Wikipedia neuerdings Polytrichastrum formosum) macht sich zum Beispiel gut in Moorbeeten unter Rhododendren beziehungsweise Azaleen.

Längst nicht alle Moose lieben es schattig. Das Glashaar-Widertonmoos (Polytrichum piliferum) kommt wild auf Sand und Schieferfelsen vor und kann entsprechend in Steingärten eingesetzt werden. Wenn im zeitigen Frühjahr die Geschlechtsorgane ausgebildet werden, färben sich die obersten Blättchen rot, was der Volksmund als Moosblüte bezeichnet. Diese Art kann vom Zierwert her mit echten Blütenpflanzen durchaus konkurrieren.

In Wassernähe oder bei größerer Luftfeuchtigkeit kommen auch thallöse Lebermoose in Frage. Das sind Moose, die nicht in Stämmchen und Blättchen gegliedert sind, sondern als flächige Gebilde auf ihrer Unterlage herumkriechen. Das häufigste ist das Brunnenlebermoos (Marchantia polymorpha). Wenn es zur geschlechtlichen Vermehrung übergeht, bildet es die Geschlechtsorgane in zwar kleinen, aber sehr ornamentalen Schirmen aus. Die Art ist ziemlich häufig und kommt selbst auf Blumentöpfen oder Terrassen in luftfeuchter Lage vor. Leider gibt es viel zu viele Leute, die das vermeintliche Unkraut „wegkärchern“ anstatt sich daran zu freuen. Seltenere Arten wie das Kegelkopfmoos (Conocephalum conicum) oder das Mondbechermoos (Lunularia cruciata) sind über den besser sortierten Aquarienhandel zu beziehen.

Wenn man es jetzt mit Moosen im eigenen Garten versuchen will, bleibt natürlich die Frage: Wie komme ich eigentlich da dran? Das ist in der Tat ein Problem. Im einschlägigen Gartenhandel gibt es Moose überhaupt nicht, außer bei ein paar Wassermoosen im Aquarienhandel. Man darf sich auch nicht davon täuschen lassen, dass manche Blütenpflanzen im Gartenhandel als irgendwas mit Moos bezeichnet werden. Der Bodendecker Sagina subulata ist ein Nelkengewächs, das auf Deutsch eigentlich Pfriemen-Mastkraut heißt, aber im Gartenhandel als „Sternmoos“ geführt wird, weil das irgendwie verkaufsfördernder klingt. Wenn man ein bestimmtes Moos anpflanzen will, bleibt bisher nichts anderes übrig, als es in der Natur zu sammeln. Die Entnahme aus Schutzgebieten ist natürlich tabu. Für geschützte Arten gilt das auch. Aktuell gibt es aber nur drei Moosgattungen, deren Arten alle geschützt sind. Das sind die Torfmoose (alle Sphagnum-Arten), Weißmoos (Leucobryum) und Etagenmoos (Hylocomium).

Die Entnahme aus der Natur erfordert also ein Mindestmaß an Kenntnissen und Vorinformationen. Deshalb schlage ich blutigen Laien etwas anderes vor: Ihren Rasen können Sie ja weiter vertikutieren, aber lassen Sie doch sonst unter Gehölzen, auf Steinen oder an Teichen die spontan angeflogenen Moose einfach mal wachsen und schauen sich die kleinen Wunderwerke mit der Lupe an.

voriger Artikel ← | → nächster Artikel

Auswahl nach Erscheinungsdatum

Auswahl nach Themenstichwort

Startseite

zuletzt bearbeitet am 31.XII.2016