5. Okt. 2017

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Die Frucht des Pfaffenhütchens sieht aus wie das Birett eines Geistlichen

Ruth Gestrich-Schmitz

Sind im Frühling die Blüten eher unscheinbar, leuchten dafür im Herbst die Blätter des Pfaffenhütchens in spektakulären Rottönen. Auch die purpurrosa bis karminroten Früchte fallen sofort ins Auge. Sie erinnern an das Birett, eine Kopfbedeckung katholischer Geistlicher – daher der Name. Die Vögel freuen sich jetzt im Herbst über die leckere Nahrung. Rotkehlchen, Drosseln und Elstern lassen sich gerne von den Früchten anlocken.

Das Pfaffenhütchen (Euonymus europaeus) aus der Familie der Spindelbaumgewächse (Celastraceae) kommt vor allem in Mitteleuropa vor und ist bevorzugt auf nährstoffreichen, kalkhaltigen Böden an Waldrändern, Hecken, Gebüschen und in lichten Laubwäldern zu finden. Es wächst aufrecht als reich verzweigter, bis drei Meter hoher Strauch, seltener als kleiner Baum mit bis zu sechs Metern Höhe. Die Zweige sind vierkantig, bei älteren entwickeln sich Korkleisten. Die lanzettlichen, kurzgestielten Blätter stehen gegenständig, sind beiderseits kahl und am Rand feingesägt. Im Mai/Juni bilden sich in achselständigen Trugdolden kleine hellgrüne Blüten mit vier schmalen Kronblättern, die gerne von Fliegen, Bienen und Ameisen wegen des verlockenden Nektars besucht werden. Von August bis Oktober reifen die dekorativen rosa-roten Kapselfrüchte. Beim Aufspringen der vier Klappen erscheinen vier weiße, eiförmige Samen, die jeweils von einem orangen Samenmantel umhüllt sind. Die Samen hängen an einem verlängerten Stielchen aus der Kapsel heraus. Besonders für Rotkehlchen ist der Samenmantel eine beliebte Speise, weswegen die Samen im Volksmund „Rotkehlchenbrot“ genannt werden. Interessant ist, dass sich die Verbreitungszone des Rotkehlchens mit der des Pfaffenhütchens deckt. Die Vögel verdauen den fleischigen Samenmantel, speien den Samen aber wieder aus und sorgen damit für seine Verbreitung.

Alle Teile des Pfaffenhütchens sind stark giftig, vor allem die Samen. Sie enthalten herzwirksame Glykoside, Alkaloide und Bitterstoffe. Vergiftungserscheinungen treten oft erst nach zwölf bis achtzehn Stunden auf: Übelkeit, Erbrechen, Fieber, Koliken, Lähmung der Kaumuskulatur bis zum Tod in Bewusstlosigkeit. Es verwundert nicht, dass das Pfaffenhütchen 2006 zur Giftpflanze des Jahres gewählt wurde. In früheren Zeiten verwendete man die getrockneten und gemahlenen Früchte als Insektizid äußerlich gegen Läuse, Flöhe oder Krätzmilben. Das Pulver mit Butter vermischt setze man gegen Kopfläuse ein.

Aus dem harten, gelben Holz des Pfaffenhütchens stellte man früher Orgelpfeifen, Schachbretter, Etuis, Stricknadeln und Spindeln her, daher der Name „Spindelstrauch“. Die Schweizer Bezeichnung „Schuenegeliholz“ weist auf die Nutzung für Schuhnägel hin. Der französische Name Fusain d´Europe gibt einen Hinweis auf die Verwendung der aus dem Pfaffenhütchen gewonnenen hochwertigen Holzkohle als Zeichenkohle (franz. fusain). In Russland baut man das Pfaffenhütchen zur Gewinnung von Guttapercha, einer im Milchsaft der Wurzelrinde enthaltenen, kautschukähnlichen Substanz, in Plantagen an.

Wegen der attraktiven herbstlichen Blattfärbung und der leuchtend rosa-roten Früchte trifft man das Pfaffenhütchen oft als Ziergehölz in Gärten und Parks an. Weil es sich auch für die Besiedlung von Rohböden eignet, wird es gerne zur Befestigung von Böschungen angepflanzt, um Erosion vorzubeugen.

Das Pfaffenhütchen lockt nicht nur Nektarsammler und Vögel an, sondern auch Schädlinge wie die Schwarze Bohnenlaus (Aphis fabae) oder die Spindelbaumgespinstmotte (Yponomeuta plumbellus). Im Frühjahr ist der Strauch häufig von den dichten Gespinsten der Raupen überzogen, die die Zweige kahl fressen. Doch in der Regel überlebt das Pfaffenhütchen die Attacke und treibt mit dem Johannistrieb wieder aus. Um größerem Schädlingsbefall vorzubeugen, sollte man Pfaffenhütchen nur in kleinen Gruppen, größeren Abständen und in Mischhecken mit anderen Gehölzen wie Schlehe, Heckenkirsche, Liguster, Berberitze oder Hartriegel anpflanzen.

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zuletzt bearbeitet am 29.X.2017