12. April 2018

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Lange Zeit bekämpft: Warum die wilde Berberitze bei uns so selten ist

Joachim Schmitz

Asiatische Berberitzenarten sind für ihre Massenanpflanzungen in öffentlichen Grünanlagen berüchtigt. Viel weniger bekannt ist die heimische Berberitze (Berberis vulgaris). Ähnlich wie ihre asiatischen Verwandten wächst sie strauchförmig, ist durch 1- bis mehrteilige Blattdorne bewehrt und treibt im Frühjahr kleine gelbe Blüten, die später zu länglichen, roten Beeren werden.

Ökologisch kommt sie sowohl in vom Menschen angelegten Feldhecken als auch in natürlichen Felsgebüschen vor. Sie ist klimatisch etwas anspruchsvoll, was sie z.B. mit Liguster oder Wolligem Schneeball verbindet. Eigentlich sollte sie auch an passenden Stellen in Gesellschaft solcher Arten vorkommen. Tatsächlich ist sie viel seltener.

Sie wurde nämlich in Gebieten mit Ackerbau systematisch bekämpft. Schon in der Antike wurden erhebliche Ausfälle der Getreideernte durch den Schwarzrost beschrieben. Im 18. Jhdt. wurde ein Zusammenhang der Krankheit mit benachbarten Berberitzen erkannt, den man sich aber nicht erklären konnte. 1794 gelang es, einen Pilz als Ursache des Getreiderosts zu identifizieren, der den Namen Puccinia graminis erhielt. Es hat dann bis 1866 gedauert, bis nachgewiesen werden konnte, dass der Pilz bestimmte Stadien seiner Entwicklung nur auf der Berberitze durchlaufen kann.

Im Einzelnen läuft der Lebenszyklus des Getreideschwarzrosts so ab: Im Frühjahr werden die Sporen auf Berberitzenblätter geweht, wo sie eindringen und nach Pilzart zu einem Fadengeflecht heranwachsen. Zuerst bilden sie dann auf der Blattoberseite Sporenlager aus, die der Verbreitung auf weitere Berberitzen dienen. Das geschieht nicht nur durch den Wind. Der Pilz produziert auch Nektar, was Insekten als Agenten anlockt. Dann erscheinen auf der Blattunterseite auffällig orange Häufchen, sogenannte Aecidien. Sie erzeugen Sporen, die auf Getreidehalme übergehen. Befallene Halme sind an braunen Flecken zu erkennen. Das sind wieder Sporenlager, die erst mal nur vegetativ für die Infektion weiterer Getreidepflanzen sorgen. Im Herbst wird dann eine vierte Sporenart gebildet, die im Boden überwintert. Diese Sporen treiben dann im Frühjahr zu einem wenigzelligen Gebilde aus, in dem erst jetzt die einzige geschlechtliche Sporenbildung stattfindet. Diese Sporen befallen dann eine Berberitze, so dass der Zyklus geschlossen ist.

Das erscheint sehr kompliziert, ist aber typisch für viele Parasiten ganz unterschiedlicher Lebensformen. Der Kleine Leberegel muss sogar drei Wirte in einer festgelegten Reihenfolge durchlaufen, um seinen Lebenszyklus zu vollenden. Typisch ist auch, dass häufig Generationen mit ungeschlechtlicher Vermehrung dazwischen geschaltet sind. Eines der bekanntesten Beispiele für Parasiten des Menschen ist der Erreger der Malaria. Die auch als Wechselfieber bezeichnete Krankheit beruht darauf, dass der Parasit sich vegetativ in den Roten Blutkörperchen vermehrt, sie dadurch zerstört und zu Fieberschüben führt. Zwingend muss der Parasit aber Lebensstadien in der Anopheles-Mücke durchlaufen. Deshalb versucht man weltweit, die Malaria durch Bekämpfung der Mücke in den Griff zu kriegen.

Genauso hat man auch versucht, den Getreiderost dadurch zu bekämpfen, dass man die Berberitze ausrottet. Auch in Deutschland war es lange Zeit Vorschrift, in der Nähe von Äckern Berberitzen zu vernichten. Um die Pflanzen komplett abzutöten, wurden die Wurzeln mit Salzlösung begossen. Die Nachwirkung dieser Bekämpfung ist heute noch spürbar; die Berberitze ist immer noch viel seltener, als es ihrem ökologischen Potential entspricht. Die Berberitze spielt als Überträger des Getreiderosts auch deshalb kaum noch eine Rolle, weil Feldhecken vielerorts verschwunden sind und auf ehemaligen Äckern heute riesige Mais- oder Rapsfelder stehen.

 

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zuletzt bearbeitet am 24.VII.2018