22. Aug. 2019
NATURBEOBACHTER AUS DER REGION
Vom Winde verweht: Bodenverlust durch Erosion
Monique Estelle Charrier
Wie wichtig Selbstverständliches ist, wird uns erst bewusst, wenn wir es verlieren, wenn es sprichwörtlich „vom Winde verweht“ wird. Der Boden, auf dem wir Nahrung anbauen, auf dem wir im Sommer barfuß über Gras laufen, von dem und auf dem wir so selbstverständlich leben, ist uns allein aus diesem Grund wichtig. Er ist fruchtbar und wertvoll.
Es gibt auch noch Aspekte, die ihn für uns wesentlich wichtiger machen, als uns im alltäglichen Leben bewusst ist. Geht er verloren, müssen wir mit schlimmeren Folgen leben als dem Verzicht auf schönen Sommerrasen.
Ein Auslandssemester in Saragossa, im Nordwesten von Spanien, lieferte mir einige Eindrücke dieses Szenarios. Die achtgrößte Stadt Spaniens bietet ungefähr so vielen Menschen Lebensraum wie Frankfurt am Main. Sie erlangte vor allem deshalb solche Bedeutung, weil sie im Tal des Ebro liegt. Der Fluss ist im Übrigen auch Namensgeber der „iberischen“ Halbinsel. Doch was macht außer Wasser und einer guten Infrastruktur einen Lebensraum aus? Was ist mit schöner Natur, um dem stressigen Alltag zu entfliehen? Oder noch wichtiger: ausreichend Nahrung für alle Einwohner?
Saragossa liegt in einem semiariden Gebiet am Rand einer Wüste; die Sommer sind sehr heiß und Niederschlag fällt sehr wenig. Der Boden aus salzhaltigen Sedimenten, Evaporiten, bietet der Vegetation keine guten Bedingungen. Schlecht für unsere lebensnotwendigen Ansprüche, wäre da nicht der fruchtbare Boden im Gebiet des Flussbettes. Dieser kommt aus den Pyrenäen, wo Regen und Schmelzwasser Gestein erodieren und über den Ebro in die Täler transportieren.
Für die Bewirtschaftung der Felder legten die Zaragozanos bereits vor Jahrhunderten Kanalsysteme zur Verteilung des Wassers an. Umso erschreckender ist, dass nun Teile dieses fruchtbaren Bodens der Expansion der Stadt zum Opfer fallen und versiegelt werden. Die Kapazitäten dieser natürlichen Oase für die Landwirtschaft nehmen einerseits ab, andererseits muss der schrumpfende Anteil an fruchtbarem Boden immer größere Mengen Niederschlag aufnehmen und läuft somit Gefahr, weggeschwemmt zu werden. Die verbleibenden unteren Bodenschichten tragen kaum Vegetation und sind verstärkt der Winderosion ausgesetzt. Wenn die Vegetation fehlt, findet auch keine Verdunstung statt, es wird also keine Wärme über den Wassertransport der Pflanzen abgegeben. Folglich steigt die Bodentemperatur.
Die Gefahren, denen vergetationsarmer Boden ausgesetzt ist, und die Folgen die daraus für die Landschaft entstehen, wurden meinen spanischen Kommilitonen und mir in der „Mondlandschaft“ des Nationalparks Bardenas Reales (Navarra) bewusst. Die dortige Erosion durch Wind und Wasser trägt rasant weite Teile des Bodens ab und verändert die Landschaft in beeindruckender Geschwindigkeit. Die Exkursionsleiterin und ihr Team zeichnen an Messstellen regelmäßig die Erosion auf und berechnen daraus Abtragungsraten. Das schattige Plätzchen unter einem Baum, wie ich es auf heimischen Exkursionen gerne für eine Pause bevorzuge, brauchte ich erst gar nicht zu suchen, und auch das Sitzen auf dem steinigen und aufgeheizten Boden gestaltete sich eher schwierig. Mir wurde auf dem Ausflug in die Halbwüste somit doppelt bewusst, wie wichtig Pflanzen in der Natur sind.
Die Probleme des Bodenverlustes durch fehlenden Pflanzenbewuchs werden auch bei uns vermehrt auftreten. Auf der Heimreise vom Auslandssemester freute ich mich darauf, barfuß über weichen Rasen in unserem Garten zu gehen. Zuhause stellte ich fest, dass von weichem Rasen nicht viel übrig und der Boden erschreckend trocken war. Wind brachte keinen Regen, wehte jedoch als Staub Teile des fruchtbaren Bodens mit sich fort. Hoffentlich dorthin, wo es auch Wasser gibt, damit er nicht gänzlich seinen Nutzen verliert. Zum Glück wächst das Gras wieder nach, sonst wäre der Bodenverlust vielleicht noch drastischer und wir alle wären auch diesen und weitere Sommer nicht mehr in der Lage, über weiches Grün zu laufen bis sich wieder neuer Boden aus Gestein gebildet hat, was aber mitunter viele Jahr(hundert)e dauert.
zuletzt bearbeitet am 1.I.2020