28. Jan. 2021

NATURBEOBACHTER AUS DER REGION


Bäume pflanzen, um das Klima zu retten?

 Thomas Eßing

Einen wesentlichen Beitrag zur Klimarettung soll das Anpflanzen möglichst vieler Bäume leisten. Unternehmen werben damit, klimaneutral zu sein, indem sie sich an Aufforstungsmaßnahmen beteiligen. Doch was ist dran an der These, dass das Aufforsten großer Flächen das Freisetzen fossilen Kohlendioxids durch Verbrennen von Kohle, Öl und Gas kompensieren kann?

Wenn wir uns eine Fläche natürlich bewachsenen tropischen Regenwaldes anschauen, so ist das Entstehen und Vergehen der Bäume im Einklang. Die im Wachstum befindlichen Pflanzen entnehmen der Luft genau die Menge des Treibhausgases Kohlen(stoff)dioxid (CO2), die die toten, im Zersetzungsprozess befindlichen Bäume gerade freisetzen.

Aufgrund der warmen Temperaturen und dem regelmäßigen Niederschlag erfolgen alle biologischen Prozesse vollständig. Der tropische Regenwald kann somit kein zusätzliches CO2 speichern, das durch Verbrennung fossiler Energien freigesetzt wurde. Ein Wiederaufforsten gerodeter Bereiche bindet auch nur so viel Kohlendioxid, wie im Wald vor seiner Rodung bereits gebunden war.

Bei den Wäldern unserer Breiten sieht es etwas anders aus: Der überwiegende Teil der Bäume wird bereits in jugendlichem Baumalter gefällt und durch neue Pflanzungen ersetzt. Die entnommenen Bäume werden der industriellen Nutzung zugeführt.

In ihnen ist das umgewandelte CO2 enthalten. Hier ist entscheidend, wie lange das Holz dem Wertstoffkreislauf erhalten bleibt. Erst am Ende der Wertstoffkette entweicht dann das CO2, das während des Wachstums der Bäume aus der Luft entnommen wurde, wieder in der Müllverbrennungsanlage.

Ob darüber hinaus in unseren Wäldern langfristig Kohlendioxid in Form von Biomasse im Boden gespeichert wird, hängt von den Bedingungen vor Ort ab. In einem nassen Boden mit Erlenbestand zum Beispiel ist der biologische Prozess unvollständig. Die immer wieder absterbenden Bäume, Äste oder auch andere Pflanzen reichern den Boden fortwährend mit einer wachsenden Humusschicht an. In solchen Wäldern kann somit im Sommerhalbjahr der Atmosphäre CO2 entnommen und in umgewandelter Form in den oberen Bodenschichten langfristig gespeichert werden.

Bäume nicht erste Wahl

Aber nicht nur in nassen Wäldern können biologische Prozesse unvollständig ablaufen. Auch in borealen Nadelwäldern des Nordens (z. B. Taiga), sind bestimmte Kreisläufe unvollständig. Aufgrund der niedrigen Durchschnittstemperaturen kann die produzierte Biomasse nicht vollständig abgebaut werden. Somit wird der Atmosphäre hier ebenfalls fortwährend CO2 entnommen und im Boden eingelagert. Soll also aus fossilen Energien freigesetztes Kohlendioxid mithilfe von Pflanzenwachstum der Atmosphäre wieder entnommen werden, geht das nur über eine langfristige Lagerung dieser Pflanzen oder deren Umwandlungsprodukte.

Will man nun auf möglichst kleiner Fläche möglichst schnell Biomasse erzeugen und einlagern, um hierdurch der Atmosphäre CO2 zu entziehen, können Bäume eigentlich nicht erste Wahl sein. Denn grundsätzlich gilt: Je kleiner die Pflanzen, desto schneller wird Biomasse gebildet. Am schnellsten geht das bei Einzellern, die im Wasser leben.

Deutlich langsamer können das Gräser wie z. B. Weizen oder Mais, die aber immer noch viel besser sind als Bäume. Ganz am Ende könnte der 1000 Jahre alte, 100 Meter hohe Mammutbaum stehen. Dieser benötigt wegen seiner Höhe und Größe die aufgenommene Energie vollständig für seine eigene Erhaltung. Alle Energie, die er über seine Blätter aufnimmt, verbraucht er selbst. Über lange Zeit fällt er für zusätzliche CO2-Speicherung aus.

Wälder sind also im Hinblick auf ihre Fähigkeit, Klimagase zu binden, erhaltenswert. Ein vergrößerter Wald kann einmalig zusätzlich CO2 bis zum ausgewachsenen Waldzustand aufnehmen. Wollen wir kontinuierlich weiteres Kohlendioxid binden, kommen z. B. nordische Wälder oder Wälder auf nassen Standorten in Frage. So dauert die Entnahme aber sehr lange.

Wenn es schnell gehen soll, müssten in großindustriellem Umfang bestimmte Gräser wie z. B. Mais oder aber Einzeller in Wasserkulturen herangezogen werden. Mit diesen könnten dann z. B. ehemalige Tagebaulöcher verfüllt werden, um das gespeicherte CO2 langfristig der Atmosphäre zu entziehen.

 

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zuletzt bearbeitet am 2.II.2021